Читать книгу Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström - Страница 5

Die erste Reitstunde

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Astrid war so aufgeregt, daß ihr fast übel war. Lena saß neben ihr auf dem Rücksitz des Wagens und redete munter über alles mögliche, doch ihre Schwester hörte nicht zu.

Sie dachte nur daran, daß sie endlich reiten durfte. Was sie am meisten beunruhigte, war die Vorstellung, daß sie sich diese Chance vielleicht selbst verderben würde. Wenn es sehr schlecht ging, würde sie es wohl kaum noch einmal versuchen dürfen. Sie hatte gehört, daß es schwierig ist, beim Reiten das richtige Gleichgewicht zu finden; also mußte sie sich wirklich zusammennehmen, damit es einigermaßen klappte.

Zuerst hieß es natürlich einmal, aufs Pferd hinaufzukommen. Charlotte in der Reitschule hatte sie einfach auf plumpe Weise in den Sattel bugsiert. Diesmal aber war Astrid entschlossen, schneller zu sein, so daß keiner sie mehr wie ein Kind hochzuhieven brauchte.

„Tja, jetzt sind wir am Ziel“, sagte ihre Mutter und parkte den Wagen.

Ein schwacher Fliederduft war das erste, was Astrid bemerkte, als sie aus dem Auto stieg. Sie sah das rote Haus und die prächtigen Blumenbeete zu beiden Seiten der Auffahrt nicht; auch nicht die gelbe Katze, die auf frisch geputzten weißen Pfoten über den Hof spazierte.

Gleich darauf erklang Petras Stimme. „Hallo! War’s schwierig, den Weg zu finden?“

Während der Begrüßung spürte Astrid plötzlich etwas Lebendiges, das sich gegen ihr Bein schmiegte. Sie bückte sich und strich mit den Fingerspitzen über einen dichten, seidenweichen Pelz.

„Ist das eure Katze?“ fragte sie.

„Ja, unser Kater – Kurre heißt er“, erwiderte Petra.

„Habt ihr mehr Tiere? Außer Svala, meine ich?“

„Klar, mehrere tausend“, versetzte Petra ernsthaft.

„Jetzt machst du aber Spaß“, sagte Astrid unsicher.

„Nein, gar nicht. Aber die meisten davon sind natürlich Bienen.“

„Ja, ich glaube, ich habe ein paar Bienenkörbe bemerkt, als wir am Garten vorbeifuhren“, warf Frau Johanson ein.

„Ach, ich dachte zuerst, du meinst tausend Kühe oder sowas!“ Astrid lachte nervös.

„Nein, wir haben leider nur sechs Kühe, dazu noch Kälber und Jungkühe, aber um so mehr Schafe. Wollen wir jetzt Svala aus dem Stall holen und anfangen? Ich bin gerade eine Weile mit ihr geritten, damit sie nicht allzuviel Temperament entwickelt.“

Petra führte ihr Pony auf den Hof. Gerade da kam Frau Granberg aus dem Haus.

„Guten Tag“, sagte sie, „ich bin Petras Mutter. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir, während die Mädchen reiten?“

Frau Johanson nahm das Angebot an, und Astrid, Lena und Petra blieben allein mit dem Pony zurück.

„Wie sieht Svala aus?“ fragte Astrid.

Von Lena wußte sie eine Menge über die Pferde der Reitschule, doch ihre Schwester hatte ihr noch wenig von Svala erzählt.

„Sie ist kohlrabenschwarz, mit weißen ‚Strümpfen‘ an den Hinterbeinen und einem kleinen Stern auf der Stirn“, erklärte Petra. Da Astrid offenbar mehr hören wollte, fuhr sie fort: „Sie hat feine schlanke Beine, eine breite Stirn, kluge Augen und ein kleines Maul. Und sie ist ungefähr einsvierzig hoch.“

Astrid hatte eine Hand auf die Brust des Ponys gelegt. Nun ließ sie die Finger langsam über den Pferdehals gleiten, ergriff die Zügel, ging ein paar Schritte zur Seite und tastete mit der anderen Hand nach dem Steigbügel, fand ihn jedoch nicht.

„Hier“, sagte Petra und gab ihn ihr in die Hand.

„Danke.“

Astrid bekam den Fuß in den Steigbügel und tastete nach dem Bügelriemen. Dann versuchte sie, sich hochzuschnellen. Sie hatte das zu Hause mit Lenas Hilfe am Treppengeländer geübt. Nun mußte sie ein wenig mit den Armen nachhelfen, um hochzukommen, doch es war nicht so schwer, wie sie geglaubt hatte. Die erste Schwierigkeit war überwunden. Endlich saß sie im Sattel!

Petra half ihr, die Steigbügelriemen etwas zu kürzen. Plötzlich spürte Astrid, daß sich etwas an ihrem Fuß bewegte.

„Was ist das?“ fragte sie und zog den Fuß ängstlich zurück.

„Das war nur Svala. Sie hat dich ein bißchen beschnuppert“, beruhigte sie Petra. „Svala wollte wohl sehen, wer da auf ihrem Rücken sitzt. Ich bin ja seit mehreren Jahren die einzige, die sie reitet.“

Lieber Himmel! dachte Astrid. Das hieß mit anderen Worten, daß Svala nicht an Anfänger gewöhnt war. Doch sie hatte ja keine Wahl. Sie mußte dieses Pferd reiten, wenn sie überhaupt reiten wollte.

„Ich führe sie, bis wir zur Bahn kommen“, sagte Petra und griff nach den Zügeln.

„Zur Reitbahn?“ echoten Lena und Astrid ungläubig.

„Ja, das ist ein Teil unserer Schafweide“, erklärte Petra. „Ein kleines, ebenes Stück Wiese am Waldrand. Weil ich dort manchmal Dressur reite, hat mein Vater einen Zaun als Grenze zwischen der Bahn und dem Rest der Weide aufgestellt. Ich habe sogar ein eigenes Gatter bekommen.“

Sie ließen den Hof hinter sich und folgten dem grasbewachsenen Fahrweg, der an den Wiesen entlangführte. Die Luft war voller Vogelgezwitscher, und dazwischen erklang lautes Blöken von der Weide.

Astrid senkte die Fersen und versuchte so aufrecht im Sattel zu sitzen, wie sie nur konnte. Es war schön, auf Svalas Rücken hin und her geschaukelt zu werden; trotzdem war sie froh, daß Petra die Zügel hielt. Plötzlich machte das Pony halt.

„Jetzt stehen wir vor dem Gatter“, sagte Petra. „Die Bahn ist ungefähr 20 × 40 Meter, und es macht nichts, wenn du vergißt, abzubiegen. Svala läuft sowieso nicht gegen den Zaun. Sie bleibt stehen, wenn ihr etwas im Weg ist. Von unserem Standplatz aus hast du die Schafweide zur rechten Längsseite der Bahn und den Wald zur linken. Ich mache das Transistorradio an und stelle es in die linke Ecke, damit du wenigstens hören kannst, wo eine der Ecken ist.“

„Ich habe selbst ein kleines Tonbandgerät zu Hause, das mit Batterie läuft“, erwiderte Astrid. „Das hätte ich ja mitbringen können, dann wären zwei Ecken markiert gewesen.“

„Dann bringst du es eben nächstes Mal mit“, sagte Petra unwillkürlich.

Astrid horchte auf. Nächstes Mal? Das bedeutete ja, daß sie mehr als nur eine Reitstunde bekommen konnte. Sofort fühlte sie sich sehr viel besser, und ihre Aufregung verringerte sich.

Zuerst durfte sie im Schritt am Zaun entlangreiten. Petra erklärte, was sie mit Händen und Füßen tun mußte und wie man richtig im Sattel sitzt. Das Pony ging folgsam vorwärts und bog in den Ecken der Bahn von selbst ab. Während der ganzen Zeit lauschte Astrid auf das Radio, um sich zu orientieren. Sie versuchte zu erraten, wie weit es bis zur nächsten Ecke war. Es war nicht leicht, aber es machte ihr Spaß.

„Das Lämmchen da scheint uns zuzusehen“, sagte Lena plötzlich.

„Ja, das ist Däumling“, erwiderte Petra. „Eines unserer Mutterschafe bekam im Frühling drei Lämmer. Aber die Milch reichte nur für zwei, so daß ich das kleinste mit dem Fläschchen füttern mußte. Es war damals so winzig, daß ich es Däumling taufte. Eine Zeitlang konnte es prima zwischen allen Zaunlatten durchkriechen, aber jetzt ist es zu groß dafür. Es ist mir wie ein kleiner Hund überallhin gefolgt.“

„Ist es dir auch nachgelaufen, wenn du geritten bist?“ fragte Astrid.

„Nein. Svala hat es einmal gebissen; seitdem hat sich Däumling immer in sicherer Entfernung gehalten.“

Plötzlich merkte Astrid, wie das Pony stehenblieb und zu erstarren schien.

„Svala!“ rief Petra scharf.

Im gleichen Augenblick begann der Sattel so gewaltig zu schaukeln wie ein Ruderboot auf hoher See. Svalas Hinterhufe wirbelten durch die Luft und trafen einen Zaunpfahl, der mit scharfem Krach entzweibrach. Astrid hörte ein erschrockenes Blöken, das sich rasch in der Ferne verlor.

Dann machte Svala einen Ruck, blieb von neuem unvermittelt stehen und bewegte sich eifrig vor und zurück. Verzweifelt klammerte sich Astrid am Sattel fest. Scheute das Pony? Oder machte es Luftsprünge? Astrid wußte es nicht, doch sie fühlte sich wie ein Klecks Butter auf einer heißen Kartoffel. Jeden Augenblick konnte sie abgeworfen werden.

„Ruhe, Svala, beruhige dich doch!“

Petras Stimme war nun direkt neben Astrid. Was war nur geschehen? Astrid war vor Schreck wie gelähmt.

„So, jetzt … komm nur!“

Petra stieß die Worte wie unter einer gewaltigen Anstrengung hervor. Plötzlich machte Svala einen Riesensatz vorwärts, und Astrid hörte ein Krachen. War Petra gefallen? Nun stand das Pony wieder ruhig da.

Astrid klammerte sich noch immer krampfhaft am Sattel fest, während sie mit den Füßen nach den Steigbügeln angelte. Sie hatte nicht gewußt, daß Svala so erschreckend stark war. Sie fühlte sich völlig hilflos. Das Pony konnte ja alles mögliche mit ihr anstellen!

„Was ist passiert?“ keuchte sie.

„Svala hat nach Däumling ausgeschlagen und ist mit dem Huf im Zaun steckengeblieben“, erklärte Petra. „Ich mußte ihr helfen, wieder loszukommen. Hoffentlich wird ihr das eine Lehre sein.“

„Warum hat sie denn ausgeschlagen?“ fragte Lena.

„Svala haßt Däumling. Ich glaube fast, sie ist eifersüchtig, weil ich mich so viel mit dem kleinen Wollknäuel beschäftigt habe.“

„Aber sie hat das Lämmchen doch hoffentlich nicht getroffen?“ Astrids Stimme klang ängstlich.

„Ich glaube nicht. Mal sehen, ob Däumling etwas fehlt … Nein, soweit ich sehen kann, ist er ganz munter.“

„Hat dein Pony den Zaun zerbrochen?“ fragte Astrid. „Es klang jedenfalls so.“

„Ach, es war nur ein morscher Pfosten. Man kann leicht einen neuen einsetzen. Wollen wir weitermachen?“

„Aber ich falle aus dem Sattel, wenn Svala wieder ausschlägt!“

„Du hast dich doch wunderbar gehalten“, widersprach Petra. „Und Däumling ist zu den anderen Schafen zurückgelaufen. Also gibt’s für Svala keinen Grund mehr, wütend zu werden.“

„Könntest du sie jetzt führen?“ bat Astrid. „Wenigstens für kurze Zeit.“

„Ja, wenn du willst. Dann können wir ausprobieren, wie’s mit dem Traben geht.“

Traben! Astrid spürte, wie sich ihr Magen angstvoll zusammenkrampfte, doch sie sagte nichts. Sie mußte einfach reiten lernen und wollte sich nicht fürchten. Keiner durfte wissen, welche Angst sie hatte – nicht einmal Lena!

Petra gab sich alle Mühe, zu erklären, was ein Reiter beim Trab zu tun hätte, doch Astrid schaffte es nicht, den richtigen Takt zu finden. Sie hopste nur auf und ab, und ihre Hände zerrten am Zügel, bis Petra danach griff, damit sich die ruckartigen Bewegungen nicht auf Svalas weiches Maul übertrugen. Dann aber fiel ihr plötzlich etwas ein.

„Lena, würdest du Svala eine Zeitlang führen?“

Lena übernahm die Zügel, während Petra zurücktrat und Astrid im Takt mit Svalas Schritten abwechselnd hochstemmte und niederdrückte.

„Auf – nieder, auf – nieder“, kommandierte sie und fügte nach einigen Minuten hinzu: „So, versuch es jetzt selbst.“

Astrid kam zwar noch ein paarmal aus dem Takt, hatte nun jedoch begriffen, wie man es machte.

„Ist es so richtig?“

„Ja, prima!“ rief Lena. „Manche brauchen viele Stunden, ehe sie mit dem Leichttraben zurechtkommen.“

Natürlich hob sich Astrid noch immer zu hoch aus dem Sattel, doch sie schaffte es so gut, wie man es von einem Anfänger nur erwarten konnte.

Nach der Reitstunde kehrten sie zum Stall zurück.

„Wie sattelt man ab?“ fragte Astrid.

Petra erklärte es ihr mit viel Geduld. Astrid durfte Svala auch die Trense abnehmen, obwohl sie selbst daran zweifelte, ob sie beim nächsten Mal noch wissen würde, wie man das machte.

„Soll ich Svala in die Box bringen?“ fragte Lena.

„Nein, ich wollte sie auf der Kälberweide grasen lassen“, erwiderte Petra. „Ihr könnt euch beide auf ihren Rücken setzen, während ich sie hinführe. Wenn ihr wollt natürlich.“

„Ohne Sattel?“

„Ja, warum nicht?“

So schaukelten die Schwestern sacht auf dem Pferderücken dahin – Astrid vorn und Lena hinter ihr. Astrid streichelte den warmen Pferdehals mit der einen Hand und hielt sich mit der anderen an der Mähne fest. Es war schön, die Bewegungen des Ponys unter sich zu spüren.

Svala ist ein liebes und feines Pferd, dachte Astrid, und es ist albern, sich vor ihm zu fürchten.

Aber ein wenig Angst hatte sie doch; sie konnte es nicht ändern. Anschließend vereinbarten die Mädchen einen Zeitpunkt für die zweite Reitstunde, die in einigen Tagen stattfinden sollte.

„War es nun so schön, wie du es dir vorgestellt hast?“ fragte Frau Johanson auf der Heimfahrt.

„Ja, das war es. – Nein, eigentlich viel, viel schöner“, erwiderte Astrid. Und man merkte an ihrer Stimme, daß sie es ernst meinte.

Petra und der Reiterhof

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