Читать книгу 'Alle wollen den Krieg von Dir' - Ton Jansen - Страница 10
ОглавлениеÜbersicht der wichtigsten Personen
KAISERLICHE FAMILIE
Nikolaus II. (1868-1918); seit 1894 Zar von Russland; musste 1917 wegen der Februarrevolution abdanken; zusammen mit seiner Frau und Kindern am 17. Juli 1918 in Jekaterinburg von den Bolschewisten ermordet.
Alexandra Fjodorowna (‘Alix’) (1872-1918), deutsche Prinzessin, Zarin, Gemahlin des Zaren Nikolaus II.; deutsche Prinzessin, Tochter des Großherzogs Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein (1837-1892); wurde wegen des frühzeitigen Todes ihrer Mutter am Hof ihrer Großmutter, der englischen Königin Viktoria, erzogen; Trägerin der von ihrer Großmutter vererbten, gefürchteten Bluterkrankheit Hämophilie; übertrug diese ihrem Sohn, Zarewitsch Alexei; hatte einen starken Hang nach Mystik; war seiner heilenden und übernatürlichen Gaben wegen Rasputin sehr ergeben; bat ihn in vielen Angelegenheiten um Rat, vor allem in späteren Jahren.
Olga (1895-1918), Tatjana (1897-1918), Maria (1899-1918), und Anastasia (1901-1918), Großfürstinnen, Töchter von Nikolaus und Alexandra.
Alexei Nikolajewitsch (1904-1918), Großfürst, einziger Sohn von Nikolaus und Alexandra, Zarewitsch (Thronfolger); litt an der gefürchteten erblichen Bluterkrankheit Hämophilie, wobei die Blutgerinnung gestört ist, weil ein Gerinnungsfaktor im Blut fehlt; hierdurch können sehr schmerzhafte, lebensbedrohende innerliche Blutungen auftreten; da, wo Ärzte oft machtlos waren, wusste Rasputin mit seinem Gebet die Blutungen oft zu stoppen.
Dagmar von Dänemark (‘Maria Fjodorowna’) (1847-1928), dänische Prinzessin, Tochter von König Christian IX.. (1818-1906), Gemahlin von Zar Alexander III. (1845-1894) und Mutter von Zar Nikolaus II. (‘Kaiserin-Mutter’); ihre Schwester Alexandra (1844-1925) war die Gemahlin des britischen Königs Edward VII. und die Mutter von König Georg V.; beide Schwestern hassten Deutschland infolge des Zweiten Deutsch-Dänischen Krieges von 1864, wobei Dänemark die zwei Herzogtümer Schleswig und Holstein an Deutschland abtreten musste; die beiden Schwestern standen ihr ganzes Leben lang in engem Kontakt miteinander und unterhielten einen regelmäßigen Briefwechsel; 1919, nach langem Drängen ihrer Schwester Alexandra, gemeinsam mit verschiedenen anderen Mitgliedern der Romanowfamilie mit dem britischen Kriegsschiff HMS Marlborough aus Russland entkommen; starb 1928 in ihrem Vaterlande Dänemark.
Nikolai Nikolajewitsch Romanow (‘Nikolascha’) (1856-1929), Großfürst, Enkel von Zar Nikolaus I., Onkel zweiten Grades von Nikolaus II.; heiratete 1907, entgegen der kirchlichen Vorschrift, seine Schwägerin Prinzessin Anastasia Nikolajewna von Montenegro, zum großen Missfallen der Zarin; spielte eine führende Rolle innerhalb der großen Romanowfamilie; lehnte während der Krise von 1905 Nikolaus’ Bitte ab, als Diktator Ordnung zu schaffen, und zwang ihn, Wittes Oktobermanifest zu akzeptieren, indem er sich zu erschießen drohte; war Rasputin anfangs gut gesinnt, wurde aber später einer seiner erbittertsten Feinde; vom 20. Juli/2. August 1914 bis zum 23. August/5. September 1915 Oberbefehlshaber der russischen Armee; erklärter Gegner des Kriegsministers Suchomlinow; 1919, zusammen mit u.a. seiner Gattin, seinem Bruder Pjotr und dessen Familie, mit dem britischen Kriegsschiff HMS Marlborough aus Russland geflüchtet; ließ sich in Frankreich in der Nähe von Paris nieder; wurde 1922 vom Parlament der Provisorischen Pri-Amur-Regierung in Abwesenheit zum Zar ausgerufen; starb Anfang 1929 während eines Erholungsurlaubs an der französischen Riviera.
Pjotr Nikolajewitsch Romanow (1864-1931), Großfürst, jüngerer Bruder Nikolai Nikolajewitschs; heiratete in 1889 die montenegrinische Prinzessin Miliza; wurde 1914 nach Kriegsbeginn auf eigenen Wunsch seinem Bruder zugeteilt, der russischer Oberkommandierender war; folgte ihm nach dessen Versetzung in den Kaukasus; wurde ebenfalls 1919 von dem britischen Kriegsschiff HMS Marlborough in Sicherheit gebracht; siedelte sich in Südfrankreich an, wo er 1931 starb.
Miliza von Montenegro (‘Miliza Nikolajewna’ Miliza) (1866-1951), montenegrinische Prinzessin, Großfürstin, Tochter des Königs Nikola I.; verheiratet mit Großfürst Pjotr Nikolajewitsch; eine große Kennerin der mystischen Literatur; zuerst eng befreundet mit der Zarin, die sie mit vielen Wundertätern zusammenbrachte; introduzierte im November 1905 Rasputin am Hof; war ursprünglich seine Gönnerin, stand ihm jedoch später sehr feindlich gegenüber.
Anastasia von Montenegro (‘Anastasia Nikolajewna’, kurz (‘Stana’)) (1868-1935), Großfürstin, jüngere Schwester von Miliza; wie ihre Schwester demOkkultismus sehr zugetan; heiratete 1907 in zweiter Ehe, entgegen der kirchlichen Vorschrift, ihren Schwager, Großfürst Nikolai Nikolajewitsch; zog in vielen Hinsichten am gleichen Strang wie ihre ältere Schwester.
Sergei Alexandrowitsch Romanow (1857-1905), Großfürst, Onkel von Nikolaus II.; Generalgouverneur von Moskau; am 4./17. Februar 1905 im Kreml ermordet.
Elisabeth von Hessen-Darmstadt (‘Jelisawjeta Fjodorowna’, kurz ‘Ella’) (1864-1918), Großfürstin, ältere Schwester der Zarin Alexandra; Gemahlin des 1905 ermordeten Großfürsten Sergei Alexandrowitsch; nahm nach dem frühen Tod ihrer Mutter ihren Neffen Dmitri Pawlowitsch und seine Schwester Maria in ihre Obhut; nach dem Tode ihres Mannes Äbtissin des von ihr gegründeten Martha-und-Maria-Klosters in Moskau; war eine erklärte Gegnerin Rasputins und eines der wichtigsten Mitglieder der sogenannten ‘Moskauer Clique’; im Juli 1918 auf grausame Weise von den Bolschewisten ermordet; 1981 aufgrund der Umstände ihres Todes von der russisch-orthodoxen Exilkirche (Auslandkirche) zur Heiligen erklärt und 1992 ebenfalls von der russisch-orthodoxen Kirche; von der anglikanischen Staatskirche als ‘Märtyrerin des 20. Jahrhunderts’ mit einem Bildnis am Westportal der Westminster Abbey in London verehrt.
Sinaida Nikolajewna Jussupowa (1861-1939), Fürstin, Mutter von Felix Jussupow, der angebliche Mörder Rasputins; eng befreundet mit der Großfürstin Jelisawjeta Fjodorowna; gehörte wie diese auch zur sogenannten ‘Moskauer Clique’.
Felix Felixowitsch Jussupow (1887-1967), Fürst, Alleinerbe einer der reichsten Familien Russlands; durch seine Heirat mit Nikolaus‘ Nichte Irina (1895-1970) mit der kaiserlichen Familie liiert; gilt als Mörder Rasputins, zusammen mit unter anderen Großfürst Dmitri Pawlowitsch; entkam 1919 mit seiner Frau und Tochter mit dem britischen Kriegsschiff HMS Marlborough aus Russland; ließ sich in Frankreich nieder; verfasste in 1927 mit Hilfe des britischen Geheimagenten Oswald Rayner ein – sehr verlogenes – Buch über den Mord auf Rasputin, vermutlich mit der Absicht die Beteiligung des britischen Geheimdienstes am Mord zuzudecken (Rasputin; His Malignant Influence and His Assassination); starb 1967 fast blind und teilweise gelähmt in Paris.
Dmitri Pawlowitsch Romanow (1891-1942), Großfürst, Sohn von Großfürst Pawel Alexandrowitsch (1860-1919), dem jüngsten Bruder von Zar Alexander III.; Dmitri war ein leiblicher Cousin von Nikolaus II., wenn auch um mehr als zwanzig Jahre jünger; wegen des frühen Todes seiner Mutter, sechs Tage nach seiner Geburt, wurden Dmitri und seine Schwester Maria (1890-1958) unter Vormundschaft von ihrem Onkel, Großfürst Sergei Alexandrowitsch und dessen Frau Jelisawjeta, die Schwester der Zarin, gestellt; er hegte sein ganzes Leben eine sehr enge Beziehung zu seiner Pflegemutter, die er einfach adorierte; wohnte 1908 mit seiner Pflegemutter einige Zeit beim Zaren Nikolaus II. und seiner Frau Alexandra im Alexanderpalast in Zarskoje Selo (heute Puschkin); entwickelte eine starke Neigung zu Nikolaus, der wie ein zweiter Vater für ihn war; 1912 kurze Zeit verlobt mit der ältesten Tochter des Zaren, Olga, wegen seines ausschweifenden Lebens verhinderte die Zarin aber die Heirat; wie das Gerücht ging hatte Dmitri, ein berüchtigter Frauenjäger, auch einige Zeit ein Verhältnis mit dem etwas älteren Felix Jussupow; wie verlautet waren beide am Mord auf Rasputin im Dezember 1916 beteiligt; flüchtete mit britischer Hilfe über Teheran aus Russland; wurde als einziger Romanow geduldet in England zu leben, aber wählte schließlich Paris als Wohnsitz; heiratete 1926 die reiche, amerikanische Erbin Audrey Emery (1904–1971), trennte sich aber 1937 wieder von ihr; starb 1942 in Davos.
REGIERUNG UND ARMEE
Sergei Dmitrijewitsch Sasonow (1860-1927), trat im Herbst 1910 Alexander Iswolskis Nachfolge als Außenminister an; erklärter Anglophil, Deutschland und Österreich-Ungarn dagegen sehr feindlich gesinnt; drängte zusammen mit Kriegsminister Suchomlinow, Generalstabschef Januschkewitsch und Oberbefehlshaber Nikolai Nikolajewitsch den Zaren zur Generalmobilmachung, wodurch ein allgemeiner, europäischer Krieg unwiderruflich wurde; im Juli 1916 wegen seiner Befürwortung eines autonomen Polens entlassen; wurde nach der Oktoberrevolution in der Exilregierung Denikins und Koltschaks wieder Außenminister; nahm in dieser Funktion an der Pariser Friedenskonferenz von 1919 teil, der im verhängnisvollen Friedensvertrag von Versailles resultierte; starb 1927 in Nizza; publizierte im Jahre seines Todes seine Erinnerungen, worin er eine – zum Teil sehr einseitige und verzerrte – Darstellung der damaligen Ereignisse und seiner eigenen Rolle als Außenminister gab.
Wladimir Alexandrowitsch Suchomlinow (1848-1926), vom März 1909 bis Juni 1915 Kriegsminister; beauftragt mit der umfassenden Reform der russischen Armee, die wegen des verlorenen Krieges mit Japan ab 1913 durchgeführt wurde; einer der drei Minister, die den Mobilisierungsbefehl unterschreiben mussten; spielte zusammen mit Außenminister Sergei Sasonow und Generalstabschef Nikolai Januschkewitsch eine ausschlaggebende Rolle bei der Anordnung der Mobilmachung; unterließ es im entscheidenden Augenblick den Zaren davor zu warnen, dass die russische Armee nicht kriegsbereit war; während des Krieges des Machtmissbrauches, des Verrats und der Spionage zugunsten Deutschlands beschuldigt; deswegen u.a. auf Betreiben des Oberbefehlshabers Nikolai Nikolajewitsch im Juni 1915 entlassen; im Mai 1916 verhaftet, aber wegen seiner mangelden Gesundheit im Oktober auf Anordnung des Zaren unter Hausarrest gestellt; nach der Februarrevolution 1917 von der Provisorischen Regierung erneut verhaftet und Ende 1917 in einem aufsehenerregenden Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt; anläßlich seines bevorstehenden 70. Geburtstages am 1. Mai 1918 von den Bolschewiken freigelassen; emigrierte darauf über Finnland nach Deutschland, wo er 1924 seine Erinnerungen publizierte; starb zwei Jahre später.
Nikolai Nikolajewitsch Januschkewitsch (1868-1918), vom März 1914 bis September 1915 Generalstabschef, nach Oberbefehlshaber Großfürst Nikolai Nikolajewitsch zweiter Mann der russischen Armee; trug in erheblichem Masse zum Ausbruch des Krieges bei, indem er dem Zaren gegenüber ständig betonte, dass eine Teilmobilmachung aus technische Gründen unmöglich sei; trat 1917 im Prozess gegen seinen ehemaligen Vorgesetzten, dem Kriegsminister Wladimir Suchomlinow, als wichtigster Belastungszeuge auf; im Februar 1918 von den Bolschewisten verhaftet und getötet.
Sergei Konstantinowitsch Dobrorolski (manchmal auch – irrtümlich – Dobrowolski) (1867-1930), Generalleutnant, Untergebener des Generalstabschefs Januschkewitsch; ab dem 9./22. Februar 1913 Chef der Mobilisationsabteilung des russischen Generalstabes und als solcher zuständig für die Durchführung der Mobilisation der russischen Armee; schrieb nach dem Krieg zwei Aufsätze, in denen er eine höchst fragwürdige, aber selten bezweifelte Darstellung der Mobilmachung gibt, die bis auf den heutigen Tag das Bild der Mobilmachung in hohem Masse prägt; kämpfte nach der Oktoberrevolution in der Weißen Armee gegen die Bolschewisten, aber von Denikin, einem der wichtigsten Kommandeure der Weißen Armee, entlassen; emigrierte 1920 nach Deutschland, wo er – in seiner Ehre gekränkt – in den zwanziger Jahren zum Lager der Bolschewisten überging; wurde nach seiner Rückkehr nach Russland aber 1930 von ihnen füsiliert.
Alexander Petrowitsch Iswolski (1856-1919), während der Balkankrise von 1908-1909 Außenminister; danach Botschafter in Paris; eiferte hinter den Kulissen für Russlands Teilnahme am Ersten Weltkrieg; rief beim Ausbruch des Krieges: ‘C’est ma guerre!’ (‘Es ist mein Krieg!’) und ‘Je suis le père de cette guerre!’ (‘Ich bin der Vater dieses Krieges!’).
Wladimir Fjodorowitsch Dschunkowski (1865-1938), von 1908 zu 1913 Generalgouverneur von Moskau; seit dem 25. Januar/7. Februar 1913 Unterminister des Inneren und als solcher Haupt der ordentlichen wie auch der geheimen Polizei; stand in engem Kontakt mit dem Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch und – über seinen Untergebenen Stepan Belezki – auch mit Iliodor; wusste wahrscheinlich Bescheid über den Plan um im Sommer 1914 einen Anschlag auf Rasputin zu verüben und über Iliodors Flucht ins Ausland; am 19. August/1. September 1915 von Nikolaus entlassen, wie verlautet wegen seinen Bemühungen um Rasputin via einen, von ihm fabrizierten Skandal in Diskrediet zu bringen; im Februar 1938 von den Bolschewisten zum Tode verurteilt und füsiliert.
Alexei Nikolajewitsch Chwostow (1872-1918), vom 26. September/9. Oktober 1915 bis zum 3./16. März 1916 Innenminister; verdankte seine Ernennung auch Rasputin; zweifelhafte Figur; wollte Ministerpräsident werden; plante Ende 1915, Anfang 1916 einen Mordanschlag auf Rasputin, wo er auch den damaligen Unterminister Stepan Belezki sowie den zu jenem Zeitpunkt in Norwegen verweilenden Iliodor hineinzog; die Verschwörung kam jedoch vorzeitig ans Licht, worauf er seines Amtes enthoben wurde; 1918 nach der Oktoberrevolution von den Bolschewisten füsiliert.
Stepan Petrowitsch Belezki (1873-1918), ab dem 31. Juli/13. August 1909 Vizedirektor des Polizeidepartements und anschließend, vom 20. Februar/5. März 1912 bis zum 28. Januar/10. Februar 1914, Direktor; musste seine Stellung auf Betreiben des Unterministers des Inneren Dschunkowski aufgeben; vom 19. August/1. September 1915 bis zum 13./26. Februar 1916 selber Unterminister des Inneren (als Nachfolger Dschunkowskis); in dieser Eigenschaft wurde er von seinem Vorgesetzten, Innenminister Alexei Chwostow, Ende 1915, Anfang 1916 in einen – vorzeitig ans Licht gekommenen – Plan hineingezogen um Rasputin zu ermorden; 1918, nach der Oktoberrevolution, von den Bolschewisten öffentlich füsiliert, gemeinsam mit u.a. den ehemaligen Innenministern Nikolai Maklakow und Alexei Chwostow.
Sergei Juljewitsch Witte (1849-1915), Graf, einer von Russlands größten Politikern; führte als Finanzminister (1892-1903) eine solide finanzielle Politik und stabilisierte den Rubel; förderte die Entwicklung der russischen Industrie und die Erweiterung des Eisenbahnnetzes kraftvoll, worunter den Bau der Trans-Sibirienlinie; verfolgte die Idee einer modernisierten zaristischen Herrschaft; behütete während der Krise von 1905 Russland zweimal vor dem Untergang, zuerst im Juni 1905 bei den Friedensbesprechungen mit Japan in Portsmouth (New Hampshire, VS), wo er dank seines Verhandlungstalentes den Schaden einschränken konnte; und ein zweites Mal im Herbst desselben Jahres, als er sein Land dank des Oktobermanifests vor den Pforten einer allgemeinen Revolution wegschleppte; wurde darauf zum Vorsitzenden des ersten russischen Kabinetts (Regierungschef) ernannt; in monarchistischen Kreisen sowohl seiner Politik als auch seiner Untersuchungen nach Ungerechtigkeiten der Camarilla wegen sehr gefürchtet; auf Druck konservativer Regierungskreise am 22. April/5. Mai 1906 zum Rücktritt gezwungen; wegen seiner vermeinten ‘Unterminierung’ der Autokratie’ vom Zaren und vor allem von der Zarin zeitlebens gehasst; stand Rasputin positiv gegenüber; warnte, wie er, gegen Russlands Teilnahme am Ersten Weltkrieg und betonte die Bedeutung eines guten Verhältnisses zu Deutschland; starb ein halbes Jahr später, am 28. Februar/13. März 1915, in seiner Wohnung in Sankt Petersburg an Meningitis; schrieb im Geheimen seine Memoiren, die schon 1912 vollendet wurden; jahrelang bei einer Bank in Bayonne (Frankreich) aufbewahrt, wurden sie erst 1921 veröffentlicht.
Pjotr Nikolajewitsch Durnowo (1845-1915), wurde am 30. Oktober/12. November 1905 auf Betreiben des damaligen Ministerpräsidenten Sergei Witte Innenminister; verfolgte als solcher gegen den Willen Wittes alle – wirklichen oder vermeinten – ‘revolutionären Elemente’ auf gnadenlose Weise; empörte durch dieses seines brutale Vorgehen die liberale Öffentlichkeit; besaß nie das Vertrauen des Zaren und wurde wenige Tage nach dem Rücktritt Wittes im April 1906 abgesetzt; sandte dem Zaren im Februar 1914 ein Memorandum, in dem er sich öffentlich gegen engere Bande mit Großbritannien auf Kosten der Beziehung mit Deutschland widersetzte und warnte, dass ein eventueller Krieg mit Deutschland für Russland verheerende Folgen haben und zu einer Revolution führen könnte; starb noch während des Krieges am 11./24. September 1915.
Ilja Leonidowitsch Tatischtschew (1859-1918), Graf, General à la suite von Nikolaus II., von 1910 bis 1914 persönlicher Gesandter Nikolaus II. am Hof des deutschen Kaisers Wilhelm II. in Berlin; war anwesend bei der entscheidenden Unterredung zwischen Nikolaus II. und Außenminister Sergei Sasonow am 17./30. Juli 1914, wobei Sasonow den Zaren überredete die allgemeine Mobilmachung anzuordnen; folgte dem Zaren und seiner Familie im August 1917 freiwillig ins Exil nach Sibirien und wurde dort am 10. Juli 1918, eine Woche vor der kaiserlichen Familie, von den Bolschewisten hingerichtet.
Iwan Logginowitsch Goremykin (1839-1917), vom 30. Januar/12. Februar 1914 bis zum 20. Januar/2. Februar 1916 zum zweiten Mal Ministerpräsident; konnte wegen seines hohen Alters und seinen beschränkten geistigen Fähigkeiten keine bedeutungsvolle politische Rolle spielen; war zu schwach um den Zaren von Teilnahme am Ersten Weltkrieg zurückzuhalten.
Wladimir Mitrofanowitsch Purischkewitsch (1870-1920), rechtsradikaler Politiker, berüchtigt wegen seinen ultra-nationalistischen, monarchistischen, antisemitischen und antikommunistischen Auffassungen, sowie wegen seinen feurigen Reden und seines manchmal skandalösen Benehmens in der Duma; Protofaschist; organisierte 1905 während der Revolution die «Schwarze Hundertschaften», eine geheime Miliz, die der Polizei half um die revolutionäre Bewegung zu bekämpfen und die Ordnung wiederherzustellen; Vizevorsitzender des nach dem Oktobermanifest gegründeten «Bundes des Russischen Volkes», die größte monarchistische Organisation Russlands; trat im Herbst 1907 wegen eines internen Machtkampfes aus dem Bund aus und gründete darauf am 8./21. November 1908, zusammen mit anderen ausgeschlossenen bzw. ausgetretenen Mitgliedern, seine eigene «Schwarze Hundert»-Organisation: den «Russischen Volksbund des Erzengels Michael»; ab 1907 Mitglied der zweiten, dritten und vierten Duma, wo er Führer des rechten Blocks war; wandte sich in seiner Rede vom 19. November/2. Dezember 1916 öffentlich gegen sowohl die Zarin als gegen Rasputin, indem er ihnen als ‘dunkle Kräfte’ einen verderblichen Einfluss auf die Staatsangelegenheiten zuschrieb; angeblich vier Wochen später, mit Felix Jussupow und Dmitri Pawlowitsch und einigen anderen Verschwörern, am Mord auf Rasputin beteiligt; publizierte 1924 ein vermutlich hinterher verfasstes ‘Tagebuch’, in dem er den Mord auf Rasputin beschrieb; starb 1920 an Typhus.
RUSSISCH-ORTHODOXE KIRCHE
Johann von Kronstadt, bürgerlich Iwan Iljitsch Sergijew (19./31. Oktober 1829-20. Dezember 1908/2. Januar 1909), in sehr hohem Ansehen stehender Geistlicher; Erzpriester der Russisch-Orthodoxen Kirche; seit 1894 Propst der Sankt-Andreas-Kathedrale in Kronstadt; stand dem Zaren Alexander III. 1894 an dessen Sterbebett zur Seite und gab ihm die letzte Ölung; hervorragender Prediger, Wundertäter und Hellseher, der täglich von vielen Pilgern aus dem ganzen Land besucht wurde und viele Heilungen verrichtete; ab 1906 Mitglied der Heiligen Regierenden Synode, die höchste Instanz der Russisch-Orthodoxen Kirche, weigerte sich aber an deren Sitzungen teilzunehmen; Verfechter von rechts-konservativen monarchistischen Ansichten; ab 1907 bis zu seinem Tod Ende 1908 (a. St.) Mitglied des ultrarechten und antisemitischen «Bundes des Russischen Volkes»; wurde am 8. Juni 1990 heiliggesprochen.
Theofan (auch Feofan), bürgerlich Wassili Dmitreijewitsch Bystrow (31. Dezember 1872/12. Januar 1873-19. Februar 1940), Archimandrit*, ab 1901 Inspektor und ab 1909 Rektor der Petersburger Geistlichen Akademie; war einige Zeit Beichtvater von Nikolaus II. und seiner Gemahlin Alexandra; ergebener Monarchist; lernte Rasputin Ende 1904, Anfang 1905 während dessen ersten Besuches an Sankt Petersburg kennen; war anfänglich sehr von seiner Person beeindruckt und machte die Großfürstin Miliza mit ihm bekannt, die ihn im November 1905 dem Zaren und der Zarin vorstellte; wurde, wie auch die Großfürstin Miliza, ihre Schwester und ihre respektiven Ehegatten Pjotr und Nikolai Nikolajewitsch, sowie die Geistlichen Hermogen und Iliodor, später ein bitterer Feind Rasputins, den er als eine Gefahr für den Zarenthron ansah; Ende 1910 zum Bischof von Simferopol ernannt, aber schon im Sommer 1912 nach Astrachan versetzt und im Frühling des darauffolgenden Jahres nach Poltawa; galt als der einzige asketische Bischof Russlands; wohnte nach der Revolution in Moskau, wo er 1917 von der Außerordentlichen Untersuchungskommission der Provisorischen Regierung, die u.a. Untersuchungen über Rasputin einleitete, verhört wurde; gelangte nach der Oktoberrevolution über Konstantinopel und Sofia nach Frankreich, wo er sich 1931 in der Nähe von Amboise niederließ und in einer Höhle das Leben eines Eremiten führte; starb dort am 19. Februar 1940.
Hermogen, bürgerlich Georgi Jefremowitsch Dolganjow (1858-1918), seit März 1903 Bischof von Saratow und Zarizyn; Mitglied des Heiligen Synods; einer der einflussreichsten und mächtigsten, aber zugleich konservativsten Bischöfe seiner Zeit; gründete in seiner Diözese die lokale Abteilung des «Bundes des Russischen Volkes»; lernte 1908 in Sankt Petersburg über den Archimandriten Theofan Rasputin kennen; war zunächst von ihm fasziniert, das Verhältnis schlug jedoch bald in unversöhnliche Feindschaft um; molestierte Rasputin am 16./29. Dezember 1911, zusammen mit Iliodor und einigen Anderen, nachdem sie ihn in Hermogens Quartier in der Jaroslawer Klosterherberge in Sankt Petersburg in die Falle gelockt hatten; wurde darauf im Januar 1912 seines Amtes enthoben und ins Schirowitschski-Kloster in Weißrussland (Belarus) verbannt; kehrte 1915 nach Russland zurück; nach der Februarrevolution als ‘Opfer des alten Regimes’ zum Erzbischof von Tobolsk und Sibirien ernannt; später von den Bolschewisten verhaftet und am 29. Juni 1918 im Fluss Tura, ganz in der Nähe von Rasputins Geburtsort Pokrowskoje, ertränkt; 1999 von der Russisch-Orthodoxen Kirche als Märtyrer heiliggesprochen.
Iliodor, bürgerlich Sergei Michailowitsch Trufanow (1880-1952), Priester-Mönch, Protégé von Bischof Hermogen; enfant terrible der Russisch-Orthodoxen Kirche; Mitglied des ultrarechten und antisemitischen, panslawistisch orientierten «Bundes des Russischen Volkes» und der «Schwarze Hundert»-Bewegung; berüchtigt wegen seiner vehementen Kritik auf zahlreiche hochstehende Personen, inklusive den Zaren; nach seinen verbalen Angriffen gegen den Ministerpräsidenten Stolypin, Industrielle und Lokalpolitiker untersagte ihm der Heilige Synod das Predigen; durch Vermittlung des Bischofs Hermogen nach Zarizyn (heute Wolgograd) entsandt, wo er 1909 das Heilig-Geist-Kloster stiftete; zog mit seinen fanatischen Predigten gewaltige Menschenmassen an; war anfänglich mit Rasputin befreundet, wurde aber später sein Erzfeind; molestierte Rasputin Ende 1911, zusammen mit Hermogen und einigen Anderen; Anfang 1912 von der Synode des Priesteramtes enthoben und in das Kloster Florischtschew in der Nähe der Stadt Wladimir verbannt; trat im Oktober 1912 aus der Russisch-Orthodoxen Kirche aus und gründete seine eigene Sekte «Neugaliläa» in der Nähe von Rostow am Don; veröffentlichte Anfang 1912, mit Hilfe des tibetischen ‘Wunderheilers’ Pjotr Badmajew und des prominenten Dumamitgliedes Alexander Gutschkow, einen von ihm entfremdeten Brief der Zarin an Rasputin; setzte auch allerlei üble Gerüchte über die Zarin in Umlauf, um sie in ein ungünstiges Licht zu stellen; stiftete 1914 seine Anhängerin Chijonia Gussewa zum Mordanschlag auf Rasputin an; flüchtete nach dem Anschlag via Finnland und Schweden nach Norwegen; schrieb – unter anderem mit Hilfe des späteren Bolschewisten Maxim Gorki – eine äußerst verlogene und infame Autobiografie, worin er Rasputin einen ‘heiligen Teufel’ nannte und sowohl ihn als die Zarin durch die Gosse zog; wurde Ende 1915, Anfang 1916 von Innenminister Alexei Chwostow hineingezogen in einen – gescheiterten – Plan um Rasputin zu ermorden; reiste im Juni 1916 nach New York, wo er fortfuhr die russische Monarchie zu attackieren; kehrte nach der Revolution nach Russland zurück und arbeitete unter dem Sowjetregime für die berüchtigte Tscheka (Geheimpolizei); emigrierte 1922 mit seiner Frau und drie Kindern endgültig in die Vereinigten Staaten, wo er noch dreißig Jahre verbrachte; spielte sich selbst im Film The Fall of The Romanovs (‘Der Untergang der Romanows’).
Antoni, bürgerlich Alexander Nikolajewitsch Karzjawin (1858-1914), Erzbischof; leitete in 1907-1908 als Bischof von Tobolsk die kirchlichen Untersuchungen nach möglichen Banden zwischen Rasputin und den Flagellanten (Chlysten), einer verbotenen Sekte; wurde kurz darauf nach Twer wegpromoviert.
RASPUTIN UND SEIN KREIS
Rasputin, mit vollem Namen Grigori Jefimowitsch Rasputin-Nowy (‘Grischka’) (1869-1916), sibirischer Bauer; machte in seinen jungen Jahren lange Pilgerreisen durch Russland und zum Berg Athos; pilgerte 1911 auch ins Heilige Land; wurde 1905 von Personen aus den höchsten Kreisen mit dem Zaren und der Zarin bekanntgemacht; stand wegen seiner übernatürlichen Gaben und seines heilenden Einflusses auf die Gesundheit des an Hämophilie leidenden Zarewitsch Alexei in hohem Ansehen beim Zaren und vor allem bei der Zarin; von vielen verhasst; um ihn beim Zaren in Diskredit zu bringen, wurden von seinen Feinden die wildesten Gerüchte über ihn und seinen angeblich ausschweifenden Lebenswandel verbreitet; am 17./30. Dezember 1916 auf bestialische Weise von den Gegnern des Regimes ermordet; schrieb unter anderem mit Hilfe der Zarin verschiedene Bücher über seine Pilgerfahrten und seine religiösen Ideen.
Praskowja Fjodorowna Dubrowina (1865-1933), vermählte sich am 2./15. Februar 1887 mit Rasputin; zusammen bekamen sie mehrere Kinder, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten: Dmitri (1895-1933), Maria (1898-1977) und Warwara (1900-1925); beide Töchter wohnten während den letzten Jahren seines Lebens bei ihrem Vater in Sankt Petersburg; obwohl Rasputin oft von zu Hause weg war, blieb Praskowja Fjodorowna bis zu ihrem Lebensende innig mit ihrem Mann verbunden.
Anna Alexandrowna Wyrubowa (1884-1964), Hofdame, gleichzeitig Busenfreundin der Zarin; eine von Rasputins treusten Anhängerinnen; spielte eine sehr wichtige Rolle beim Kontakt zwischen Rasputin und dem Zaren und der Zarin; Rasputin traf vor allem die Zarin und ihre Töchter oft im Hause Anna Wyrubowas, das sich neben dem Palast in Zarskoje Selo befand; nach dem Sturz der Monarchie 1917 wegen ihrer engen Beziehung zur Zarenfamilie wiederholt von der Provisorischen Regierung und den Bolschewisten verhaftet; im Dezember 1920 gelang ihr die Flucht nach Finnland; legte ihr Gelübde als russisch-orthodoxe Nonne ab, durfte aber wegen ihrer körperlichen Behinderungen in einem Privathaus leben; veröffentlichte 1923 im Exil ihre Erinnerungen aus ihrer Zeit mit den Romanows; verstarb 1964 im Alter von achtzig Jahren in Helsinki.
Jewdokia Iwanowna Petscherkina (‘Dunja’) (1876-19??), Rasputins Haushälterin; eine von Rasputins allerersten Anhängerinnen; war ihm von Pokrowskoje aus nach Sankt Petersburg nachgefolgt, wo sie bei ihm einzog; laut Rasputins Tochter Maria war sie später auch seine Geliebte.
Jekatarina Iwanowna Petscherkina (‘Katja’) (1883-nach 1932), wie ihre Tante Dunja ebenfalls Rasputins Haushälterin.
AUSLÄNDISCHE MACHTHABER
Wilhelm II. (1859-1941), ab 1888 Kaiser von Deutschland; Enkel der britischen Königin Viktoria; leiblicher Cousin vom englischen König Georg V. und von Nikolaus Gattin Alexandra; versicherte im Juli 1914 Österreich-Ungarn, dass es auf die Unterstützung Deutschlands rechnen konnte, oft als ‘Blankoscheck’ bezeichnet; hatte zu Zeiten der Julikrise mittels Telegrammen direkten Kontakt mit Nikolaus II., wobei er ihn aufforderte die russische Armee nicht zu mobilisieren, weil das unwiderruflich Krieg bedeuten würde; versuchte auf Bitten von Nikolaus II. zwischen Russland und Österreich-Ungarn zu vermitteln; hoffte bis zum allerletzten Augenblick, dass England neutral bleiben würde und wäre in dem Fall bereit gewesen um nicht gegen Frankreich zu mobilisieren; sah sich aber betrogen; entschloss am 9. November 1918, angesichts der sich abzeichnenden Revolution, abzudanken; flüchtete am nächsten Tage mit seinem Gefolge in die Niederlande, wo er am 28. November 1918 offiziell abdankte; schrieb im Exil seine Erinnerungen nieder und stellte Vergleichende Geschichtstabellen über die Vorgeschichte des Krieges zusammen; starb am 4. Juni 1941 im Haus Doorn bei Utrecht.
Georg V. (1865-1936), ab 1910 König von England; via seine Großmutter, Königin Viktoria, ein leiblicher Cousin des deutschen Kaisers Wilhelm II. (und von Nikolaus’ Gattin Alexandra), und via seinen dänischen Großvater König Christian IX. ein leiblicher Cousin des russischen Zaren Nikolaus II.; obwohl seine Macht durch das Grundgesetz beschränkt war, verübte er – in gutem Einvernehmen mit einigen liberalen und konservativen Politikern, u.a. Außenminister Edward Grey – dennoch einen großen Einfluss auf die britische Politik, zum Teil mittels informellen Kontakten bei Familienzusammenkünften.
Herbert Asquith (1852-1928), liberaler Politiker; von 1908 bis 1916 Premier von Großbritannien; unterstützte Greys antideutsche Politik durch dick und dünn; erklärte am 22. Juli/4. August 1914 Deutschland den Krieg, wobei er als Grund angab, dass Deutschland die belgische Neutralität verletzt habe.
Edward Grey (1862-1933), liberaler Politiker; von 1905 bis 1916 Außenminister von Großbritannien; spielte eine entscheidende Rolle bei den Vorbereitungen und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges; traf unter anderem, völlig im Geheimen, ab 1906 militärische Vereinbarungen mit Frankreich, ohne Mitwissen des größten Teils des britischen Kabinetts und des Parlaments; spielte während der Julikrise 1914 eine zweideutige und verwirrende Rolle, indem er einerseits eine diplomatische Lösung befürwortete, andererseits aber durch verschiedene Maßnahmen zu einer Verschärfung der Gegensätze beitrug und wichtige Möglichkeiten zur Milderung der Situation unterließ; ermutigte auf verstohlene Weise die Falken in der franzözischen und russischen Regierung.
Winston Churchill (1874-1965), abwechselnd konservativer und liberaler Politiker; ab Februar 1910 Innenminister und ab Oktober 1911 Marineminister; gehörte mit Premier Asquith und Außenminister Grey zu den Eingeweihten von Englands Kriegsplänen; erteilte am 13./26. Juli 1914, noch vor der Kriegserklärung von Österreich-Ungarn an Serbien, mit Genehmigung von Außenminister Grey, den Befehl um die britische Flotte nach der gerade abgeschlossenen Probemobilisation nicht auseinandergehen zu lassen; erließ zwei Tage später, am 15./28. Juli, um 17 Uhr – mit Einverständnis von Premier Asquith – den Befehl um die Erste Flotte am nächsten Morgen, unter höchster Geheimhaltung, auf ihre Kriegsbestimmung in Scapa Flow zu verlegen; während des Zweiten Weltkrieges Premier von Großbritannien; nannte in einem Brief an Stalin aus 1944 den Ersten und Zweiten Weltkrieg zusammen den ‘Zweiten Dreißigjährigen Krieg’; begabter und produktiver Schriftsteller, der u.a. eine aus sechs Bänden bestehende Geschichte des Zweiten Weltkrieges verfasste (The Second World War, 1948-1953); empfing 1953 der Nobelpreis für Literatur ‘für seine Meisterschaft in der historischen und biographischen Darstellung ebenso wie für seine brillante Redekunst zur Verteidigung höchster menschlicher Werte’.
Raymond Poincaré (1860-1934), 1913-1920 Präsident von Frankreich, davor und danach verschiedene Male Ministerpräsident und zugleich Außenminister; erstrebte aktiv einen allgemeinen europäischen Krieg, mit dem Ziel Elsass-Lothringen zurückzugewinnen; traf geheime militärische Vereinbarungen mit England; verübte mit seinem Besuch an Sankt Petersburg vom 7./20. bis zum 10./23. Juli 1914 großen Einfluss auf die Entscheidung des Zaren am Krieg teilzunehmen.
Maurice Paléologue (1895-1944), vom Januar 1914 bis zur Oktoberrevolution 1917 französischer Botschafter in Sankt Petersburg; Schwager von Paul und Jules Cambon, die französischen Botschafter in London und Berlin; spielte als rechte Hand des französischen Präsidenten Poincaré eine entscheidende Rolle bei den Vorbereitungen des Ersten Weltkrieges; bestärkte während der Julikrise das russische Zarenreich in seiner harten Haltung gegenüber den Mittelmächten; tat 1914 während der letzten Juliwoche alles mögliche um einen Kompromiss zu verhindern; führte während seiner Amtszeit in Sankt Petersburg ein Tagebuch, das 1921 unter dem Titel La Russie des tsars pendant la Grande Guerre erschien; wurde nach dem Krieg ein bekannter Schriftsteller und Mitglied der Académie Française.
George Buchanan (1854-1924), seit 1910 britischer Botschafter in Sankt Petersburg; arbeitete eng zusammen mit einerseits dem britischen Außenminister Edward Grey und andererseits mit seinem französischen Kollegen Maurice Paléologue; stand wie dieser in engem Kontakt mit dem Zaren und seinen Ministern und spielte auf diese Weise eine wichtige Rolle beim Realisieren der britischen Kriegsziele; seine Erinnerungen My Mission to Russia erschienen 1923.
Friedrich von Pourtalès (1853-1928), Graf, deutscher Botschafter in Sankt Petersburg; versuchte zu Zeiten der Julitage von 1914 vergebens Außenminister Sergei Sasonow von seinem, auf Krieg zielenden Kurs abzubringen; überreichte ihm am 19. Juli/1. August 1914 unter Tränen die Kriegserklärung Deutschlands; publizierte nach dem Krieg in 1919 seine Erinnerungen Am Scheidewege zwischen Krieg und Frieden. Meine letzten Verhandlungen in Petersburg zu Ende Juli 1914.
Franz Ferdinand (1863-1914), Erzherzog, Thronfolger von Österreich-Ungarn; Befürworter einer größeren Selbständigkeit der slawischen Völker innerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie; wurde zusammen mit seiner Gemahlin Sophie am 15./28. Juni 1914 in Sarajevo vom jungen bosnisch-serbischen Nationalisten Gavrilo Princip ermordet; dieser Anschlag veranlasste den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Nikola I. (1841-1921), erster und gleichzeitig letzter König von Montenegro; Vater der russischen Großfürstinnen Miliza und Anastasia Nikolajewna; sehr machthungrig; nahm 1912 und 1913 aktiv am Ersten und Zweiten Balkankrieg teil; gefährdete durch die hartnäckige Fortsetzung der Belagerung von Skutari im Frühjahr 1913 den europäischen Frieden ernsthaft; stand bei Beginn des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 auf Seiten Serbiens und damit der Entente; wurde durch Beschluss der montenegrinischen Nationalversammlung im November 1918 gestürzt, wobei Montenegro als Provinz in das neu entstandene Königreich Jugoslawien eingegliedert wurde; verstarb am 1. März 1921 im französischen Badeort Antibes.
ÜBRIGE
Pierre Gilliard (1879-1962), Hauslehrer der Kinder von Zar Nikolaus II.; von Ursprung Schweizer; verbrachte dreizehn Jahre am Hof, wobei er sehr private Momente mit der kaiserlichen Familie erlebte; war Rasputin nicht gewogen; teilte nach dem Sturz der Monarchie freiwillig die Gefangenschaft mit dem Zaren und seiner Familie; folgte ihnen in die Verbannung, wurde aber von den Bolschewisten von ihnen getrennt; kehrte 1920 in sein Vaterland zurück, wo er an der Universität von Lausanne französisch lehrte; publizierte in 1921 seine Memoiren Treize années à la cour de Russie: le tragique destin de Nicholas II et de sa famille; starb am 30. Mai 1962.
Wladimir Petrowitsch Meschtscherski (1839-1914), Fürst, seit 1872 Herausgeber der äußerst konservativen Zeitung Grazjdanin (‘Der Bürger’), die intensiv vom Zaren gelesen wurde; Meschtscherski gehörte zu den sehr Wenigen, die 1914 in aller Offenheit ihre Stimme gegen den Krieg erhoben.
Chionija Kuzminitschna Gussewa (rund 1880/81-nach 1919), aus Syzran im Gouvernement Simbirsk gebürtig; wohnte seit 1899 in Zarizyn, dem heutigen Wolgograd, wo sich auch das Kloster von Rasputins Erzfeind Iliodor befand, wessen fanatische Anhängerin sie war; auf Veranlassung von Iliodor verübte sie am 29. Juni/12. Juli 1914 einen Anschlag auf Rasputin in seinem Geburtsort Pokrowskoje; wurde psychisch unzurechnungsfähig erklärt und in einer psychiatrischen Klinik festgesetzt, woraus sie im März 1917, nach der Revolution, von Alexander Kerenski Kerenski befreit wurde; verübte am 29. Juni 1919 in Moskau ebenfalls einen – misslungenen – Anschlag auf den Patriarchen Tichon.
Alexander Sergejewitsch Wladimirow (1871/72-19??), Chirurg aus der Stadt Tjumen in der Nähe von Rasputins Geburtsdorf Pokrowskoje; führte gleich nach dem Anschlag in der Nacht vom 29. Juni/12. Juli zum 30. Juni/13. Juli 1914 in Rasputins Haus unter äußerst primitiven Umständen eine Notoperation aus, wodurch sein Leben gerettet wurde.
Praskowja Andrejewna Kuznetsowa-Zworygina (1878-1964), Hilfsärztin, assistierte Alexander Wladimirow bei der Notoperation von Rasputin direkt nach dem Anschlag vom 29. Juni/12. Juli 1914.
Roman Romanowitsch Wreden (1867-1934), angesehener Chirurg und Orthopäde aus Sankt Petersburg, Professor an der Militärischen Medizinischen Akademie und kaiserlicher Ehrenleibarzt; wurde nach dem Anschlag vom Zaren nach Sibirien geschickt, wo er Rasputins Wunde untersuchte und mit Wladimirow die Behandlung besprach; kehrte sofort danach nach Sankt Petersburg zurück.
Wenjamin Borissowitsch Dawidson (auch Dawidsohn, Duwidson oder Duwidzon) (?), alias Wenjamin Arnoldow Paganini, Korrespondent des Petersburger Kuriers; angeblich in einem Waisenhaus in Wilnius aufgewachsen; stand bereits vor der Ermordung Rasputins in Kontakt mit der Geheimpolizei; verdächtige Person; war zum Zeitpunkt des Attentats mit seinem ‘Sekretär’ Lewakowski ‘zufällig’ in Pokrowskoje; konnte auf Ersuchen der Polizei keinen offiziellen Ausweis vorzeigen; beachtete den Befehl, Pokrowskoje zu verlassen, nicht; durfte sich auf Anordnung der Polizei nicht in der Nähe von Rasputins Haus aufhalten; laut Rasputins Dorfgenossen, seiner Tochter Maria, seinem Sekretär Aron Simanowitsch und einigen Historikern beteiligt am Anschlag vom 29. Juni/12. Juli 1914; schrieb nach dem Attentat äußerst negative und lügnerische Artikel über Rasputin; hörte hiermit erst auf, nachdem er vom Unterminister des Inneren Stepan Belezki 1.200 Rubel erhalten hatte; löste sich daraufhin in Luft auf.
Nikolai Lewakowski (oder Lewanowksi) (?-?), sehr rätselhafte und verdächtige Person; war angeblich Sekretär des Journalisten Wenjamin Dawidson; befand sich zum Zeitpunkt des Attentats ebenfalls ‘zufällig’ in Pokrowskoje; zusammen mit Dawidson von der Polizei vernommen; wurde dabei aufgefordert das Dorf zu verlassen; wird bemerkenswerterweise im offiziellen Bericht über den Anschlag nirgendwo erwähnt; im weiteren ist nichts über ihn bekannt.
Oswald Theodor Rayner (1888/89-1961), Agent des britischinden Geheimdienstes in Russland; seit dessen Aufenthalt in Oxford befreundet mit Fürst Felix Jussupow; war laut einigen Historikern derjenige der beim Mord auf Rasputin 1916 den letzten fatalen Schuss abfeuerte; übersetzte später das – mit seiner Hilfe verfasste – Buch von Felix Jussupow über den Mord auf Rasputin auf Englisch.
* Archimandrit – Vorsteher eines Russisch-Orthodoxen Klosters, in etwa vergleichbar mit dem Abt eines Römisch-Katholischen Klosters.