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11 Der Informant

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Brooklyn, Oktober 2009

Im Oktober 2009 stieg die Arbeitslosigkeit in den USA auf über zehn Prozent. Weihnachten stand vor der Tür und Monat für Monat verlor eine halbe Million Amerikaner ihre Arbeit. Derweil bat ein weiterer Amerikaner in einem Gerichtssaal in Brooklyn, ihm eine zweite Chance zu geben. Genaugenommen eine dritte, wenn man neben dem von der Mafia eingefädelten Börsenbetrug, wegen dem er heute hier war, auch noch den Fall des Mannes mitrechnete, den er 1991 mit einem abgebrochenen Cocktailglas angegriffen und schwer verletzt hatte.

Felix Sater war 43 Jahre alt. Heute würde er erfahren, ob ein Richter ihn für die nächsten zwanzig Jahre seines Lebens wegsperren würde. Seine Mutter und seine Schwester waren ebenfalls da. Andernorts warteten auch seine drei Töchter auf den Ausgang des Prozesses.

Am 23. Oktober um zehn Uhr morgens eröffnete Richter I. Leo Glasser das Verfahren. Er hatte im Leben schon viel gesehen: Er hatte im Zweiten Weltkrieg in Europa gekämpft und war mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet worden, hatte nach seiner Rückkehr in Brooklyn Jura studiert und war 1981 von Ronald Reagan zum Bezirksrichter ernannt worden. Es war er, den John Gotti zu Beginn des Verfahrens, in dem er wegen Mord und organisierter Kriminalität angeklagt war, laut als »diese Schwuchtel« beschimpft hatte. Am Ende hatte Glasser Gotti zu lebenslänglicher Haft ohne Bewährung verurteilt. Er trug Fliege, war bebrillt und machte sich profunde Gedanken über die Bedeutung des Rechts.

Auch Felix mangelte es bei der Zusammenstellung der Lebensgeschichte, die er dem Richter jetzt präsentieren würde, nicht an Material. Er war an eine öffentliche Schule gegangen und hatte danach an der Pace University in Manhattan Rechnungswesen studiert. Die Wall Street lag nur einige Blocks südlich des Campus. Das war in den 1980er Jahren, der Zeit der Wall Street der Gordon Gekkos. Gier galt als positiv. Felix wurde Broker und verdiente bald erst bei Bear Stearns und dann bei Lehman Brothers gutes Geld. Er war erst 25, als er eines Abends im Jahr 1991, so wie Männer an der Wall Street das nun einmal tun, in eine Midtown-Bar namens El Rio Grande ging und dort zu viel trank. Ein anderer Gast geriet mit Felix wegen einer Frau in Streit. Felix griff sich ein Margarita-Glas und rammte es dem Mann ins Gesicht. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und verlor außerdem seine Börsenlizenz. Damit gab es für ihn nach seiner Entlassung keine legale Möglichkeit, sein finanzielles Knowhow zu Geld zu machen. Ein Jugendfreund bot ihm die Möglichkeit, sich an einem Betrug zu beteiligen. Es war ein Hit-and-run-Schema: Man kaufte sich Aktien vollkommen wertloser Unternehmen, überredete ein paar gutgläubige Leute, ihre Ersparnisse in diesen Aktien anzulegen und so den Preis in die Höhe zu treiben, und verkaufte die eigenen Aktien dann wieder. Felix wusste, wie man Scheinfirmen gründete, über die die Gewinne gewaschen werden konnten. Bald hatten die Betrüger damit 40 Millionen Dollar verdient und gewaschen.

»Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe«, erklärte Felix dem Richter. Mit seinem Bauch, seinem fleischigen Gesicht und den dunklen Augenringen sah er aus, als hätte das Leben ihm ausnahmslos schwere Tage beschert. Bei anderen Gelegenheiten konnte er erfreut und völlig sorglos lächeln, aber dies war eine ernste Sache. »Als ich zugestimmt habe, da mitzumachen, kam ich mir vor wie in einer Falle. Ich hatte mich geprügelt und musste ins Gefängnis, womit ich niemals im Leben gerechnet hätte. Niemand hätte von mir gedacht, dass ich wegen einer Kneipenschlägerei ins Gefängnis kommen würde. Ich brauchte Geld für die Berufung, die mein Anwalt einreichen wollte, und ich war arbeitslos. Ich hatte eine vier Monate alte Tochter, Anwaltskosten, Rechnungen zu bezahlen.« Mit der Zeit, erklärte Felix dem Richter, habe er begonnen sich selbst für seine Beteiligung an diesem Betrug zu verachten. »Meine Eltern haben ihre Opfer nicht dafür gebracht, dass ich in diesem Land zum Kriminellen werde.«

Das war nicht unbedingt die ganze Wahrheit. In seiner Familie gab es einige Verbrecher. Felix’ Eltern verließen Moskau Anfang der 1970er Jahre, als Felix sechs war. Die Familie nahm damit denselben Weg wie viele andere sowjetische Juden: zuerst nach Israel und danach in die USA. Brighton Beach an der südlichen Spitze Brooklyns zog viele ehemalige Bürger der Sowjetunion an. An der Strandpromenade gab es immer mehr Borschtsch-Restaurants. Verbrecher aus der ehemaligen Sowjetunion nutzten die Chance, in die kapitalistische Welt zu expandieren. Der furchterregendste von allen war Wjatscheslaw Iwankow. Als vor v zakone (Dieb im Gesetz) gehörte er zum engsten Kreis des organisierten Verbrechens in der Sowjetunion. Gerüchten zufolge war Iwankow vor seiner Abreise in die neue Welt des »Brainy Don« alias Semjon Mogilewitsch, des Chefs der kriminellen Geldhaie in der Postsowjetära, aus einem russischen Gefängnis befreit worden. In Brighton Beach baute Iwankow eines der sich dort ausbreitenden Netzwerke auf, die Gewalt in Geld verwandelten, und führte die Oberaufsicht über ein weitverzweigtes Geschäftskonglomerat, in dem er für die gewalttätige Seite zuständig war und den geschäftlichen Aspekt den New Yorker Russen überließ, die weniger mit Tattoos übersät waren. Kreditkartenbetrug und Erpressung waren die Spezialität seiner Gruppe. Sie wusch Millionen von Dollar durch US-Banken und Scheinfirmen, wobei sie entweder selbst Unternehmen gründete oder legale Unternehmen dazu erpresste, mit ihr zu kooperieren. Das Immobiliengeschäft eignete sich dazu so perfekt, als sei es eigens dafür erfunden worden. Der Grundgedanke war zumeist, zeitweilig eine Immobilie zu erwerben, sie dann wieder zu verkaufen und so ursprünglich schmutziges Geld in den Ertrag eines ganz normalen Immobiliengeschäfts zu verwandeln. Eine dieser Immobilien gefiel Iwankow dann so gut, dass er selbst dort einzog: ein Apartment in einem vergoldeten Wolkenkratzer an der Fifth Avenue, nur einige Blocks vom Central Park und von Tiffany’s entfernt.

Iwankow war zwar ein Psychopath, aber er achtete immer sorgfältig auf Bündnisse mit den Ortsansässigen. Er machte sofort ein Interessensbündnis aus, das bei einem Treffen in Huntington auf Long Island im Jahr 1983 geschlossen worden war. Dabei hatte sich eine Abordnung russischer Gangster aus Brighton Beach mit Vertretern der Colombo-Organi­sation getroffen, einer der fünf italienischen Familien, die in der New Yorker Unterwelt seit der Weltwirtschaftskrise tonangebend gewesen waren. Sie waren gekommen, um einen unfassbar erfolgreichen Schwindel zu diskutieren, den sich Lawrence Iorizzo, ein genialer Betrüger aus Queens, ausgedacht hatte. Iorizzo war einen Meter achtzig groß und wog 300 Pfund. Man nannte ihn Fat Larry; es hieß, er könne neun Pizzas hintereinander essen.

Seine beiden Frauen, mit denen er insgesamt acht Kinder zeugte, wussten eine ganze Weile lang nichts voneinander, obwohl sie nur 15 Minuten voneinander entfernt lebten.

In geschäftlichen Dingen spielte Fat Larry ein ähnlich doppeltes Spiel. Er war Besitzer einer wachsenden Kette von Noname-Tankstellen auf Long Island. Wie alle anderen Tankstellen schlug er die Steuern auf die Preise, die er den Kunden abnahm, auf. Aber dann verteilte er seine Einnahmen auf eine Reihe von Offshore-Unterneh­men und sorgte dafür, dass die letzte dieser Firmen pleiteging, bevor das Finanzamt seinen Anteil bekam. So konnte Larry durch seine Pipeline von Scheinfirmen Geld abschöpfen, als sei es Schmuggelbenzin. Da sie keine Steuern zahlten, waren Fat Larrys Tankstellen billiger als die seiner Konkurrenten. Sie waren so erfolgreich, dass zwei Mafiosi von der Westküste beschlossen, sie unter ihre Fittiche zu nehmen. Fat Larry brauchte Schutz. Dazu wendete er sich an den furchterregendsten Verbrecher Long Islands, Sonny Franzese. Nominell war dieser nur Besitzer einer bescheidenen Textilreinigung in Brooklyn. Doch in Wirklichkeit spielte er eine bedeutende Rolle in der Colombo-Familie und verdiente Geld über Clubs, Restaurants, Strip-Bars und im Musikgeschäft. Wer es wagte, ihn zu hintergehen, bekam zu spüren, was echte Furcht ist. Die Mafiosi von der Westküste legten die geplante Übernahme ad acta und 1981 machte Fat Larry Franzeses Stiefsohn Michael zu seinem stillen Partner. Damit hatte er auch die physische Unterstützung, die er für den Aufbau seines Unternehmens vielleicht noch benötigen würde. Fat Larry und Michael Franzese machten den Benzinbetrug gemeinsam zum großen Renner. Ihr Meisterstück war jedoch, auch die Sowjets mit ins Boot zu holen.

Der Ex-Sowjet, der bei dem Treffen in Long Island zugegen war, war ein Mann namens Michael Markowitz. Er hatte rumänische Wurzeln und war 1979 auf dem Umweg über Israel in die USA gekommen, wo er ein ähnliches Betrugsgeschäft mit Benzin betrieb wie Fat Larry. An sich hätten die Italiener Markowitz einfach beseitigen können; die spektakuläre Art hierfür wäre gewesen, ihm Zementschuhe anzulegen und so ihre Territorialansprüche zu unterstreichen. Stattdessen entschieden sie sich für eine Unternehmensfusion. In der Unterwelt waren neue Zeiten angebrochen; die neu aus dem Ostblock eintreffenden Gangster konnte man weder ignorieren noch einschüchtern. Etliche von ihnen waren in Arbeitslagern gewesen und manche hatten Beziehungen zum KGB. Es gab wenig, was sie in Amerika fürchten mussten – sicherlich nicht das FBI, das die führenden Vertreter des organisierten Verbrechens immer noch mit Samthandschuhen anfasste. Und dasselbe galt sogar für die fünf Familien, deren Führung immer mehr durch Verräter und vereinzelte, unerschütterlich durchgreifende Ankläger dezimiert wurde. Hinzu kam, dass Markowitz’ Chef, Evsei Agron, aus St. Petersburg nach Brighton Beach übergesiedelt war und sich seine Position dort mit Hilfe brutaler Gewalt gesichert hatte.

Nach den Schätzungen Fat Larrys verdiente das multinationale Netz von Benzinbetrügern in seinem ersten Jahr an seinen Tankstellen überall in New York eine Milliarde Dollar. Auch die Konkurrenten der Betrüger – Ölgesellschaften, deren Chefs der Meinung waren, sie sollten zumindest einen Teil ihrer Steuern zu Hause bezahlen, und die außerdem auch noch einen Tribut an Leute wie Nursultan Nasarbajew abliefern mussten, die ihren Ölzugang an der Quelle kontrollierten – bezogen jetzt Benzin aus dieser trüben Quelle. Im Dunkel der Nacht belieferten die Tanklaster der Gangster auch Tankstellen, die Texaco, Chevron und Shell gehörten.

Michael Franzese und Fat Larry kauften sich Jachten, Flugzeuge und an einem Ort in Florida, an dem Franzese zum Ehrenpräsidenten der Polizei ernannt wurde, auch ein 350 000 Dollar teures Wohnmobil. Der organisierte Benzinbetrug war der krönende Abschluss einer Geschäftskarriere, die ihn zum größten Geschäftsmann der Mafia seit Al Capone machte.

Fat Larry fand die Situation dennoch nicht ganz befriedigend. Das lag daran, dass er etwas begriff, was Leute, die sich illegal bereicherten, nicht immer verstanden: dass es leichter war, an schmutziges Geld heranzukommen, als es zu verstecken, und dass es leichter zu verstecken war, als es zu säubern – und dass es sich, wenn es an die Oberfläche kam, dort breitmachte wie ein Ölfilm auf dem Meer und gewaltige Aufmerksamkeit auf sich zog. Bei diesem Geschäftsmodell wurde man von Kunden bezahlt, die ein paar abgegriffene Dollarnoten für eine halbe Tankfüllung auf die Theke legten – also in bar. Larry wusste nicht, wohin mit all dem Bargeld. Die russisch-italienischen Betrüger flogen ganze Koffer davon nach Österreich, wo die Banken keine Fragen stellten. Aber trotz alledem war die Welt offenbar nicht in der Lage, die Summen von Bargeld zu absorbieren, die Larry loswerden musste. Am Ende entschied er sich für einen radikalen Schritt: Er verbrannte die Eindollarscheine und zog sogar in Erwägung, dasselbe auch mit den Fünferscheinen zu tun. Aber 1984, also nur ein Jahr nach der Fusion mit den Russen, flog Larry auf. Er versuchte es mit einer Kooperation mit dem FBI, floh aber dann, nachdem die Mafia ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatte, nach Paris. Dort starb er trotz seiner Versuche, sich künftig gesund zu ernähren. Auch Michael Markowitz, der Mann des russischen Mobs in der Betrugsmaschinerie, verbrachte das letzte Jahr seines Lebens in Angst. Wie Larry wurde er nach Aufdeckung des Betrugs zum Informanten. Er wurde 1989 erschossen, während er mit seinem Rolls Royce durch Brooklyn fuhr.

Das von Larry entworfene Betrugsmodell breitete sich aus und gleichzeitig vertieften sich die Beziehungen zwischen den kriminellen Netzwerken der Italiener und der Russen. Mindestens vier der fünf Familien waren daran beteiligt und manchmal fungierten sie als eine Art Gewerbeaufsicht, die die verschiedenen konkurrierenden ex-sowjetischen Operationen überwachte. Bald arbeiteten Russen und Italiener in diversen kriminellen Unternehmungen Hand in Hand zusammen. Im Jahr 2000 verhaftete die Polizei einen Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion namens Michael Sheferovsky unter dem Vorwurf der Erpressung und Entführung. Sheferovskys mutmaßlicher Partner war Ernest »Butch« Montevecchi, ein Handlanger der Genovese-Familie, die sich unter der exzentrischen Führung Vincent Gigantes befand. Letzterer hatte die Behörden jahrzehntelang getäuscht, indem er wie ein Dementer in Bademantel und Pantoffeln umherlief, während der »Oddfather«, als der er nach außen hin bekannt wurde, in Wirklichkeit geistig derart auf der Höhe war, dass man ihn als den wichtigsten Chef der ganzen Mafia betrachtete. In den 1990er Jahren lief Butch zusammen mit seinem Moskauer Gefährten Sheferovsky überall in Brighton Beach herum, um von den Restaurants, den Lebensmittelläden und sogar von einem Krankenhaus Schutzgeld zu erpressen. 1999 war Butch verhaftet worden, nachdem die Polizei sein Telefon abgehört und ihn bei der Beteiligung an einem Aktienbetrug ertappt hatte. Jetzt war auch Sheferovsky ins Netz gegangen. Er erreichte eine Vereinbarung mit der Bezirksstaatsanwältin Brook­lyns, Loretta Lynch, und unterstützte dann sechs Jahre lang das FBI in seinem Kampf gegen das organisierte Verbrechen, bis er schließlich am 20. Juni 2006 vor dem Gericht des Eastern District stand, damit dieses seine Gegenwart als gesetzestreuer Bürger gegen seine kriminelle Vergangenheit abwog. Sein Anwalt zeichnete ein bemitleidenswertes Bild von ihm. Er befinde sich in einem schlechten körperlichen Zustand: Er habe schubartig auftretenden Krebs, Herzprobleme, Depressionen. Er trinke, was letztlich »einem Aspekt seiner Erziehung und seiner kulturellen Herkunft sowie den jüngsten Ereignissen in seinem Leben geschuldet« sei.

Ein Staatsanwalt hatte dem Richter einen Bericht über Sheferovskys Aktivitäten als Informant übergeben, zu denen auch verkabelte Ermittlungen gehörten. Jetzt fügte er hinzu, Sheferovsky habe das FBI auch über einen Betrug von Polen in Brooklyn an der staatlichen Krankenversicherung Medicaid informiert, bei dem eine Summe von zwei Millionen Dollar im Spiel war. »Wenn die Zusammenarbeit nicht noch ergiebiger war«, so der Staatsanwalt, »lag das vor allem daran, dass er, nachdem er verhaftet wurde, nicht mehr wirklich im Spiel war.«

An dieser Stelle meldete sich auch Sheferovskys Anwalt zu Wort. »Herr Sheferovsky ist jetzt 61 und er hat fünf Enkel. Glücklicherweise genießt er die starke Unterstützung seiner Familie. Als Mitbeteiligter der Taten in der russischen Gemeinschaft, die hier beschrieben wurden, empfindet er vor allem Bedauern. Und daher hat er sehr früh entschieden, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, und zwar nicht nur zum eigenen Wohl, sondern auch, um wiedergutzumachen, was er getan hat.«

Dann kam sein Anwalt zum schwierigeren Teil. Auf die Verbrechen, die Sheferovsky gestanden hatte, standen sieben bis neun Jahre Haft. »Ich glaube nicht, dass die Staatsanwaltschaft überhaupt Einwände gegen unsere Bitte erheben wird«, sagte er. Diese bestand darin, ihm eine Gefängnisstrafe zu ersparen. Er sei sich bewusst, dass diese Bitte »sehr weitgehend von der Norm« abwich. Zur Frage einer möglichen Wiedergutmachung erklärte der Staatsanwalt dem Richter, die Opfer seien »entweder nicht identifizierbar oder tot«, oder das Geld, das von ihnen erpresst wurde, habe »selbst aus kriminellen Aktivitäten gestammt«.

»Gut«, meinte der Richter. »Herr Sheferovsky, wollen Sie noch etwas hinzufügen, bevor ich das Urteil spreche?«

»Ja.«

»Bitte sehr.«

»Sehr geehrter Herr Richter, ich werde all das mein Leben lang bereuen. Ich bitte den Staat, das Gericht und meine Familie um Verzeihung. Ich werde nie wieder auch nur das geringste Verbrechen begehen. Das war mein ganz großer Fehler. Ich bin in einem harten Land großgeworden. Mein Großvater wurde erschossen, weil er gegen den Kommunismus gekämpft hat. Ich glaube, wenn Sie mir eine Chance geben und ich nicht ins Gefängnis muss – ich glaube, dass ich dann ein guter Bürger sein werde. Es tut mir alles wirklich leid, das ist es, was ich hier sagen möchte. Es tut mir leid.«

»Danke. Gut. Sind Sie bereit für das Urteil?«

»Ja, Sir.«

Der Richter verlas das Urteil. Drei Jahre Bewährung, volle Offenlegung der Finanzen, Behandlung der Drogensucht und der psychischen Probleme. Kein Alkohol, keine Drogen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurden die Akte des Falls versiegelt. Sie wurde unter dem Namen »Michael Sheferovsky« geführt, doch der Richter musste das erst nachprüfen, da der Angeklagte zwei verschiedene Namen hatte. Sein Anwalt erklärte, dass er unter beiden bekannt war. »In der russischen Gemeinde nennt man ihn Sheferovsky; die amerikanisierte Version davon ist Sater. Wenn er es mit Amerikanern zu tun hat, ist der richtige Name also Sater.«

Und nun war drei Jahre später vor demselben Gericht und vor derselben Staatsanwältin Saters Sohn an der Reihe, um Milde zu bitten.

»Die Taten, die ich begangen habe, waren widerwärtig«, erklärte Felix Sater dem Richter. »Das war nicht einfach Finanzbetrug. Ich hatte viele Fähigkeiten und Möglichkeiten und warf sie dann einfach weg.« Er habe mit dem Hit-and-Run-Betrug aufgehört, weil er sich nicht mehr an Verbrechen beteiligen wollte. Darum sei er nach Russland, ins Land seines Vaters gegangen, um dort im Telekomsektor zu arbeiten. Dort begann das nächste Kapitel seines Lebens, das sogar noch reicheres Material als die vorigen für die Geschichte bot, die er dem Richter erzählte.

Eines Tages kam Felix in Moskau beim Abendessen mit dem Vertreter einer amerikanischen Rüstungsfirma ins Gespräch. Als Felix zur Toilette ging, folgte der Mann ihm. Dort, wo niemand zuhören konnte, machte er mit Felix ein zweites Treffen in einem irischen Pub aus, das am nächsten Tag stattfinden sollte. Im Pub rekrutierte er Felix dann für den amerikanischen Geheimdienst. Felix eignete sich für diese Aufgabe gut. Er sprach fließend Russisch und sehnte sich nach Abwechslung. Ferner kannte er auch Leute im russischen Nachrichtendienst, auch wenn die Gründe hierfür in dem Brief, den seine Anwälte vor der Anhörung an den Richter geschickt hatten, nicht erläutert wurden. Tatsächlich kannte er sie sogar so gut, dass er sich, nachdem ein amerikanischer Agent ihn um Informationen über ein russisches Raketenabwehrsystem gebeten hatte, Zutritt zu der Militäreinrichtung verschaffen konnte, in dem dieses System untergebracht war. Es gelang ihm immer wieder, an von den Amerikanern besonders hochgeschätzte Zielobjekte heranzukommen. Er half ihnen bei der Wiederauffindung einer Ladung von Stinger-Luftabwehrraketen, die die CIA an die afghanischen Mujaheddin geliefert hatte, als die USA diese in ihrem Kampf gegen die sowjetische Invasion unterstützten. Bald wurde der islamistische Terrorismus zu einer Priorität für die Institutionen, die für die Sicherheit der USA zuständig waren: 1998 sprengte al-Quaida die US-Botschaften in Kenia und Tansania in die Luft und tötete dabei über 200 Menschen. Das FBI versuchte, dem Führer der Organisation, Osama bin Laden, auf die Spur zu kommen. Als der Hit-and-Run-Betrug entdeckt wurde und Felix zurück in die USA flog, um sich den Konsequenzen zu stellen, hatte er einen Zettel mit sich, auf dem fünf Nummern der Satellitentelefone bin Ladens standen. Er bekannte sich wegen seiner Rolle bei den Aktivitäten, die der Polizeipräsident als die »Kooperation von Top-Mafiosi« beschrieben hatte, der organisierten Kriminalität für schuldig, ein Verbrechen, auf das zwanzig Jahre Haft standen. Aber in der Folge musste er lediglich ein Haus in den Hamptons aufgeben. Er blieb in Freiheit, seine Gerichtsakte wurde versiegelt, und er bemühte sich weiter, seinen Wert für die Strafverfolgungsbehörden unter Beweis zu stellen. Er arbeitete weiter im Bereich der Informationsbeschaffung, nunmehr unter der Aufsicht des FBI. Nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 demonstrierte er erneut sein fabelhaftes Talent, das Vertrauen der Feinde Amerikas zu gewinnen. Es gelang ihm, Beziehungen zum persönlichen Assistenten des Taliban-Führers Mullah Omar herzustellen und einige der Geldwäscher al-Quaidas in den USA zu identifizieren. Er trat auch selbst so überzeugend als Geldwäscher auf, dass er zwei transnationale kriminelle Netzwerke infiltrieren konnte. Dazu musste er nach Zypern und in die Türkei fliegen. Und es gab fast nichts, was er nicht über das russische organisierte Verbrechen wusste. Er lieferte den Amerikanern Informationen über die Rote Mafia, die kriminellen Verbindungen der Oligarchen und sogar über ein Betrugssystem, bei dem amerikanische Unfallversicherungen geprellt wurden.

Heute vor Gericht wendete sich sein FBI-Führungs­mann Leo Taddeo an den Richter. Taddeo, ein ehemaliger Marine, war voll des Lobes. Felix hatte sich bereiterklärt, gegen seine Komplizen auszusagen. Genau wie sein Vater und die anderen aus der Sowjetunion stammenden Verbrecher in New York hatte er sich mit der Cosa Nostra zusammengetan. Dann hatte er sie verraten. Taddeo erklärte Richter Glasser, Felix habe einen entscheidenden Beitrag zur Überführung Frank Coppas geleistet. Coppa, ein »Hauptmann« der Bonnano-Familie, war der König der Variante von Aktienbetrug, durch die die Mafia mehr und mehr in die Wall Street eindrang. Aber das FBI hatte es nicht geschafft, ihm auch nur einen einzigen dieser Schwindel nachzuweisen – bis Felix, so Taddeo gegenüber dem Richter, dem FBI geholfen und Coppa belastet habe. Bald danach habe auch Coppa selbst ausgepackt und dazu beigetragen, dass die Schlinge sich nun auch um die obersten Ränge der Bonnanos zusammenzog, einer Familie, die so undurchdringlich war, dass sie auch durch einen infiltrierten FBI-Agenten, der sich Donnie Brasco nennen ließ, nicht zerstört wurde. Zwei weitere der fünf Familien waren an Felix’ Hit-and-Run-Betrug beteiligt gewesen und hatten mit ihrer Gewaltbereitschaft dazu beigetragen, die Loyalität korrupter Makler zu sichern und eventuelle Rivalen fernzuhalten. Auch sie waren den Häschern ins Netz gegangen. Einer davon war Danny Persico, dessen Onkel, Carmine »die Schlange« Persico, von einer Zelle in einem Bundesgefängnis aus die Colombo-Familie leitete. Der andere war Ernest »Butch« Montevecchi – der Handlanger der Genovese-Familie und ehemalige Komplize von Felix’ Vater, mit dem zusammen er in Brighton Beach Schutzgeld eingetrieben hatte.

Während er half, diesen Haufen von Mafiosi hinter Gitter zu bringen, sei Felix ein mustergültiger Agent gewesen, versicherte sein Führungsmann Taddeo nun dem Richter. »Er nahm jeden meiner Anrufe entgegen. Er antwortete ehrlich auf jede Frage. Er bemühte sich immer, bei der Wahrheit zu bleiben und nicht zu übertreiben.« Das FBI hatte in den 1990er Jahren hart daran gearbeitet, die Infiltration der Wall Street durch die Unterwelt zu stoppen. »Für uns besteht der Unterschied zwischen Erfolg oder Niederlage oft in einem Zeugen, der wirksam mit uns zusammenarbeitet.« Und Felix Sater sei genau so ein Zeuge gewesen. »Ich bin heute hier, um für ihn auszusagen«, sagte Taddeo. »Ich hoffe, dass seine Familie ihr Leben wieder aufnehmen kann und dass Felix wieder auf die Beine kommt und seine Rolle als guter Vater und Ehemann spielen kann. Ich weiß, dass er das ist.«

Felix’ Anwalt knüpfte an diese Ausführungen an. Zwei schwache Momente, der eine, als er sich in der Bar betrank, und der andere, als er der Bitte eines alten Freundes nachkam, sollten nicht als Quintessenz eines Lebens betrachtet werden. »Diese Schlägerei in der Bar war ein dummer Fehler, der Nachwirkungen hatte, die ihn dazu brachten, nochmals einen dummen Fehler zu begehen. Aber danach hat er, seit 1996, immer im legalen Bereich gearbeitet und seit 1998 mit den Behörden kooperiert.« Der Anwalt meinte, er wolle hier nicht das Wort »Rehabilitierung« verwenden, tat es dann aber doch. »Ich denke, er ist mittlerweile rehabilitiert. Er hat vieles, vieles wiedergutgemacht.« Er wisse, dass die nun folgende Bitte sehr ungewöhnlich sei, aber er bitte den Richter dennoch, Felix nicht zu einer Haftstrafe, ja, nicht einmal zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen. Der Staatsanwalt schloss sich dem an: Felix habe »mehr finanziellen Schwindel verhindert, als er selbst begangen hat«. Seit dem Hit-and-Run-Betrug habe er nur ein einziges Mal gegen das Recht verstoßen, nämlich vor einigen Wochen, als er mit seiner Frau von einem Abendessen im Restaurant heimgefahren und ganz knapp positiv auf Alkohol getestet worden sei.

Danach ergriff Felix selbst das Wort. Er erklärte dem Richter, er habe die Kooperation mit den Behörden schon vor Jahren beenden können, aber sich bewusst dafür entschieden, sie fortzusetzen. »Ich bin oft von Agenten und Staatsanwälten gefragt worden: ›Wäre es jetzt nicht Zeit für den Gerichtsprozess?‹ Ich sagte, ›Nein, ich bin bereit, weiterzuarbeiten.‹ Das habe ich gemacht, weil ich mich rehabilitieren möchte. Ja, ich bin ein Verbrecher. Ja, ich bin dieser ganzen Taten schuldig.« Seine Rückkehr ins bürgerliche Leben habe bereits einen schweren Rückschlag erlitten. »Ich bin ins Immobiliengeschäft gegangen und habe ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufgebaut«, sagte er. Aber dann fand ein Reporter der New York Times heraus, dass der neue Mann auf dem Immobilienmarkt in Wirklichkeit ein Betrüger und Gewalttäter war und dass das FBI im Austausch gegen seine Zusammenarbeit seine früheren Verbrechen vertuschte. »Ich musste aus meinem Unternehmen ausscheiden«, erklärte Felix dem Richter. »Dem Unternehmen, das ich mit meinen eigenen beiden Händen aufgebaut habe. Ansonsten hätten die Banken gesagt: ›Da hat ein Verbrecher die Hand im Spiel.‹ Also musste ich gehen.« Die New York Times hatte auch über eine Finte berichtet, die er bei seiner Arbeit für die US-Geheimdienste angewendet hatte: sein Angebot, ein Dutzend von Raketen zu kaufen, die Osama bin Laden auf dem Schwarzmarkt feilgeboten hatte. Eine Woche nach dem Bericht, so Felix vor dem Richter, sei seine Tochter aus der Schule gekommen und habe erzählt, die Kinder dort hätten gesagt, ihr Vater sei ein Terrorist. »Ich denke, das Schlimmste in Vergangenheit und Zukunft ist die Schande, die ich über meine Kinder gebracht habe, und ich werde mich ab jetzt für immer bemühen, Gutes zu tun, versuchen, ein nützliches Mitglied meiner Familie und meiner Gemeinde zu sein, und hoffentlich irgendwie den Berg von Schmutz wettmachen, unter dem ich mein Leben begraben habe.«

Der Richter hielt das Wort vom »Berg von Schmutz« ganz offensichtlich für angemessen. Der Hit-and-Run-Betrug, sagte er, sei »eine massive Serie von Wertpapierschwindeln« gewesen, »die von einer Gruppe hartherziger, korrupter Schurken ausgeheckt wurde«. Er habe sich oft gefragt, wie es zu solchen Verbrechen kommen könne. »Ich habe mir diese Frage damit beantwortet, dass die meisten von uns eine kleine Stimme in unserem Innern haben, die zu uns spricht, wenn wir in Erwägung ziehen, etwas Falsches zu tun. Sie sagt zu uns, ›Tu es nicht es ist falsch.‹ Später wurde mir allerdings klar, dass es Leute gibt, denen diese kleine Stimme fehlt. Sie hören sie nie und sie hören ihr nie zu. Und es gibt andere Leute, bei denen das nicht so ist.« Nach Meinung des Richters hatte Felix Sater die Stimme wohl gehört, aber nicht mehr auf sie geachtet, als sein Jugendfreund ihm die Beteiligung an dem Schwindel anbot. Dieser Betrug sei kein Bagatellvergehen gewesen. Die meisten Leute, so Grasser, verstünden unter Schwerverbrechen solche, die Menschen »ernsten physischen Schaden zufügen: Mord, Vergewaltigung, Einbruch, Körperverletzung. Aber das Vergehen, an dem Sie beteiligt waren, war ebenfalls ein Schwerverbrechen.« Hunderte von Menschen hätten das Geld verloren, das sie fürs Alter oder die Ausbildung ihrer Kinder gespart hatten. In mancher Hinsicht sei der Schaden, der durch diese Art von »Weiße-Kragen-Kriminalität« entstehe, noch schlimmer als der dieser anderen Verbrechen. Er könne Saters »Gehirn leider keine bleibende Injektion verabreichen«, um ihm »dadurch eine automatische Achtung vor dem Gesetz einflößen«, und müsse daher schlicht versuchen, ihm klarzumachen, »dass das Gesetz, wenn es ein bestimmtes Verhalten für unrecht erklärt, dies ganz genauso meint. So entsteht eine echte Achtung vor dem Gesetz. Glauben Sie dem Gesetz, dass Aktienschwindel ein Verbrechen ist! Tun Sie es nicht! Und der Arm des Gesetzes ist sehr lang. Er wird Sie am Ende immer einholen.«

Glasser steuerte nun auf das eigentliche Urteil zu. »Ich denke manchmal an eine Frage in Bezug auf Gott. Es heißt, jemand habe einmal gefragt, ob Gott auch betet. Und jemand anders hat geantwortet: ›Das ist doch eine dumme Frage! Ob Gott betet! Wozu und zu wem denn?‹ Aber die richtige Antwort wäre gewesen, dass Gott darum betet, dass er Gnade vor Recht ergehen lässt.« Doch Glasser stand hier vor demselben Dilemma, mit dem sich seit dem Skandal um Whitey Bulger von 1994 jeder Richter, der über einen FBI-Infor­man­ten urteilen musste, auseinanderzusetzen hatte. Whitey war einer der Bosse des irischen Mobs in Süd-Boston gewesen und hatte dem FBI geholfen, den Chef der italienischen Mafia in der Stadt aus dem Verkehr zu ziehen – der zufälligerweise auch Whiteys bedeutendster Rivale war. Das war in den 1970er Jahren, als die Mafia die Verkörperung der Angst vor einem Zustand war, in dem einem einstmals gesunden Amerika die Kontrolle über seine Städte verlorengegangen war. Dank der Unterstützung seines Jugendfreundes und Agentenführers beim FBI, John Connolly, konnte Whitey jahrzehntelang von den Behörden unbehelligt im Bostoner Drogenhandel tätig sein und dabei jeden zum Schweigen bringen, der drohte, sein geheimes Abkommen mit den Strafverfolgungsbehörden aufzudecken. Unterdessen präsentierte er sich in der Öffentlichkeit als ein Bollwerk gegen genau die Geißel, die er selbst in der Stadt verbreitete. Connolly nahm sein Geld und verhinderte jeden Versuch, gegen ihn zu ermitteln. Gleichzeitig stellte er seinen Gangsterkumpan als wertvollen Informanten dar, der mit Geld gar nicht aufzuwiegen sei. In Wirklichkeit waren Whiteys Informationen größtenteils wertlos oder stammten von Connolly selbst, der sie aus anderen Quellen hatte und an ihn weitergab. Aber solche Kleinigkeiten spielten keine Rolle. Wie jeder halbwegs strategisch denkende Verbrecher wusste, kam man mit Kooptierung sogar noch weiter als mit Angst. Wenn es einem gelang, einen Polizisten, Geschäftsmann oder Politiker vor seinen Karren zu spannen, wie es Whitey mit Connolly getan hatte, schützten diese mit einem Mal nicht nur ihren Günstling, sondern vor allem sich selbst. Dann konnte man mit der Wahrheit ganz so umgehen, wie man wollte.

Wie dem Gericht gerade lang und breit von seinem Anwalt und seinem Agentenführer erklärt worden war, befand Felix Sater sich jetzt auf einem neuen, legalen Weg, dem Weg eines anständigen New Yorker Immobilienmannes, der auch dann nach vorn schaute, wenn die Schrecken der Vergangenheit – wie eine Leiche, die im Fundament eines Neubaus gefunden wird – wiederauftauchten. Aber obwohl Richter Glasser Whiteys Fall nicht ausdrücklich erwähnte, war er offenbar zu dem Schluss gekommen, dass Informanten, die wie der Bostoner Gangster oder Felix Sater eine komplexe Serie von Verbrechen begangen hatten, einen ungerechten Vorteil genossen. »Je schlauer der Verbrecher ist und über je bessere Informationen er verfügt, desto wertvoller ist seine Kooperation und desto größere Vorteile kann er sich verschaffen, um eine mildere Strafe zu erreichen. Wir sehen das die ganze Zeit. Kleine Drogendealer, Kuriere, verfügen über keine Informationen, die den Behörden helfen könnten, und müssen daher das Urteil hinnehmen, das vom Gesetz verlangt wird.« In welchem Verhältnis standen Felix’ Bemühungen im Dienste des Gesetzes zu den zwanzig Jahren, zu denen er eigentlich nach demselben Gesetz verurteilt werden müsste? »Ich vermute, dass Sie fast jeden Abend, wenn Sie zu Bett gegangen sind, danach recht unruhig geschlafen haben, weil Sie an Ihr Urteil denken mussten. Was wird aus mir, wenn der Tag der Entscheidung kommt? Über einem Zeitraum von elf Jahren lebt man – und das gilt generell bei dieser Art von Kooperation – in einer Art von psychischem Gefängnis und trägt ständig eine Last mit sich herum.« Felix und seine Komplizen im organisierten Verbrechen seien Diebe, ja, das sei der richtige Name dafür, aber »Ihre Kooperation im Lauf all dieser Jahre zeigt ganz klar, dass Sie eine sehr aufrichtige und tiefe Achtung vor dem Gesetz haben«.

Der Augenblick, auf den Felix all diese elf Jahre lang gewartet hatte, war gekommen. »Ich verurteile Sie«, begann der Richter, der John Gotti zu lebenslänglicher Haft ohne Bewährung verurteilt hatte, »zu einem Bußgeld von 25 000 Dollar.« Das war alles. Die Gerichtsakte würde versiegelt bleiben. Glasser hatte noch eine weitere Ermahnung für den Angeklagten. »Wenn Sie das nächste Mal mit Ihrer Frau Abendessen gehen«, sagte er Felix, »trinken Sie nicht so viel.«

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