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5. Die Schlüsselfragen

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Ich hoffe, der kurze Überblick dieser ersten beiden Kapitel reicht aus, um zumindest einen ersten Geschmack von dem verwirrenden Bild zu bekommen, das uns in der heutigen Welt und Kirche gleichermaßen an jeder Ecke begegnet. Wir müssen nun die Schlüsselfragen auflisten, die dem gesamten Buch unterliegen, und auf die Diskussionen, ja sogar auf die Lösungen vorausblicken, die ich in den folgenden Kapiteln anbieten werde.

Die ersten beiden Fragen werden durchgängig vorausgesetzt, ohne dass ihnen ein spezielles Kapitel gewidmet wird. Erstens: Wie können wir überhaupt etwas über alle diese Dinge etwas wissen? Meine eigene Kirche, die Church of England, die Teil der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft ist, erklärt, dass sie ihre Lehren in der Schrift, der Tradition und der Vernunft findet, und zwar in einer angemessenen Mischung.40 Ich behaupte, dass ein guter Anteil unserer gegenwärtigen Ansicht vom Tod und dem Leben nach dem Tod aus keiner dieser Quellen stammt, sondern aus kulturellen Impulsen, die bestenfalls halbchristliche informelle Traditionen erzeugt haben, die nun im klaren Licht der Schrift neu überprüft werden müssen. In der Tat lehrt nämlich die Schrift Dinge über das zukünftige Leben, von denen die meisten Christen und fast alle Nichtchristen noch nie etwas gehört haben. Die Aussagen der Parapsychologie und ähnlicher Studien sowie von sogenannten Nahtoderfahrungen sind natürlich nicht unwichtig, aber derartige Aussagen vermischen sich sehr leicht mit dem gesammelten Gedankengut volkstümlicher Weisheit. Wir befassen uns hier mit Dingen, die über diese Ebene hinausgehen, und untersuchen den oft vergessenen Reichtum der christlichen Tradition, deren Herz die Schrift bildet.

Zweitens: Haben wir unsterbliche Seelen, und wenn ja, was sind diese? Auch in dieser Frage hat ein Großteil der christlichen und sub-christlichen Tradition angenommen, dass wir tatsächlich Seelen haben, die gerettet werden müssen, und dass die Seele, wenn sie denn gerettet ist, der Teil von uns sein wird, der in den Himmel kommt, wenn wir sterben. Für dieses Argument findet man im Neuen Testament jedoch nur wenige Anhaltspunkte. Das gilt auch für die Lehre Jesu: Wo dort das Wort Seele auftaucht (was nicht oft der Fall ist), spiegelt es die ihm zugrundeliegenden hebräischen oder aramäischen Konzepte wider, und diese verweisen nicht auf eine unkörperliche Entität, die sich in der Hülle unseres Wegwerfkörpers verbirgt, sondern auf das, was wir die ganze Person oder Persönlichkeit nennen würden. Diese wird als etwas angesehen, das mit Gott konfrontiert wird. In Bezug zur Unsterblichkeit erklärt 1. Timotheus 6,16, dass nur Gott selbst Unsterblichkeit besitzt, und 2. Timotheus 1,10 erklärt, dass Unsterblichkeit nur durch das Evangelium ans Licht gekommen ist, was wohl auch bedeutet, dass sie nur durch das Evangelium erhältlich ist. Mit anderen Worten: Die Vorstellung, dass jeder Mensch eine unsterbliche Seele besitzt, die sein „wahrer“ Kern ist, findet in der Bibel nur wenig Unterstützung.

Drittens: Jesu eigene Auferstehung muss den Ausgangspunkt allen christlichen Denkens zu diesem Thema bilden. Aber um Jesu Auferstehung zu verstehen, um zu verstehen, was sie für die ersten Jünger bedeutete und warum sie aus ihr die Schlüsse zogen, die sie zogen, müssen wir uns einige Aspekte zum Leben nach dem Tod in Jesu eigener Welt ansehen, der Welt des Judentums des ersten Jahrhunderts mit seinen Wurzeln im Alten Testament und seinem griechischen und römischen Kontext. Das dritte Kapitel wird also untersuchen, was die antike Welt im Hinblick auf das Leben nach dem Tod glaubte, und es wird das radikale und revolutionäre Wesen des jüdischen Auferstehungsglaubens untersuchen, der zu Jesu Zeiten regelrecht aufblühte. Das vierte Kapitel wird in genau diesem Kontext fragen: Was können wir über Jesu eigene Auferstehung sagen?

Damit werden wir in den zweiten und zentralen Teil des Buches katapultiert, in dem ich fragen werde: Wie sieht also die ultimative christliche Hoffnung für die Welt und für uns selbst aus? Diese Frage unterteilt sich in drei getrennte Themen, die wiederum in unterschiedliche Unterthemen aufgeteilt sind. Erstens: Was können wir zur Zukunft des gesamten Kosmos sagen? Zweitens: Was meinen wir, wenn wir sagen, dass Jesus „wiederkommt, zu richten die Lebenden und die Toten“? Drittens: Was sollten wir unter der „Auferstehung des Leibes“ und unter „ewigem Leben“ verstehen? Was sollten wir in Bezug darauf glauben? Zu all diesen Aspekten gehört eine weitere Frage, doch die hielt ich für so wichtig, dass ich ihr ein eigenes kleines Buch widmete:41 Wo befinden sich die Toten gegenwärtig, besonders die toten Christen? Was können wir schon heute über sie sagen? Sollten wir für sie beten, oder gar zu ihnen beten? Ist irgendeine Form von Kontakt erlaubt? Was ist die „Gemeinschaft der Heiligen“? Und nicht zuletzt: Wie können Christen angemessen trauern? Im vorliegenden Buch fasse ich diese Themen in einem einzigen Kapitel zusammen, mit einem Abschnitt über die Aussicht auf einen endgültigen Verlust.

Im dritten und abschließenden Teil des Buches kommen wir aus der Vergangenheit (Teil 1) und aus der Zukunft (Teil 2) zurück in die Gegenwart und fragen: Wie können wir diese ganz spezifische Hoffnung in unserer eigenen Zeit und Kultur angemessen feiern und von ihr leben? Was bedeutet sie insbesondere im Hinblick auf die Mission und Arbeit der Kirche in der Welt? Wie könnte „Hoffnung“ aussehen, und zwar nicht nur in der Zukunft, sondern in näherem Bezug zu unserem jetzigen Leben? Welche Überraschungen könnten an dieser Stelle auf uns warten?

Das ganze Buch versucht von daher, das Gebet des Herrn widerzuspiegeln, in dem es heißt: „Dein Reich komme, wie im Himmel, so auf Erden“. Das bleibt einer der machtvollsten und revolutionärsten Sätze, die wir jemals aussprechen können. Aus meiner Sicht wurde das Gebet beim ersten Osterfest kraftvoll erhört und es wird letztlich vollständig erhört werden, wenn Himmel und Erde im neuen Jerusalem miteinander verbunden werden. Ostern war der Moment, als die personifizierte Hoffnung die Welt dadurch überraschte, dass sie aus der Zukunft in die Gegenwart kam. Die letztendliche Zukunftshoffnung bleibt eine Überraschung, zum Teil, weil wir nicht wissen, wann sie ankommen wird, zum Teil, weil wir gegenwärtig nur in Bildern und Metaphern von ihr reden können, was uns in der Vermutung zurücklässt, dass die Wirklichkeit noch viel größer und überraschender sein wird. Und die zwischenzeitliche Hoffnung, die Dinge, die in der Gegenwart geschehen, um Ostern „lebendig zu machen“ und um auf den letzten Tag vorzugreifen, sind immer überraschend, weil wir, uns selbst überlassen, in eine Art betrügerisches Einverständnis mit der Entropie fallen, indem wir den allgemeinen Glauben hinnehmen, dass die Dinge schlimmer werden, wir aber nicht viel dagegen tun können. Doch damit liegen wir falsch. Unsere Aufgabe in der Gegenwart – und dieses Buch kann, wenn Gott es schenkt, Teil davon sein – besteht darin, als Auferstehungsmenschen zwischen Ostern und dem letzten Tag zu leben, wobei unser christliches individuelles und gemeinschaftliches Leben sowohl in unserem Lobpreis als auch in unserem Auftrag ein Zeichen von Ostern und ein Vorgeschmack des letzten Tages ist.

20 Henry Scott Holland, „The King of Terrors“, in Facts of the Faith: Being a Collection of Sermons Not Hitherto Published in Book Form, herausgegeben von Christopher Cheshire (London: Longmans, Green, 1919), S. 125-134.

21 „Death, Be Not Proud“, in The New Oxford Book of English Verse, zusammengestellt und herausgegeben von Helen Gardner (Oxford: Oxford University Press, 1972), S. 197. Die Zeichensetzung der letzten Zeile wird in Edsons Theaterstück Wit zu einem wichtigen Thema (siehe die Diskussion von Wit im vorhergehenden Kapitel). Die deutsche Übersetzung stammt von Richard Flatter, siehe http://www.gedichtepool.de/autor/autor_d/donne.htm.

22 Vgl. Donnes berühmtes Gebet: „O Herr, bring uns bei unserem letzten Erwachen ins Haus und Tor des Himmels“ (Betonung zugefügt). Wir werden sehen, dass in Bezug auf den Gebrauch des Wortes Himmel für das Auferstehungsleben Klärungsbedarf besteht, aber die Sache, um die es mir hier geht, besteht darin, dass sich Donne über eine zweistufige postmortale Existenz im Klaren war, wobei er sich die Beziehung zwischen der ersten und der zweiten Stufe als Schlafen und Erwachen vorstellte.

23 Darum finde ich es außerordentlich, dass ein so hervorragender Gelehrter wie Douglas J. Davies sagen kann, dass „das Christentum den Tod verherrlicht“ und dass „die bloße Existenz von Ostern“ die Menschen dazu brachte, „vom menschlichen Leben als einer Reise durch das Leben zur himmlischen Stadt zu reden“; siehe A Brief History of Death (Oxford: Blackwell, 2005), S. 7. Davies’ Buch ist bemerkenswert im Hinblick auf die Art und Weise, auf die er die Auferstehung entweder marginalisiert oder in ein himmlisches Leben nach dem Tod zusammenfallen lässt.

24 Brian Innes, Death and the Afterlife (New York: St. Martin’s Press, 1999).

25 Shakespeare, Hamlet, 3. Akt, 1. Szene.

26 Maria Shriver, What’s Heaven? (New York: St. Martin’s Press, 1999).

27 Die Seiten sind nicht nummeriert. Diese Auszüge fassen die Botschaft des ganzen kleinen Buches zusammen.

28 Eine gesunde Alternative findet sich in einer Reihe von Büchern aus der Feder von Randy Acorn, hauptsächlich das Buch Der Himmel: Was uns dort wirklich erwartet. 5. Aufl. (Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2008). Alcorn kommt aus einer Tradition, die leicht in Platitüden à la Shriver hätte verfallen können, aber sein Bibelstudium hat ihn zu einer viel robusteren und biblischen Sicht geführt – auch wenn er immer noch das Wort Himmel benutzt, obwohl das, wovon er die ganze Zeit redet, der neue Himmel und die neue Erde ist.

29 Ich habe diesen Punkt ausführlich in JVG und in The Challenge of Jesus (Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2000) dargelegt.

30 „Till we cast our crowns before thee / Lost in wonder, love and praise“, aus: „Love Divine, All Loves Excelling“ (Eine deutsche Übertragung könnte lauten: „Bis wir unsere Kronen vor dir ablegen / und uns in Bewunderung, Liebe und Lobpreis ergehen“).

31 Es ist faszinierend zu sehen, wie es einige Autoren schaffen, selbst angesichts der klaren und eindeutigen Lehre von Offenbarung 21 über den „neuen Himmel und die neue Erde“ und über das Neue Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt, auf alle diese Dinge immer noch einfach mit dem Begriff „Himmel“ zu verweisen; z. B. Roland Chia, Hope for the World: A Christian Vision of the Last Things (Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 2005), S. 102. Ein Kontrast bildet seine spätere kurze Abhandlung auf S. 129-133.

32 Vgl. z. B. Peter Stanford, Heaven: A Traveller’s Guide to the Undiscovered Country (London: HarperCollins, 2003); und sogar Alister E. McGrath, A Brief History of Heaven (Oxford: Blackwell, 2003). Erheblich gründlicher und nuancierter, jedoch mit einigen derselben Schwächen, sind die Bücher von Colleen McDannell und Bernhard Lang, Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens (Frankfurt a.M: edition suhrkamp, 1990), Original: Heaven: A History, 2. Aufl. (New Haven, CT: Yale University Press, 2001), und Jeffrey Burton Russell, A History of Heaven (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1997). Ulrich Simons älteres Werk Heaven in the Christian Tradition (London: Rockliff, 1958) gibt sein Bestes, um traditionelle Visionen vom Himmel mit der Solidität der Auferstehung zu kombinieren („Die Bibel sieht Himmel und Erde als eine Welt an. Die Erde ist räumlich; dasselbe gilt für den Himmel.“ S. 126). Doch obwohl das Buch bedeutungsschwanger und sorgfältig ist, bietet es doch nie ganz die Lösungen, die das Neue Testament selbst bietet.

33 Siehe die erstaunliche Darstellung dieser Zusammenhänge von David Edwards, After Death? Past Beliefs and Real Possibilities (London: Cassell, 1999), S. 78. Eine ausführlichere Diskussion dieses Punktes folgt in, Kap. 8.

34 Eine klassische Darstellung dieser Position findet sich bei John Hick, Evil and the God of Love (London: Fontana, 1974).

35 John Keble, „Sun of My Soul, Thou Saviour Dear“.

36 J. H. Newman, „Lead, Kindly Light“.

37 Ich bin Pfarrer Peter Tyreus dankbar, der mich auf den Unterschied zwischen dem Choral in seiner englischen Version und dem schwedischen Original hinwies.

38 Dieser Punkt scheint Stephen Smalley zu entgehen; vgl. Hope for Ever: The Christian View of Life and Death (Milton Keynes: Paternoster, 2005), S. 79, wo er die „Ruhe“ und die „Stille“ als Teil eines undifferenzierten endgültigen himmlischen Zustands behandelt. Dies passt zu seiner Auffassung, dass uns nach dem Tod eine „geistliche Auferstehung“ erwartet (S. 17, 78); vgl. S. 65: Die Auferstehung wird „geistlich und beziehungsorientiert sein, nicht physisch“.

39 Siehe mein Buch For All the Saints? Remembering the Christian Departed (Harrisburg, PA: Morehouse, 2003).

40 Siehe mein Buch Scripture and the Authority of God (London: SPCK, 2006).

41 Wright, For All the Saints.

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