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3. Der überraschende Charakter der frühchristlichen Hoffnung
ОглавлениеDie Antwort lautet, einfach formuliert: Der frühchristliche Glaube an eine Hoffnung jenseits des Todes gehört nachweislich auf die jüdische, nicht auf die heidnische Landkarte. Aber in sieben wichtigen Kernaussagen wurde diese jüdische Hoffnung bemerkenswerten Modifikationen unterzogen, die sich in erstaunlicher Beständigkeit von Autoren wie Paulus in der Mitte des ersten Jahrhunderts bis hin zu Tertullian und Origenes am Ende des zweiten Jahrhunderts und darüber hinaus nachverfolgen lassen.
Wir beginnen damit, dass die Auferstehung das Zentrum der frühchristlichen Zukunftshoffnung bildete. Die ersten Christen glaubten nicht einfach an ein Leben nach dem Tod; sie sprachen mehr oder weniger nie davon, nach dem Tod in den Himmel zu gehen. (Wie ich oft in Anspielung auf den Titel eines guten populären Buches zum Thema gesagt habe: Der Himmel ist wichtig, aber er ist nicht das Ende der Welt.)51 Wenn sie aber vom Himmel als einem Ziel sprachen, das nach dem Tod auf einen wartet, dann schienen sie dieses himmlische Leben als ein zeitlich begrenztes Stadium angesehen zu haben, auf dem Weg zur letztendlichen Auferstehung des Leibes. Als Jesus dem Schächer am Kreuz sagte, sie würden sich am selben Tag noch im Paradies treffen, dann kann das Paradies ganz klar nicht das endgültige Ziel sein, wie Lukas im nächsten Kapitel deutlich werden lässt. Das Paradies ist vielmehr der herrliche Garten, in dem sich Gottes Volk vor der Auferstehung ausruht. Als Jesus erklärte, in seinem Vaterhaus gäbe es viele Wohnungen, benutze er für „Wohnung“ das Wort mone, das eine vorübergehende Unterkunft bezeichnet. Wenn Paulus sagt, sein Verlangen sei es, „zu sterben und bei Christus zu sein, was viel besser ist“, dann denkt er in der Tat an ein glückseliges Leben bei seinem Herrn unmittelbar nach dem Tod, aber das ist nur das Vorspiel vor der Auferstehung.52 In der Begrifflichkeit der Diskussion des vorhergehenden Kapitels hielten die ersten Christen an einem zweistufigen Zukunftsglauben fest. Zunächst kommt der Tod und was auch immer unmittelbar danach kommt; danach gibt es eine neue körperliche Existenz in einer neu erschaffenen Welt.
Im Heidentum gibt es nichts, was diesem Glauben auch nur entfernt nahe kommt. Dieser Glaube ist so jüdisch wie er nur sein kann. Aber innerhalb dieses jüdischen Glaubens nahmen die ersten Christen sieben Modifikationen vor. Jede einzelne dieser Modifikationen taucht bei Autoren auf, die so unterschiedlich sind wie Paulus und Johannes von Patmos, Lukas und Justin der Märtyrer, Matthäus und Irenäus. Dies ist höchst bedeutsam, da das, was Menschen über das Leben jenseits des Todes glauben, dazu tendiert, sehr konservativ zu sein. Angesichts eines schmerzlichen Verlustes ziehen sich die Menschen in die Sicherheit dessen zurück, was sie gehört oder gelernt haben. Aber die ersten Christen artikulierten alle einen Glauben, der in diesen sieben Aspekten ziemlich neu war, und der Historiker muss fragen: Warum?
1. Die erste dieser Modifikationen lautet, dass es innerhalb der frühen Christenheit mehr oder weniger kein Spektrum an Glaubensüberzeugungen über das Leben jenseits des Todes gibt. Was die Menschen über das Leben jenseits des Todes glauben und die sozialen und kulturellen Wege, auf denen diese Überzeugungen Ausdruck finden, gehört bekanntermaßen zu den konservativsten Merkmalen einer Kultur. Doch obwohl die ersten Christen aus vielen Traditionssträngen des Judentums und aus sehr unterschiedlichen heidnischen Hintergründen kamen und daher aus Kreisen, die sehr unterschiedliche Überzeugungen im Hinblick auf das Leben jenseits des Todes gehabt haben müssen, passten sie alle ihren jeweiligen Glauben an, um sich auf einen einzigen Punkt auf dem Spektrum zu konzentrieren. Das Christentum sieht insofern wie eine Spielart des pharisäischen Judentums aus. Es gibt keine Spur einer sadduzäischen Weltanschauung oder einer die zur Denkschule Philos passt.
Zu den Christen in Korinth – verwirrte ehemalige Heiden, die sie nun mal waren – gehörten offenbar einige Leute, die die Auferstehung leugneten, aber das hielt nicht lange an.53 Zwei geistliche Leiter, die in den Pastoralbriefen erwähnt werden, behaupten, dass die Auferstehung bereits geschehen sei.54 Das war ein Missverständnis, das leicht auftauchen konnte und vielleicht schon eine erste Andeutung auf die Art wie der Gnostizismus diese Frage neu durchdenken würde beinhaltete. Dieser Fall ändert trotzdem nichts an dem überwältigenden Eindruck der Einmütigkeit. Und um ein späteres Argument vorwegzunehmen: Wir sollten uns nicht vorstellen, wie es einige heute tun, dass der Grund für die offensichtliche Einmütigkeit darin besteht, dass die unbarmherzige Orthodoxie alle Spuren einer vielgestaltigeren frühen Periode auslöschte. Wir haben reichlich Beweise dafür, dass über alle möglichen Sachverhalte heiß diskutiert wurde und die fast vollkommene Einmütigkeit im Blick auf die Auferstehung sticht aus dieser Sachlage hervor. Erst im späten zweiten Jahrhundert, gute 150 Jahre nach der Zeit Jesu, finden wir Menschen, die dem Wort Auferstehung eine ganz andere Bedeutung zuweisen als das, was es im Judentum und im frühen Christentum bedeutete, nämlich eine spirituelle Erfahrung in der Gegenwart, die zu einer unkörperlichen Zukunftshoffnung führt.55 Auferstehung im traditionellen Sinne spielte fast die gesamten ersten zwei Jahrhunderte lang nicht nur die eine wichtige Rolle, sondern war Dreh- und Angelpunkt des ganzen „Theaterstücks“.
2. Das führt uns zur zweiten Fortentwicklung. Im Judentum der Zeit des zweiten Tempels ist Auferstehung wichtig, aber nicht besonders wichtig. Es gibt zahlreiche umfangreiche Werke, die die Frage nie erwähnen, geschweige denn diese Antwort. Es ist immer noch schwer, mit Sicherheit zu sagen, was die Autoren der Schriftrollen vom Toten Meer über das Thema dachten. Abgesehen von gelegentlichen Glanzlichtern wie 2. Makkabäer 7 ist Auferstehung ein Randthema. Aber in der frühen Christenheit bewegte sich die Auferstehung vom Rand zum Zentrum. Man kann sich das paulinische Denken nicht ohne sie vorstellen. Man sollte sich auch das johanneische Denken nicht ohne sie vorstellen, auch wenn das manche versucht haben. Auferstehung ist von enormer Bedeutung bei Klemens und Ignatius, Justin und Irenäus. Sie ist eine der Schlüsselglaubensüberzeugungen, die die Heiden in Lyons im Jahre 177 n. Chr. wütend machte und sie dazu trieb, mehrere Christen abzuschlachten, inklusive des Bischofs, der dem großen Irenäus vorausging. Der Glaube an die körperliche Auferstehung war eines von zwei zentralen Dingen, die der heidnische Arzt Galen in Bezug auf die Christen vermerkte (das andere war ihre bemerkenswerte sexuelle Zurückhaltung). Nimm die Auferstehung weg, und du verlierst das ganze Neue Testament, ebenso wie die Theologie der meisten Kirchenväter des zweiten Jahrhunderts.
Diese ersten beiden „Mutationen“ jüdischen Gedankenguts betreffen den neuen Stellenwert der Auferstehung im frühen Christentum, im Gegensatz zu dem Stellenwert, den dieses Thema im Judentum hatte. Der nächste Aspekt hat mit etwas „Organischerem“ im Hinblick darauf zu tun, was Auferstehung genau bedeutet.
3. Im Judentum wird nie ganz deutlich, was für eine Art von Körper die Auferstandenen haben werden. Die makkabäischen Märtyrer nahmen an, es werde ein Körper sein, der mehr oder weniger wie der irdische Körper ist. Die meisten jüdischen Texte, die diese Frage anreißen, sagen darüber hinaus wenig zum Thema, abgesehen von gelegentlichen Verweisen auf „Herrlichkeit“, vielleicht im Sinne von Licht. Doch innerhalb der frühen Christenheit gehörte es von Anfang an zum Kern des Glaubens an die Auferstehung, dass der neue Körper zwar mit Sicherheit ein Körper im Sinne eines physischen Objektes sein würde, der Raum und Zeit beansprucht, dass es sich aber auch um einen transformierten Körper handeln würde, ein Körper, dessen Material aus dem alten Material erschaffen wird, aber neue Eigenschaften haben wird. Es fand eine dramatische Schärfung der Auffassung darüber statt, was Auferstehung tatsächlich beinhaltet.
Es ist natürlich Paulus, der in einer oft missverstandenen Passage in 1. Korinther 15 diesen Aspekt am deutlichsten darlegt und auf den viele, wenn auch nicht alle, späteren Autoren zurückblicken. Er spricht von zwei Arten von Körpern, dem gegenwärtigen und dem zukünftigen. Er benutzt zwei Schlüsseladjektive, um diese beiden Körper zu beschreiben. Unglücklicherweise verstehen ihn viele Übersetzungen an dieser Stelle völlig falsch, was zu der weit verbreiteten Annahme führt, der neue Körper sei für Paulus ein geistlicher Körper im Sinne eines nicht materiellen Körpers, ein Körper, der im Falle von Jesus kein leeres Grab hinterlassen haben würde. Man kann in allen Einzelheiten zeigen, philologisch wie auch exegetisch, dass diese Sicht exakt nicht das ist, was Paulus meinte. Der Gegensatz, den er aufbaut, besteht nicht zwischen dem, was wir unter einem gegenwärtigen physischen Körper verstehen, und dem, was wir unter einem zukünftigen geistlichen Körper verstehen, sondern zwischen einem gegenwärtigen Körper, der von der normalen menschlichen Seele belebt ist, und einem zukünftigen Körper, der von Gottes Geist belebt wird.56
Der Punkt, um den es ihm dabei geht, ist, dass der zukünftige Körper unvergänglich ist. Das gegenwärtige Fleisch und Blut ist vergänglich, dazu verurteilt, zu verfallen und zu sterben. Darum sagt Paulus: „Fleisch und Blut können das Königreich Gottes nicht erben.“ Der neue Körper wird unvergänglich sein. Das gesamte Kapitel, eine der längsten durchgängigen Diskussionen bei Paulus und der entscheidende Höhepunkt des ganzen Briefes, handelt von der neuen Schöpfung, vom Schöpfergott, der die Schöpfung erneuert und sie nicht aufgibt, wie es Platoniker aller Couleur inklusive der Gnostiker gerne hätten.
Aber diese transformierte Physikalität (oder „Transphysikalität“, wie ich es andernorts genannt habe) schließt keine Transformation ins Lichtförmige ein. Auch an dieser Stelle gehen viele in die Irre und missverstehen das Wort Herrlichkeit, als würde es ein physisches Leuchten implizieren statt einen Status innerhalb der Welt, die Gott gehört. Das ist umso bemerkenswerter, da der bekannteste der biblischen Auferstehungstexte, Daniel 12, von den auferstandenen Gerechten sagt, sie würden leuchten wie Sterne. Überraschenderweise wird dieser Text nirgendwo im Neuen Testament zitiert, wenn es um den Auferstehungskörper geht, abgesehen von der Interpretation eines Gleichnisses.57 Dort, wo wir den Text finden, wird er metaphorisch für das gegenwärtige christliche Zeugnis in der Welt gebraucht.58 Wir finden also im gesamten frühchristlichen Auferstehungsglauben die Ansicht, dass der neue Körper, wenn er geschenkt wird, eine transformierte Physikalität besitzen wird, allerdings nicht auf die eine Weise umgeformt, den der zentrale biblische Text hätte nahelegen können.
4. Die vierte überraschende Entwicklung, die der frühchristliche Auferstehungsglaube dokumentiert, besteht darin, dass die Auferstehung als Ereignis in zwei Teile aufgeteilt wird. 1. Korinther 15 ist auch hier wieder zentral, aber dieser Aspekt wird in den ersten beiden Jahrhunderten durchgängig angenommen. Kein Jude des ersten Jahrhunderts erwartete vor Ostern, dass die Auferstehung irgendetwas anderes sei als das groß angelegte Ereignis, das dem gesamten Gottesvolk widerfahren würde, oder vielleicht sogar der ganzen Menschheit. Es würde ein Teil des plötzlichen Ereignisses sein, während dem Gottes Königreich wie im Himmel letztendlich auch auf Erden kommt. Es gibt keine Andeutung, dass eine einzelne Person vor allen anderen von den Toten auferstehen würde. Die Ausnahmen, die manchmal zitiert werden (Henoch und Elia) zählen nicht, gerade weil sie (a) nicht als verstorben angesehen wurden und Auferstehung (neues Leben nach körperlichem Tod) daher hier nicht relevant ist, und weil sie (b) im Himmel waren, nicht in einem neuen Körper auf der Erde.59 Auferstehung, daran müssen wir uns immer wieder erinnern, bedeutete nicht, in den Himmel zu kommen oder dem Tod zu entfliehen oder eine herrliche Existenz nach dem Tod zu haben, sondern nach dem körperlichen Tod wieder zu neuem körperlichen Leben zu kommen. Das ist der Grund, warum die Jünger (wie wir vorhin sahen) verwirrt waren und sich wunderten, was diese „Auferstehung von den Toten“ bedeuten mag, als Jesus ihnen nach der Verklärung sagte, sie sollten nichts über diese Vision verlauten lassen, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt worden sei – die Jünger fragten sich, ob die Auferstehung tatsächlich ein Ereignis sein wird, nach dem sie Menschen weiterhin Einzelheiten über das Leben Jesu erzählen können – im Gegensatz zu einem Ereignis, bei dem Gottes gesamte neue Welt geboren wird.
Natürlich vertraten auch andere jüdische Bewegungen, die mit dem frühen Christentum ungefähr zeitgleich waren, ebenfalls gewisse Formen präsentischer Eschatologie (der Glaube, dass „das Ende“ in gewissem Sinne bereits begonnen hat). Die Essener, wie sie in den Schriftrollen vom Toten Meer repräsentiert werden, glaubten, dass der Bund im Geheimen mit ihnen aufgerichtet worden sei, schon vor der endgültigen Auflösung des menschlichen Lebensdramas. Aber außerhalb des Christentums finden wir niemals das, was innerhalb des Christentums zu einem zentralen Merkmal wird: Der Glaube, dass der Anfang des Königreichs Gottes in der Auferstehung selbst bestand, die einer einzigen Person mitten in der Geschichte der Menschheit widerfuhr, und zwar in Vorwegnahme der großen, endgültigen Auferstehung. Die Auferstehung Jesu garantiert und deutet bereits auf jene endgültige Auferstehung des Gottesvolkes am Ende der Geschichte hin.
5. Ich stehe in Dominic Crossans Schuld dafür, dass er mir den Hinweis dafür lieferte, was ich hier als fünfte Abwandlung des jüdischen Auferstehungsglaubens aufzähle. In einer öffentlichen Debatte in New Orleans im März 2005 bezeichnete Crossan dieses Merkmal als „kollaborative Eschatologie“. Mein Verständnis dieses Aspekts, im Einklang mit dem, was ich für Crossans Absicht halte, sieht folgendermaßen aus: Weil die ersten Christen glaubten, dass die Auferstehung mit Jesus begonnen hatte und in der letzten großen Auferstehung am jüngsten Tag vollendet werden würde, glaubten sie auch, dass Gott sie berufen hatte, mit ihm in der Kraft des Heiligen Geistes zu arbeiten, um das, was Jesus erreicht hatte, umzusetzen und dadurch die endgültige Auferstehung anzudeuten, und zwar im persönlichen und politischen Leben, in der Mission und in Heiligkeit. Es ging nicht bloß darum, dass Gott „das Ende“, sein Königreich, schon eingeläutet hatte; wenn Jesus, der Messias, das Ende in Person war, Gottes in der Gegenwart angekommene Zukunft, dann hatten diejenigen, die zu Jesus gehörten, ihm nachfolgten und von seinem Geist bevollmächtigt waren, den Auftrag, so weit es ihnen möglich war, die Gegenwart im Lichte jener Zukunft zu verändern.
6. Die sechste bemerkenswerte Entwicklung innerhalb des jüdischen Glaubens ist die ganz andere metaphorische Verwendung der Auferstehung. Innerhalb des Judentums konnte die Auferstehung sowohl als Metapher als auch Metonymie für die Rückkehr aus dem Exil verwendet werden. Gerade für Hesekiel ist Auferstehung in seinem 37. Kapitel ziemlich deutlich eine Metapher; als die Rabbis diese Vorstellung aufgreifen, ja bereits in 2. Makkabäer, 4 Esra und anderswo, ebenso wie in den Evangelien,60 ist Auferstehung eine Metonymie, ein Teil des großen eschatologischen Bildes, der stellvertretend für das Gesamtkonzept stehen kann. Und der konkrete Referenzpunkt dieser jüdischen Metapher ist die nationale, ethnische, geographische Wiederherstellung Israels. Wenn Auferstehung im Judentum also metaphorisch gebraucht wird, verweist sie auf die Wiederherstellung Israels; aber von den ersten Tagen der Christenheit an – und das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, wie das Christentum als jüdische messianische Bewegung begann – ist diese Bedeutung verschwunden; sie taucht vielleicht ein einziges flüchtiges Mal in der verwunderten Frage der Jünger zu Beginn der Apostelgeschichte auf („Herr, wirst du jetzt das Königreich für Israel wiederherstellen?“).61
An der Stelle dieser Auferstehungsmetapher, und das ist ebenso bemerkenswert, finden wir eine neue metaphorische Bedeutung, die bereits zur Zeit des Paulus kräftige Wurzeln geschlagen hat: Auferstehung als metaphorischer Verweis auf die Taufe (ein Sterben und Auferstehen mit Christus), und Auferstehung als Verweis auf das neue Leben in unermüdlichem ethischem Gehorsam, befähigt durch den Heiligen Geist, das Leben, zu dem sich der Gläubige verpflichtet. Uns sollte auffallen, dass sich diese metaphorischen Bedeutungen immer wieder direkt neben Abschnitten finden, in denen die wörtliche Bedeutung, also eine zukünftige, tatsächliche körperliche Auferstehung, ebenfalls betont wird, z.B. im Römerbrief; mit anderen Worten: Hier liegt nicht der Anfang eines Abgleitens in eine nicht physische Bedeutung vor. Und wir sollten auch bemerken, dass dieser metaphorische Gebrauch immer noch einen konkreten Referenzpunkt hat – Taufe und Ethik – im Gegensatz zu dem abstrakten oder „spirituellen“ Referenzpunkt, den die späteren Gnostiker so liebten.
Das ist also die sechste Modifikation des jüdischen Glaubens: Auferstehung wird nach wie vor als wörtlich zu verstehendes Konzept über eine zukünftige körperliche Existenz beibehalten, aber sie hat ihre frühere kraftvolle Bedeutung als Metapher für die Erneuerung des ethnischen Israel eingebüßt und eine neue metaphorische Bedeutung im Hinblick auf die Erneuerung von Menschen im Allgemeinen angenommen. In der Tat sehen wir innerhalb der frühen Christenheit die Anfänge einer Sprache von der Rückkehr aus dem Exil, von der ethnischen und territorialen Erneuerung Israels – doch diese Sprache wird nun selbst metaphorisch gebraucht, sowohl als Verweis auf die gegenwärtige Erneuerung von Menschen als auch auf die endgültige körperliche Auferstehung. Wieder einmal zeigt sich, dass alle diese Bedeutungen nur innerhalb der jüdischen Gedankenwelt sinnvoll sind; kein Heide hatte sich jemals so etwas erträumt. Doch bevor das Christentum auftrat, war auch kein Jude diesen Weg gegangen. Wir sehen uns mit einer weiteren bemerkenswerten Entwicklung innerhalb des Judentums konfrontiert.
7. Die siebte und letzte Mutation des jüdischen Auferstehungsglaubens war die Verknüpfung desselben mit der Messianität. Im Judentum hatte niemand erwartet, dass der Messias sterben würde, und daher hat sich natürlich auch niemand vorgestellt, dass der Messias von den Toten auferstehen würde. Das führt zu einer bemerkenswerten Weiterentwicklung nicht nur des Auferstehungsglaubens, sondern des messianischen Glaubens selbst. Wo es Spekulationen um den Charakter des Messias gab (wiederum sprachen bei Weitem nicht alle jüdischen Texte von einem Messias, aber der Begriff rückte im frühen Christentum ins Zentrum), erwartete man vom ihm, dass er Gottes siegreiche Schlacht gegen die bösen Heiden schlagen würde, dass er den Tempel reinigen oder neu aufbauen und der Welt Gottes Gerechtigkeit bringen würde. Jesus, so scheint es, hatte nichts davon getan. Er hatte die für die Welt typische Ungerechtigkeit erlitten; er hatte eine seltsame und scheinbar unwirksame Aktion im Tempel vollzogen; und er war von den Heiden getötet worden, statt sie in einer Schlacht ruhmreich zu schlagen. Kein Jude mit irgendeiner Vorstellung davon, wie die Sprache der Messianität funktioniert, hätte sich vorstellen können, dass Jesus nach seiner Kreuzigung dennoch der Gesalbte des Herrn war. Aber von den ersten Anfängen an, bezeugt in Texten, die vorpaulinische Fragmente ganz früher Glaubensbekenntnisse sein können, behaupteten die ersten Christen, dass Jesus in der Tat der Messias war, und zwar genau wegen seiner Auferstehung.
An dieser Stelle sei die wichtige Randbemerkung gestattet, wie unmöglich es ist, den frühchristlichen Glauben an die Messianität Jesu ohne die Auferstehung zu erklären. Wir haben Belege für mehrere andere jüdische Bewegungen aus den ein oder zwei Jahrhunderten vor und nach dem öffentlichen Wirken Jesu. Diese Bewegungen endeten üblicherweise mit dem gewaltsamen Tod der Zentralfigur. Die Mitglieder der Bewegung, gesetzt den Fall, sie retteten ihre eigene Haut, mussten dann eine Entscheidung treffen: „Gib den Kampf auf oder such dir einen neuen Messias.“ Hätten die ersten Christen Letzteres gewollt, hätten sie einen offensichtlichen Kandidaten gehabt: Jakobus, der Bruder des Herrn, ein großer und frommer Lehrer, die Zentralfigur in der frühen Jerusalemer Gemeinde. Aber die Vorstellung, Jakobus sei der Messias, taucht nirgendwo auf. Josephus beschreibt ihn ein wenig herablassend als den „Bruder des sogenannten Messias“,62 doch hier hallt noch nach, wie die Menschen Jakobus tatsächlich genannt hatten.
Das bedeutet, dass wir bereits die revisionistischen Positionen zur Auferstehung Jesu ausschließen können, die so viele Autoren in den letzten Jahren vertreten haben. Viele schlagen vor, dass die ersten Jünger angesichts des Todes Jesu derart von Trauer überwältigt waren, dass sie die Vorstellung von der Auferstehung aus der umliegenden Kultur aufgriffen, an ihr festhielten und sich selbst überzeugten, dass Jesus von den Toten auferweckt worden sei, obwohl sie natürlich wussten, dass er nicht auferweckt worden war. Einige schlagen vor, die ersten Christen hätten geglaubt, Jesus sei nach seinem Tod in den Himmel erhöht worden, oder sie hätten das seltsame Gefühl gehabt, dass seine Mission der Aufrichtung des Königreiches Gottes nun auf eine neue Weise fortgeführt würde – diese Art von Glaube hätte sie dann behaupten lassen, er sei von den Toten auferweckt worden.
Aber hätte das in irgendeiner Weise Sinn ergeben? Wir können das mit einem kleinen Gedankenexperiment testen. Im Jahre 70 n. Chr. eroberten die Römer Jerusalem, und sie führten Tausende von Juden gefangen nach Rom, inklusive des Mannes, den sie für den Anführer der Revolte hielten, den „König der Juden“, genannt Simon Bar Giora. Er wurde am Ende der triumphalen Prozession in die Stadt Rom geführt, und das Spektakel endete mit der Geißelung und Hinrichtung Simons.63
Man stelle sich nun ein paar jüdische Revolutionäre vor, drei Tage oder drei Wochen später. Der erste sagt: „Weißt du, ich denke, Simon war wirklich der Messias – und er ist es noch immer!“
Die anderen wären verwundert. Natürlich ist er es nicht; die Römer haben ihn erwischt, wie sie es immer tun. Wenn du einen Messias willst, dann suchst du dir besser einen anderen.
„Ach so“, sagt der erste, „aber ich glaube, er ist von den Toten auferweckt worden.“
„Was meinst du denn damit?“, fragt sein Freund, „er ist tot und wurde beerdigt.“
„O nein“, entgegnet der erste, „ich glaube, er wurde in den Himmel erhöht.“
Die anderen sind verwundert. Alle gerechten Märtyrer sind bei Gott, wie jeder weiß; ihre Seelen sind in Gottes Hand; das heißt aber nicht, dass sie bereits von den Toten auferweckt wurden. Wie dem auch sei: Die Auferstehung wird am Ende der Zeit uns allen widerfahren, nicht nur einer einzigen Person in der Mitte der weitergehenden Geschichte.
„Nein“, entgegnet der erste, „ihr versteht das nicht. Ich hatte das starke Gefühl, dass mich Gottes Liebe umgibt. Ich habe gespürt, dass Gott mir vergibt – dass er uns allen vergibt. Mein Herz hat sich seltsam erwärmt. Darüber hinaus habe ich Simon letzte Nacht gesehen; er war hier bei mir …“
Die anderen unterbrechen ihn und sind mittlerweile ärgerlich. Jeder von uns kann Visionen haben. Viele Menschen träumen von kürzlich verstorbenen Freunden. Das bedeutet sicherlich nicht, dass einer von ihnen der Messias ist. Und wenn sich dein Herz erwärmt hat, dann sing einen Psalm, aber stelle keine wilden Behauptungen über Simon auf.
So sehen die Antworten aus, die man jedem gegeben hätte, der derartige Aussagen gemacht hätte – Aussagen, die laut den Revisionisten irgendjemand gemacht haben muss, um die Rede von der Auferstehung Jesu ins Rollen zu bringen. Aber diese Lösung ist nicht nur unglaubwürdig, sie ist unmöglich. Hätte irgendjemand das gesagt, was die Revisionisten vorschlagen, dann hätte es eine Konversation ungefähr in der Art gegeben, die gerade beschrieben wurde. Man braucht nur ein geringes Maß an historischer Vorstellungskraft, um eine ansehnliche Menge sogenannter historischer Kritik zu widerlegen.
Darüber hinaus gilt (um diese letzte Anpassung aus dem Inneren des jüdischen Glaubens abzurunden): Aufgrund des frühchristlichen Glaubens an Jesus als Messias entwickelte sich sehr früh der Glaube: Jesus ist der Herr, und der Kaiser ist es daher nicht – das wiederum ist ein ganz anderes Thema für eine andere Gelegenheit. Doch bereits bei Paulus ist sowohl Jesu Auferstehung als auch die zukünftige Auferstehung seines Volkes die Grundlage der christlichen Loyalität gegenüber einem anderen König, einem anderen Herren.64 Der Tod ist die letzte Waffe des Tyrannen, und der Punkt, um den es bei der Auferstehung geht, besteht trotz vieler Missverständnisse darin, dass der Tod besiegt wurde. Auferstehung ist keine neue Beschreibung des Todes; sie ist die Überwindung des Todes und damit die Überwindung derjenigen, deren Macht vom Tod abhängt. Dem Hohn und Spott einiger moderner Wissenschaftlicher zum Trotz waren diejenigen, die auf dem Scheiterhaufen brannten und den Löwen vorgeworfen wurden, Menschen, die an die körperliche Auferstehung glaubten. Auferstehung war niemals ein Weg, es sich gemütlich zu machen und Ansehen zu gewinnen; dass hätten dir die Pharisäer sagen können. Es waren die Gnostiker, welche die Sprache der Auferstehung in eine private Spiritualität und eine dualistische Kosmologie übersetzten und die Bedeutung der Auferstehung dabei mehr oder weniger in ihr Gegenteil verkehrten. Es waren auch die Gnostiker, die ihrer Verfolgung entgingen. Welcher Machthaber hätte schlaflose Nächte, in denen er sich ängstigt, weil seine Untertanen das Thomasevangelium lesen? Die Auferstehung war immer geradezu prädestiniert, einen in Schwierigkeiten zu bringen, und sie tat das auch regelmäßig.65
Wir haben also sieben wichtige Veränderungen des jüdischen Auferstehungsglaubens registriert. Jede Einzelne nahm innerhalb der Christenheit der ersten beiden Jahrhunderte eine zentrale Stellung ein. Der frühchristliche Glaube an die Auferstehung bleibt deutlich auf der Landkarte des Judentums des ersten Jahrhunderts verortet, nicht auf der Landkarte des Heidentums. Aus dem Inneren der jüdischen Theologie des Monotheismus, der Erwählung und der Eschatologie heraus tat der christliche Auferstehungsglaube jedoch einen ganz neuen Weg auf, in dessen Licht man jetzt die Geschichte, die Hoffnung und die Hermeneutik verstand. Und diese Sachlage erfordert eine historische Erklärung. Warum modifizierten die ersten Christen die jüdische Auferstehungssprache in diese sieben Aspekte, und warum taten sie das in dieser Geschlossenheit? Wenn wir sie fragen würden, würden sie natürlich entgegnen, dass sie es aufgrund dessen taten, was ihrem Glauben nach mit Jesus am dritten Tag nach seinem Tod geschehen war. Damit sind wir beim nächsten Kapitel. Dort fragen wir: Was müssen wir also zu den sehr merkwürdigen Geschichten sagen, die die ersten Christen über den ersten Ostertag erzählen?
42 Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. 7. Aufl. (Tübingen: Mohr Siebeck, 2010).
43 David Edmonds und John Eidinow, Wie Ludwig Wittgenstein Karl Popper mit dem Feuerhaken drohte: Eine Ermittlung. 2. Aufl. (Frankfurt: Fischer, 2005).
44 Zu all diesen und vielen anderen Aspekten, siehe RSG. Die Spekulation des Herodes Antipas, Jesus könne der auferstandene Johannes der Täufer sein (Markus 6,16), ist eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.
45 Markus 6,14-16 und Parallelstellen
46 Johannes 11,24.
47 Zu diesem ganzen Themengebiet siehe die wichtige Studie von J. D. Levenson, Resurrection and the Restoration of Israel: The Ultimate Victory of the God of Life (New Haven, CT: Yale University Press, 2006).
48 Markus 12,18-27; Matthäus 22,23-33; Lukas 20,27-40.
49 Markus 9,10; interessanterweise nur bei Markus berichtet.
50 Es sagte auch niemand über Jesus, was Jochanan ben Sakkai über die Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. gesagt haben soll: Macht euch keine Sorgen wegen der Zerstörung des Tempels; wir haben etwas, das genauso gut ist – die Tora!
51 David Lawrence, Heaven: It’s Not the End of the World! The Biblical Promise of a New Earth (London: Scripture Union, 1995).
52 Lukas 23,43; Johannes 14,2; Philipper 1,23 mit 3,9-11; 3,20-21.
53 1. Korinther 15,12.
54 2. Timotheus 2,18.
55 Siehe RSG, S. 534-551.
56 Stephen Patterson meint in seiner Rezension von RSG im Journal of Religion 84 (2004): S. 636ff., dies sei eine neue Ansicht zu 1. Korinther 15,44. Sie ist es nicht, und die Argumentation, die ich in RSG, S. 347-360 präsentiere, sollte das stichhaltig demonstrieren.
57 Matthäus 13,43.
58 Philipper 2,15.
59 Genesis 5,25; 2. Könige 2,11-12.
60 Beachte die Weise, auf die Jesus „in der Auferstehung“ sagen kann, parallel zu „in der neuen Welt“: Matthäus 19,28; 22,30.
61 Apostelgeschichte 1,6; siehe auch Römer 11,15.
62 Josephus, Altertümer, 20.200-203. Siehe dazu NTPG, S. 353f. Zu den verschiedenen Widerstandsbewegungen siehe NTPG, S. 170-181.
63 Siehe Josephus, Der jüdische Krieg, 7.153-157.
64 Siele Paul, Kapitel 4.
65 Siehe mein Buch Judas and the Gospel of Jesus (Grand Rapids, MI: Baker, 2006), besonders Kapitel 5. Beachte besonders die Logik hinter der Begründung der Heiden für die Verfolgungen in Lyons im Jahre 177 n. Chr. Beachte auch, wie die Bedeutung des Wortes „Auferstehung“ während des Mittelalters abnahm, als die Kirche selbst immer imperialer wurde.