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Kapitel 2:
Perplex angesichts des Paradieses? 1. Christliche Verwirrung im Hinblick auf die Hoffnung

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Eine der meistzitierten anglikanischen Predigten des 20. Jahrhunderts ist leider auch eine der irreführendsten. In einer weitschweifig benutzten Anleitung für die Durchführung säkularer Beerdigungen werden Worte von Canon Henry Scott Holland, ehemaliger Domherr der St. Paul’s Cathedral, als Vorwort zitiert, und Tausende von Menschen verlangen, dass diese Worte bei Beerdigungen und Gedenkgottesdiensten gelesen werden:

Der Tod ist überhaupt nichts. Er zählt nicht. Ich bin nur in das nächste Zimmer hinübergegangen. Es ist nichts geschehen. Alles bleibt genau so, wie es war. Ich bin ich und du bist du, und das alte Leben, das wir so liebevoll zusammen gelebt haben, bleibt unberührt, unverändert. Was auch immer wir füreinander waren, wir sind es immer noch. Nenn mich bei dem alten vertrauten Namen. Rede von mir in der Leichtigkeit, die dich immer auszeichnete. Lege keinen anderen Ton in deine Stimme. Umgibt dich nicht mit einer erzwungenen Feierlichkeit oder Trauer […] Das Leben bedeutet das, was es immer bedeutete. Es ist dasselbe, was es immer war. Es gilt absolute und ungebrochene Kontinuität. Was ist der Tod außer einem zu vernachlässigenden Unfall? Warum soll ich aus dem Sinn sein, weil ich aus den Augen bin? Ich warte auf dich, in einer Zwischenzeit, irgendwo in der Nähe, gerade um die Ecke. Alles ist gut. Nichts ist verletzt; nichts ist verloren. Ein kurzer Moment, und alles wird sein wie vorher. Wie werden wir über die Beschwerde der Trennung lachen, wenn wir uns wieder begegnen!20

Üblicherweise weist niemand darauf hin, dass diese Ansicht nicht die Ansicht war, die Scott Holland selbst verteidigte. Der Text repräsentiert schlicht das, was wir Holland zufolge denken, wenn wir „auf das ruhige Gesicht dessen schauen, der uns sehr wichtig war und nahe stand“. An einer anderen Stelle in derselben Predigt, die er 1910 nach dem Tod von König Edward VII. gehalten hatte, spricht er von anderen Gefühlen, die der Tod ebenfalls hervorruft, der Tod, der „so unerklärlich scheint, so unbarmherzig, so taktlos, […] der grausame Hinterhalt, in den wir gelockt werden. […] Er schlägt seine schreckliche Bresche in unser Glück, wobei er uns unbekümmert und unmenschlich missachtet. […] Sein undurchdringliches Geheimnis versteckt sich hinter der Dunkelheit. […] Stumm wie die Nacht, diese entsetzliche Stille!“

Scott Holland versuchte sich dann an einer Versöhnung zwischen diesen beiden Ansichten über den Tod. Der Christ ist nach dem Neuen Testament „bereits vom Tode zum Leben durchgedrungen“, sodass der noch ausstehende Übergang des tatsächlichen Todes nicht so furchterregend sein sollte, wie er erscheint. Außerdem sollten wir (so schlägt Holland vor) vom Leben jenseits des Todes im Sinne eines fortgesetzten Wachstums in der Erkenntnis Gottes und in der persönlichen Heiligung denken, die bereits in der Gegenwart begonnen haben. Dies wirft Fragen auf, die wir in diesem Stadium des Buches noch nicht angehen können, aber es ist bereits klar, dass das Herausreißen des so oft zitierten Abschnitts aus der Predigt, in die er ursprünglich hineingehört, der Absicht des Autors ernstlich Gewalt antut. Man kann sich über die außerordentliche Leugnung nur wundern, die hier stattfindet: letztlich handelt es sich dabei um eine fest entschlossene Weigerung, über den realen und grausamen Bruch des Todes die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit über die schreckliche Leugnung des Gutseins des menschlichen Lebens, die jeder Tod beinhaltet. Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch mitunter die Folge hätte, dass die Verwendung des Abschnittes von Scott Holland auf christlichen Beerdigungen problematisiert wird. Diese Verwendung bietet nur einen hohlen Trost. In sich selbst, ohne Kommentar, erzählt der Abschnitt schlicht und einfach Lügen. Er ist nicht mal eine Parodie der christlichen Hoffnung. Er leugnet schlicht und einfach, dass es überhaupt ein Problem gibt, dass überhaupt ein Bedarf für Hoffnung besteht.

Im Kontrast zu diesem wohl bekannten Text sollte man sich die robuste Haltung einer klassisch christlichen Theologie ansehen, die vor langer Zeit von dem zeitweiligen Dekan von St. Paul, John Donne, formuliert wurde:

Tod, sei nicht stolz, hast keinen Grund dazu,

Bist gar nicht mächtig stark, wie mancher spricht:

Du tust uns nichts; auch mich tötest du nicht.

Die du besiegt wähnst, warten nur in Ruh.

Wenn schon der Schlaf, dein Abbild, Freude leiht,

Welch hohe Lust muss aus dir selbst gedeihn.

Und gehn auch unsre Größten zu dir ein – Die Asche fault, die Seele ist befreit.

Du Sklav des Fürsten, des Verzagten Knecht,

Der falsch durch Gift, durch Krieg und Krankheit siegt:

Wenn schon ein Schlaftrunk uns in Schlummer wiegt,

Und besser als dein Streich, wie prahlst du schlecht!

Nach kurzem Schlaf erwachen wir zur Ruh –

Und mit dem Tod ists aus: Tod, dann stirbst du.21

Auf den ersten Blick scheint dieser Text dem von Scott Holland ziemlich nahezustehen. Der Tod ist überhaupt nichts? Der Tod ist letztlich doch nicht mächtig und entsetzlich? Doch die letzten beiden Zeilen sagen alles. Der Tod ist der große Feind, aber er ist überwunden worden und wird letztlich vollständig überwunden werden. „Nach einem kurzen Schlaf erwachen wir auf ewig, / und der Tod wird nicht mehr sein. Tod, du wirst sterben.“ In dem Text von Scott Holland gibt es nichts zu überwinden. Für John Donne ist der Tod wichtig; er ist ein Feind, aber für Christen ist er ein geschlagener Feind. Im Einklang mit einem Großteil klassisch christlichen Denkens sieht Donne das Leben nach dem Tod in zwei Stufen: zunächst ein kurzer Schlaf, dann ein ewiges Erwachen.22 Und der Tod wird nicht mehr sein. Donne begriff das, was wir als die zentrale neutestamentliche Glaubensüberzeugung entdecken werden: dass der Tod letztendlich nicht einfach neu definiert wird, sondern dass er besiegt wird. Gottes Absicht besteht nicht darin, dem Tod zu gestatten, mit uns zu machen, was er will. Wenn die verheißene endgültige Zukunft einfach darin besteht, dass unsterbliche Seelen ihre sterblichen Körper zurücklassen, dann herrscht der Tod immer noch – denn das ist nicht eine Beschreibung des Sieges über den Tod, sondern schlicht eine Beschreibung des Todes, aus einer bestimmten Perspektive betrachtet.23

Aber ich greife mir selbst zu sehr vor. Die klassische christliche Position wird in den frühen Glaubensbekenntnissen ausgedrückt, die wiederum in mehrfacher Hinsicht auf dem Neuen Testament beruhen. Dies werden wir an späterer Stelle in diesem Buch untersuchen. In meiner Kirche erklären wir jeden Tag und jede Woche, dass wir an „die Auferstehung des Leibes“ glauben. Aber tun wir das wirklich? Viele christliche Lehrer und Theologen haben in den letzten Jahrzehnten die Angemessenheit dieser Ausdrucksweise in Frage gestellt. Ein kürzlich erschienener reichhaltig illustrierter Bildband zum Thema Tod und Leben nach dem Tod widmet der angeblich seltsamen Vorstellung von der Auferstehung ganze vier Seiten und erklärt offen, dass „das gegenwärtige orthodoxe Christentum nicht mehr an der Vorstellung einer physischen Auferstehung festhält, sondern das Konzept einer ewigen Existenz der Seele bevorzugt, auch wenn einige Glaubensbekenntnisse immer noch an den alten Vorstellungen festhalten.“24 Wir sollten an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen: Wenn das stimmt, dann ist der Tod nicht besiegt, sondern neu beschrieben: Er ist nicht mehr ein Feind, sondern schlicht das Mittel, mit dessen Hilfe die unsterbliche Seele (wie im Hamlet) ihre sterbliche Hülle abwirft.25

Von Hoffnung überrascht

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