Читать книгу Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström - Страница 11

Ein Pferd für Astrid

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Bei Astrids nächster Reitstunde war die ganze Familie Johanson anwesend und sah zu.

Petra hatte Astrids Vater noch nie gesehen, und ihr erster Gedanke war, daß er feststellen wollte, ob das Reiten wirklich gefährlich sei. Doch er sah so sympathisch aus, daß er wohl kaum das Herz gehabt hätte, seiner Tochter diesen Sport zu verbieten.

Herr Johanson war hochaufgeschossen und mager und hatte dunkles Haar. Astrid glich ihm sehr, fand Petra, während Lena mehr ihrer Mutter ähnelte. Er hatte blaue Augen, genau wie Astrid.

In dieser Stunde ritt das blinde Mädchen besser als je zuvor. Nach dem dramatischen Reitausflug kam ihr die eingezäunte Bahn harmlos und vertraut vor, und sie spürte eine Sicherheit, die sie vorher nicht gekannt hatte. Astrid fürchtete sich nun nicht mehr vor Svalas eventuellen Einfällen, nicht einmal während des Galopps. Plötzlich war alles anders. Endlich hatte sie ihre ständige Furcht überwunden! Nach all dem, was sie und Svala gemeinsam durchgestanden hatten, vertraute sie dem Pony vollkommen.

Petras Gedanken waren teilweise abgelenkt; so bemerkte sie die Veränderung in Astrids Reitstil nicht so deutlich, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre. Kurz vor dem Eintreffen der Johansons hatte nämlich Klaus angerufen.

„Wir wollen zum Baden fahren, möchtest du nicht mitkommen? Wir könnten dich abholen.“

Seine Stimme klang vergnügt und voller Erwartung, und als Petra erwiderte, daß sie nicht mitkommen könnte, war er enttäuscht gewesen. Das war zwar schmeichelhaft, aber Petra gefiel es nicht, daß er sie anschließend doch noch zu überreden versuchte.

„Wenn du gestern angerufen hättest“, sagte sie, „hätte ich die Stunde verschieben können. Aber jetzt ist Astrid bestimmt schon auf dem Weg hierher. Es ist also leider zu spät, um noch etwas zu ändern!“

„Ach, es wäre so prima gewesen! Wir wollen fast den ganzen Tag wegbleiben und Picknickkörbe mitnehmen.“

„Ein andermal komme ich gern mit“, sagte Petra, die fand, daß es richtig verlockend klang. „Und morgen sehen wir uns ja bei der Quadrillenübung. Wenn ich nur Rex dazu bringen könnte, ein bißchen eleganter zu gehen! Es ist so schwierig für mich, weil ich an Svala gewöhnt bin. Die beiden sind so furchtbar verschieden.“

Klaus‘ letzte Worte enttäuschten sie so, daß es ihr lieber gewesen wäre, sie hätte das Gespräch früher beendet. Das war so gar nicht der Klaus, den sie mochte und zu kennen glaubte.

„Dauernd diese Astrid!“ hatte er gereizt gesagt. „Hast du denn gar nichts anderes mehr im Sinn, als dir als Reitlehrerin ein Taschengeld zu verdienen? Es muß wirklich wahnsinnig lustig sein, sich mit hoffnungslosen Anfängern herumzuplagen.“

Das klang so hart und unfreundlich, doch Petra tröstete sich damit, daß er es wohl nicht so gemeint hatte. Er konnte doch unmöglich glauben, daß die Stunden mit Astrid Zeitverschwendung waren? Für sie war Astrid zu einer ihrer besten Freundinnen geworden, und sie konnte nicht verstehen, warum Klaus so abfällig von ihr sprach. Man mußte Astrid doch einfach gernhaben!

Wahrscheinlich hatte er sich sehr auf diesen Badeausflug gefreut und vielleicht sogar irgendeine Überraschung geplant. Nein, es hatte keinen Sinn, sich deshalb den Kopf zu zerbrechen!

Ohne es zu wissen, ergriff Petra vor sich selbst für KlausPartei und verteidigte ihn.

Keines der Mädchen kannte den Anlaß für Herrn Johansons Anwesenheit bei der Reitstunde, doch noch am gleichen Abend klingelte bei Granbergs das Telefon. Petra ging an den Apparat.

„Hallo, hier ist Astrid! Weißt du, was passiert ist?“ fragte das blinde Mädchen atemlos. „Du errätst es nie! Ich soll ein eigenes Pony bekommen! Lena darf es natürlich auch reiten, aber mir soll’s gehören. Willst du mitkommen, wenn wir eines aussuchen, Petra? Wir wissen ja nicht so genau über Pferde Bescheid, keiner von uns, und du könntest uns vielleicht ein paar gute Tips geben.“

„Du, das ist ja prima!“ rief Petra, als sie endlich zu Wort kam. „Klar komme ich mit! Aber ehe ihr euch endgültig entscheidet, solltet ihr jemanden fragen, der noch mehr Ahnung von Pferden hat als ich – Karin zum Beispiel.“

Wenige Tage später saß Petra im Auto der Familie Johanson. Sie waren auf dem Weg zu einem Bauernhof, um sich ein Pony anzusehen. „Zuerst wollen wir ein Gotlandpony besichtigen“, sagte Astrids Vater. „Und wenn uns das nicht gefällt, sehen wir uns ein paar … Tja, ich habe vergessen, wie die Rasse heißt, aber es handelt sich jedenfalls um irische Ponys.“

„Connemaraponys?“ fragte Petra.

„Ja, genau. Die sind viel teurer als die Gotlandponys; weshalb, weiß ich nicht.“

„Aber laß dich davon nicht beeinflussen, Astrid!“ sagte Frau Johanson. „Du sollst das Pony nehmen, das du am liebsten magst, das ist die Hauptsache.“

„Und es soll ruhig und verläßlich sein“, fügte Herr Johanson hinzu.

„Ich möchte eines, das so wie Svala ist“, erklärte Astrid.

Lena sagte gar nichts, doch ihre Augen glänzten erwartungsvoll.

Am späten Vormittag waren sie am Ziel. Der Besitzer des Hofes hieß sie herzlich willkommen und sagte: „Tja, dann sehen wir uns das Pony wohl gleich mal an. Es steht im Stall. Hier entlang, bitte schön!“

„Wie heißt es?“ fragte Lena.

„Corny. Es ist zehn Jahre, gerade alt genug, um ruhig und vernünftig zu sein.“

Ein Pferd kann auch vernünftig und ruhig sein, wenn es jünger ist, dachte Petra. Sie blieben vor der Box stehen, während der Hofbesitzer Sattel und Trense holte.

„Wie sieht es aus, Petra?“ fragte Astrid.

„Es hat schlanke, dunkle Beine, lebhafte Augen und eine dichte, ungebärdige Mähne. Es ist dunkelbraun und kleiner als Svala. Ich glaube nicht, daß es mich tragen könnte.“

Der Hofbesitzer tauchte wieder auf. „Ihr Mädchen wollt sicher gleich Probereiten“, sagte er und ging in die Box.

Das Pony schnappte nach ihm, als er den Sattel auflegte, und sträubte sich etwas gegen das Aufzäumen. Das war kein gutes Zeichen, denn Astrid brauchte ein Pferd, das weder biß noch ausschlug. Sie konnte ja nicht sehen, was das Tier tat. Mit einem tückischen Pony konnte ihr leicht etwas passieren.

Vor dem Stall war eine kleine Weide, auf der Astrid Probereiten konnte. Sicherheitshalber ging Petra neben dem Pony her. Corny legte ein paar Meter im Mittelschritt zurück und blieb dann stehen. Doch Astrid schaffte es nicht, das Pferd zum Weitergehen zu bewegen.

Nur mit Mühe gelang es Petra, das Pony endlich weiterzulocken. Dann versuchte Astrid, es zum Traben zu bringen, doch Corny blieb statt dessen stehen und preßte Astrids linkes Bein gegen den Zaun. Gereizt griff Petra nach der Trense und zog das Pony von der Weideumzäunung fort.

„Es ist so widerspenstig“, klagte Astrid. „Ich glaube nicht, daß ich es haben will.“

„Darf ich es mal versuchen?“ fragte Lena.

„Klar, wenn du willst. Eigensinnig ist es schon, aber da muß der Reiter eben besonders willensstark sein“, sagte der Verkäufer rasch. „Mein Junge ist leider viel zu klein, um mit Corny fertigzuwerden. Ich selbst bin zu schwer für das Pony, aber ihr Mädchen habt ja gerade die richtige Größe. Ihr werdet Corny im Handumdrehen Schliff beibringen, und dann wird ein prima Reitpferd aus ihm, davon bin ich überzeugt.“

Corny war ebenso störrisch, als Lena im Sattel saß. Doch dann gab sie dem Pony ein paar ordentliche Klapse und dann stürmte es wie der Blitz um die Weide. Plötzlich aber steckte es den Kopf zwischen die Vorderbeine und bockte. Lena flog wie ein Pfeil geradeaus und schlug einen perfekten Purzelbaum im Staub.

„Lena, hast du dir weh getan?“ rief Frau Johanson entsetzt. „Das ist ein gefährliches Tier! Das können wir nicht kaufen!“

Nach einem hastigen Abschied machten sie sich auf den Weg zu den Connemaraponys, die sie ebenfalls besichtigen wollten.

„Hier muß es sein“, sagte Herr Johanson nach einer Weile und bog in einen schmalen Zufahrtsweg ein.

„Oh, seht nur die Ponys!“ rief Lena. „Sind die nicht schön?“

„Die Pferde sind auf einer großen Wiese neben der Straße“, erklärte Petra dem blinden Mädchen, „und sie laufen am Zaun entlang. Sie galoppieren mit gespitzten Ohren und fliegenden Mähnen und Schwänzen. Ihre Augen sind groß und dunkel und die Mäuler klein und gerundet. Dort ist ein Schimmel, und daneben ein hellbraunes Fohlen. Die Ponys sind größer als Svala und wirklich wunderschön.“

Inhaberin des Gestüts war eine dicke, freundliche kleine Dame in Reithosen.

„Für einen Anfänger würde ich unsere Stute ‚Silver Stream‘ empfehlen“ sagte sie. „Auch ‚Brown Boy‘ ist ruhig und gesittet, aber er ist erst drei Jahre alt und noch nicht richtig eingeritten.“

Gemeinsam gingen sie zur Koppel.

„Silver! Boy! Kommt her!“ rief die Dame.

Zwei Ponys kamen leichtfüßig angetrabt.

„Dürfen sie Zucker haben?“ fragte Lena.

„Ja, etwas schon“, erwiderte die Besitzerin und griff nach den Halftern der beiden Jungpferde. „Sie bekommen meistens einen Leckerbissen; deshalb kommen sie auch so willig, wenn ich sie rufe.“

Während Astrid und Lena die Ponys streichelten und ihnen Zucker gaben, betastete Petra die Beine der Pferde und sah sich ihre Hufe an. Die Ponys bliesen warme Luft auf die Hände der Mädchen und ließen sich geduldig untersuchen.

„Wie lieb sie sind!“ sagte Astrid. „Darf ich sie reiten?“

„Freilich. Einen Augenblick, ich hole Sattel und Trense.“

Die freundliche Dame verschwand in Richtung Stall, der direkt an die Weide grenzte.

„Was meinst du, Astrid? Wollen wir nicht eins von den beiden kaufen?“ sagte Lena. „Die sind doch so goldig!“

„Erst müssen wir auf ihnen reiten“, erwiderte ihre Schwester vorsichtig.

Doch sie mochte die beiden Ponys gern. Sie hatten so eine liebe und freundliche Art, die sie ein wenig an Svala erinnerte.

„Ja, da hast du recht“, stimmte Petra zu. „Aber auf mich machen sie einen guten Eindruck. Sie sind edel und wohlerzogen.“

Plötzlich überlegte Petra, ob die kleine Dame es wirklich schaffen konnte, gleich zwei Sättel zu tragen. Als sie jedoch zum Stall blickte, sah sie diese mit einer Schubkarre kommen.

Astrid wollte zuerst die Schimmelstute ausprobieren, und Petra schwang sich auf Brown Boys Rücken.

„Reite, als wärst du allein auf der Bahn“, sagte Petra zu Astrid. „Ich werde aufpassen, daß ich dir nicht in die Quere komme.“

Vorsichtig und langsam begann Astrid am Zaun entlangzureiten, und Lena ging neben ihr her, um einzugreifen, falls es nötig war. Petra merkte rasch, daß das Jungpferd Brown Boy wirklich noch nicht oft geritten worden war. Er war jedoch aufgeweckt und klug und voller Eifer, alles richtig zu machen, so daß sie wirklich gut mit ihm zurechtkam.

Sie hätte ihn selbst gern gehabt, fand aber, daß ein so junges und ungeübtes Pferd für Astrid nicht das richtige war.

Die Besitzerin des Gestüts sah Petra mit zufriedenem Lächeln zu. Sie hatte die richtige Art, mit dem Jungpferd umzugehen. Die Stute schnitt weniger gut ab, denn Astrid ritt ziemlich unsicher über die Weide. Obwohl das Pony sich gut benahm, hatte Astrid das Gefühl, auf einem sehr großen, schnellen und wilden Pferd zu sitzen. Silver Stream gefiel ihr schon, aber konnte sie der Stute wirklich vertrauen?

„Darf ich es jetzt versuchen?“ bat Lena.

„Na, was meinst du, Astrid?“ fragte Herr Johanson, als Lena auf dem Schimmel davontrabte.

„Silver Stream kommt mir so … so groß und ungebärdig vor. Ich glaube, ich möchte ein etwas kleineres Pony.“

Astrid durfte auch Brown Boy, das Jungpferd, zur Probe reiten, doch mit ihm fühlte sie sich nur noch unsicherer. Die Sache endete damit, daß die Familie Johanson sich herzlich bedankte und ohne Pony wieder nach Hause zurückfuhr.

„Es gibt ja noch mehr Pferde auf der Welt“, sagte Astrids Mutter. „Wir werden schließlich schon das richtige finden, meint ihr nicht?“

„Ganz sicher. Ich komme gern wieder mit“, erwiderte Petra, als sie aus dem Auto stieg. „Tschüs, bis bald!“

„Haben Johansons ein Pferd gekauft?“ fragte Frau Granberg ihre Tochter beim Eintritt.

„Nein. Nur eines der Ponys kam in die engere Wahl, doch Astrid fand es zu lebhaft. Aber sie findet schon noch das, was sie sich vorstellt.“

„Oh, bestimmt. Übrigens hat während deiner Abwesenheit ein Junge angerufen.“

„Klaus?“

„Ja, so hieß er. Ich nehme an, er wollte etwas wegen der Vorführung in der Reitschule mit dir besprechen.“

„Das kann sein.“

Im gleichen Augenblick klingelte das Telefon wieder. Petra ging an den Apparat.

„Hallo, hier spricht Klaus. Wo bist du denn heute gewesen?“

„Ich war mit Johansons unterwegs. Wir haben nach einem Pony für Astrid gesucht“, erwiderte Petra.

Sie fragte sich plötzlich, wie er jetzt darauf reagierte. Würde er wieder ägerlich werden wie sonst, wenn sie wegen Astrid keine Zeit für ihn hatte? Nein, diesmal gab es keine Schwierigkeiten.

„Du, ich weiß, wo heute abend getanzt wird“, sagte er fröhlich. „Hast du Lust, mitzukommen? Es ist ein Stück von hier entfernt, wir müssen also mit den Rädern fahren.“

Es wurde ein schöner Abend, obwohl Petra und Klaus keinen von den anderen kannten, die noch am Fest teilnahmen. Petra merkte, daß sie sich ungezwungener benehmen konnte, wenn Charlotte und Agneta nicht in der Nähe waren. Wenn sie sich im Reitklub trafen, hatte sie oft das Gefühl, als wären die Zwillinge ihr gegenüber besonders kritisch. Vor allem Agneta schien sie nicht leiden zu können. Doch Petra tat für gewöhnlich so, als würde sie es nicht merken. Sie wollte nicht gern mit einer ihrer Klubkameradinnen verfeindet sein.

„Prima, daß du in der Klasse C mit Polly springen wirst“, sagte sie zu Klaus. „Da nehmen wir am selben Wettkampf teil.“

„Ja, jetzt haben wir schon fast August; bis zum Fest ist es gar nicht mehr so lange“, erwiderte er nachdenklich. „In ein paar Wochen muß ich leider wieder abreisen. Schade, daß die Schule so früh anfängt!“

„Du fährst heim? Aber zur Einweihung kommst du her?“

„Ja, klar. Das Fest ist ja an einem Samstag. Aber ich wünschte, ich könnte noch den ganzen August hierbleiben.“

Klaus ahnte nicht, daß sein Wunsch auf recht unerwartete Weise in Erfüllung gehen sollte.

„Komm, jetzt tanzen wir wieder“, sagte er, als die Musikanten eine neue Melodie zu spielen begannen.

Die Nächte waren nicht mehr so hell wie zur Mittsommerzeit. Obwohl der Mond schien, war es ziemlich finster, als Petra und Klaus mit den Rädern heimwärts fuhren. Bei der Auffahrt zu Petras Elternhaus blieben sie stehen, und Klaus lehnte sein Rad gegen den Zaun. Die Bienenkörbe im Garten wirkten in der Dunkelheit wie graue Gestalten. Kurre, der Kater, tauchte aus der Hecke auf und glitt wie ein Schatten über den Weg. Tagsüber strich er gern um Petras Beine, doch jetzt war er viel zu sehr mit seinen eigenen Abenteuern beschäftigt.

„Dann treffen wir uns also morgen im Reitstall“, sagte Petra lächelnd.

Ihre Hand lag auf der Lenkstange, und Klaus legte die seine darauf. Dann beugte er sich vor und drückte seine Lippen fest auf Petras Mund; dabei zerzauste er ihr spielerisch das Haar.

Nach dem Kuß lag seine Hand noch sekundenlang auf ihren Haaren, und sie sahen sich in die Augen. In Klaus’ Blick war etwas Neues, was Petra nie zuvor bemerkt hatte.

„Gute Nacht, Petra!“

Klaus stieg wieder auf sein Fahrrad und verschwand in der Dunkelheit. Langsam ging Petra die Anhöhe zum Haus hinauf und schob das Rad neben sich her.

Ihre Mutter war noch nicht zu Bett gegangen.

„War’s schön?“ fragte sie und sah von ihrer Handarbeit auf.

„Jaaa …“

„Es ist schon spät. Mach schnell, daß du ins Bett kommst.“

Zu Hause war alles beim alten. Petra wunderte sich fast ein wenig darüber, daß man ihr nichts anmerkte. Sie fühlte sich anders als sonst; ihr war, als müßte ihre Mutter sehen, daß sie eben geküßt worden war. Es war der erste Kuß, den sie von einem Jungen bekommen hatte.

Als sie endlich im Bett lag, konnte sie nur schwer einschlafen. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen, und unzählige Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Sie fragte sich, ob Klaus ihr im Herbst schreiben würde, wenn er wieder zu Hause war. Wenn er nur eine Reitkappe aufsetzen würde und nicht so leichtsinnig wäre, war das letzte, was Petra dachte, ehe sie einschlief.

*

In der folgenden Zeit war Petra noch öfter mit Astrid und Familie Johanson unterwegs, um sich in der näheren und weiteren Umgebung Ponys anzusehen.

Sie beschrieb Astrid stets, wie die jeweiligen Pferde aussahen. Ihre Erklärungen waren so lebendig, daß Lena und ihre Eltern ebenso interessiert zuhörten wie Astrid. Sie konnten die Ponys zwar selbst sehen, doch da sie nicht so gut über Pferde Bescheid wußten, fiel ihnen auch manches nicht auf, was Petra bemerkte.

Immer wieder wurden Proberitte unternommen. Lena begeisterte sich stets sehr rasch für jedes Pony, doch Petra war besonders kritisch, wenn es um Gehorsam und Betragen ging. Astrid brauchte ja ein Tier, auf das sie sich verlassen konnte, und bisher hatten sie noch keines gefunden, das diesen Anspruch uneingeschränkt erfüllt hätte.

Herr Johanson bemerkte keinen größeren Unterschied zwischen den verschiedenen Pferden. Jedes Pony, das ruhig und vernünftig wirkte, erschien ihm brauchbar. Er konnte nicht recht verstehen, weshalb Astrid sich so lange nicht entschließen konnte, und mit der Zeit wurde er ein wenig ungeduldig.

„Was war denn eigentlich an diesem Schecken auszusetzen? Ich fand, daß er verläßlich und brav wirkte“, sagte er eines Tages, als sie sich wieder auf dem Heimweg befanden. „Mochtest du ihn nicht, Astrid?“

„Er mochte mich nicht“, murmelte Astrid, „und er war widerspenstig. Er war ganz anders als Svala.“

„Ja, etwas störrisch war er schon“, stimmte Petra ihr zu. „Aber du mußt bedenken, daß alle Pferde verschieden sind. Du findest Svala vielleicht am besten, weil du an sie gewöhnt bist, aber du kannst einfach nicht hoffen, eine zweite Svala zu finden. Vielleicht wirst du ein anderes Pony genauso liebgewinnen, wenn du dich erst daran gewöhnt hast.“

„Ja, vielleicht“, sagte Astrid ohne Überzeugung.

Am folgenden Tag nahm Petra ihr Pony mit zur Reitschule und ritt mit ihm in die Halle. Sie hatte sich für den Dressurwettbewerb angemeldet, der ebenfalls anläßlich der Einweihungsfeier stattfinden sollte, und übte nun des öfteren unter Karins Aufsicht. Nachdem sie mehrere Jahre ohne Unterricht geritten war, kam es ihr nun vor, als hätte sie in diesem Sommer eine ganze Menge gelernt. Sie wartete mit großer Spannung auf die Wettkämpfe. Es mußte schön sein, zeigen zu können, was Svala konnte; schön, an einem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen.

Würde Svala das Springturnier fehlerlos schaffen? Würde es mit der Dressur klappen, oder würde sie versagen, wenn Charlotte und Agneta und alle anderen zusahen? Gegen die Zwillinge hatte sie wohl keine Chance, doch man konnte ja auf ein Wunder hoffen.

Als Petra mit Svala nach der Stunde die Reitbahn verließ, sah sie plötzlich Herrn Johanson vor dem Stallgebäude stehen. Verwundert musterte sie ihn. Was machte er da ohne Astrid und Lena?

„Hallo, Petra!“ rief er und kam auf sie zu. „Ich möchte etwas mit dir besprechen.“

„Ist es wegen des neuen Ponys?“

„Ja und nein.“ Astrids Vater lächelte und sah sie gespannt an. „Ich wollte dich fragen, ob du bereit wärst, uns Svala zu verkaufen!“

Petra und der Reiterhof

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