Читать книгу Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström - Страница 7
Ein neues Pferd im Stall
ОглавлениеPetra machte ein verdutztes Gesicht. Es dauerte eine Weile, ehe sie begriff, was Astrids Mutter meinte.
„Aber … aber wieso bezahlen Sie mich denn?“
„Warum nicht? Wir zahlen ja auch für Lenas Unterricht in der Reitschule.“
„Aber ich bin doch keine Reitlehrerin“, protestierte Petra. „Karin ist für den Unterricht ausgebildet, und es ist ihr Beruf, aber ich kann ja überhaupt nichts!“
„Petra wollte kein Geld damit verdienen“, stimmte Frau Granberg zu. „Das war bestimmt nicht ihre Absicht.“
„Trotzdem können wir nicht einfach herkommen und Petra und ihr Pony so ganz ohne Bezahlung beanspruchen“, sagte Frau Johanson bestimmt. „Nicht, wenn Astrid so oft und regelmäßig reiten darf, wie sie sich das wünscht.“
„Du kannst es doch nehmen, Petra“, bestätigte Astrid. „Ich finde, du machst deine Sache großartig, und Svala ist so lieb.“
Petra meinte trotzdem, daß sie nicht den gleichen Preis wie die Reitschule nehmen konnte, und man einigte sich auf fünf Mark pro Stunde.
„Hallo, willst du auch mit zum Tanz kommen?“
Petra und Rosemarie trafen sich auf dem Weg zum Festplatz. Schon von weitem hörte man Musik, und bald waren sie am Ziel. Petra traf viele alte Bekannte, doch auch neue Freunde, die sie kennengelernt hatte, seit die Reitschule eröffnet worden war. Noch standen viele Bänke und Stühle leer, und Petra bemerkte sofort, daß Klaus und eine der Verelius-Zwillinge gerade miteinander Walzer tanzten. Sie wußte schon seit langem, daß sowohl Charlotte als auch Agneta ein Auge auf Klaus geworfen hatten. Er dagegen schien die Sache eher amüsant zu finden und zog die Zwillinge ein wenig auf, indem er einmal die eine, dann wieder die andere ermunterte. Petra wußte nicht recht, was sie von ihm halten sollte.
Dann wurde sie von einem Nachbarssohn aufgefordert, und nach einer Weile sah sie Rosemarie mit einem blonden Jungen tanzen. Die Birken und Fliederbüsche standen unbeweglich am Rand der Tanzfläche, und ein lauer Wind glitt lautlos durch die Baumwipfel.
Petra saß eine Weile auf einer Bank und sah den Tanzenden zu. Plötzlich hörte sie hinter sich eine Stimme: „Willst du mit mir tanzen?“
Sie sah sich um. Es war Klaus.
Zusammen gingen sie auf die Tanzfläche, wo es nun schon ziemlich eng wurde. Doch Klaus tanzte gut und wich den anderen Paaren geschickt aus. Als die Musik verstummte, fragte er Petra, ob sie weiter mit ihm tanzen wollte.
„Das wird wohl jetzt ein Tango“, fügte er hinzu, als die Musik wieder zu spielen begann.
„Oh, den kann ich aber nicht so besonders gut.“
„Macht nichts, es ist überhaupt nicht schwierig“, versicherte Klaus und schwenkte sie herum. Petra kam aus dem Takt, lachte und versuchte es wieder. Bald ging es jedoch besser, und die Sache begann Petra richtig Spaß zu machen.
Plötzlich verfing sie sich in den Füßen eines anderen Tänzers. Sie verlor das Gleichgewicht und fürchtete eine Sekunde lang, zu stürzen. Doch statt dessen fiel das andere Paar um. Petra sah, wie ein fremder Junge und Charlotte – nein, Agneta! – auf dem Boden lagen und sich schnell wieder aufrafften. Agneta warf einen mörderischen Blick in Petras Richtung, während sie Klaus’ Entschuldigung mit freundlichem Lächeln entgegennahm.
„Darf ich dich zu einer Limonade einladen?“ fragte Klaus schließlich, als sie ganz erhitzt vom Tanzen waren.
„Das wäre prima, danke.“
Nach der Erfrischungspause tanzten sie wieder, bis Petra beschloß, nach Hause zu gehen. Sie wußte ja, daß sie am nächsten Morgen genauso früh aufstehen mußte wie sonst auch.
„Schade, daß du schon gehst“, sagte Klaus. „Wir sehen uns morgen im Reitstall.“
„Ja, tschüs, es war ein schöner Abend.“
Petra ging allein durch die helle Sommernacht heimwärts. Sie versuchte sich darüber klarzuwerden, weshalb Klaus fast nur mit ihr getanzt hatte.
War es vielleicht eine neue Art, die Zwillinge Verelius zu ärgern? Petra wünschte sich von ganzem Herzen, daß dieser Verdacht nicht zutraf.
Während der folgenden Zeit ritt Astrid mehrmals wöchentlich, und wenn das Wetter schön war, sah ihre Mutter für gewöhnlich beim Unterricht zu. Für das Geld, das Petra dabei verdiente, konnte sie selbst in der Reitschule Dressurstunden nehmen. Sie hatte jedoch noch immer das Gefühl, etwas zu bekommen, was ihr eigentlich nicht zustand. Es machte ihr Freude, Astrids Fortschritte zu beobachten, und Petra tat es bestimmt nicht wegen des Geldes. Die Folge war, daß sie die Zeit oft überzog, so daß die Stunden länger als vereinbart wurden.
Doch es machte ihr natürlich auch Spaß, auf den Pferden der Reitschule zu reiten. Karin hatte ja gesagt, daß man mehr lernte, wenn man auf verschiedenen Pferden ritt und nicht nur immer auf einem bestimmten.
Beim nächsten Klubtreffen wurde das Programm für die Einweihungsfeier festgelegt. Man wollte eine Quadrille, Voltigereiten und einen Spiegelritt vorführen, falls alles nach Wunsch verlief.
„Um welche Zeit reitest du morgen, Petra?“ fragte Klaus plötzlich. „In der Reitschule, meine ich.“
„Um zwei Uhr. Rosemarie und noch zwei Mädchen sind auch mit in der Gruppe.“
„Ach so, dann sind die Pferde natürlich schon alle ausgebucht.“
„Nein, das glaube ich nicht“, warf Karin lächelnd ein. „Komm morgen nur her, wenn du mitmachen willst, Klaus, dann wollen wir mal sehen, was sich machen läßt.“
„Hat denn jemand abbestellt?“ fragte Klaus.
„Nein, nicht daß ich wüßte“, erwiderte Karin.
Alle machten neugierige Gesichter, aber die Reitlehrerin sagte nichts mehr. Agneta und Charlotte schienen eingeweiht zu sein, doch sie behielten ihr Wissen für sich.
Am nächsten Tag, als Petra auf dem Rad zur Reitschule fuhr, sah sie, wie ein Lastwagen mit Pferdeanhänger vor dem Stall hielt. Ihre Vermutung hatte also wirklich gestimmt: Die Reitschule sollte ein neues Pferd bekommen!
Klaus war bereits zur Stelle. „Hallo, da kommt wohl ein Pferd für mich“, sagte er und lächelte Petra zu.
„Hallo!“ Petra lächelte flüchtig zurück.
Ein Fahrer und ein Pferdepfleger stiegen aus dem Wagen, und Karin kam aus dem Stall, gefolgt von einem Schwarm Mädchen. Alle versammelten sich neugierig im Halbkreis um das Transportauto, während die beiden Männer die Laderampe anlegten.
„Wohin soll ich sie bringen?“ fragte der Pferdepfleger, ehe er im Anhänger verschwand.
„In die erste Box auf der rechten Seite“, erwiderte Karin. „Geht jetzt zur Seite, Mädels, damit wir Platz haben.“
Der Halbkreis vergrößerte sich widerwillig. Der Pferdepfleger tauchte wieder auf und führte eine schlanke Schimmelstute mit sich. Sie schritt würdevoll wie eine Königin über die Laderampe, wandte den Kopf nach rechts und links und sah sich in der neuen Umgebung um. Ihre Ohren bewegten sich unablässig vor und zurück.
Aber sie ist kein bißchen ängstlich oder nervös, dachte Petra, nur lebhaft und interessiert.
Ohne Zögern ging die Schimmelstute mit geschmeidigen Schritten in den Stall. Karin, Petra, Klaus und die Mädchen folgten ihr und beobachteten sie genau.
„Wie heißt sie?“ fragte Petra nach einer Weile.
„Polly“, erwiderte Karin. „Sie ist vier Jahre alt und kommt direkt von der Rennbahn.“
Als Fahrer und Pferdepfleger wieder abgefahren waren, verteilte Karin die Pferde für die Stunde.
„Darf ich Ballade reiten?“ fragte Rosemarie.
„Ja, meinetwegen. Klaus, du kannst heute Rex nehmen.“
„Nicht Polly? Das wäre viel spannender“, meinte Klaus.
„Nein, ich möchte lieber, daß Petra sie ausprobiert.“ Karin wandte sich nun an die beiden Jüngsten in der Gruppe. „Und ihr nehmt Puppe und Troll. Fangt jetzt gleich an, die Pferde zu satteln. Polly bekommt den Sattel mit dem blauen Woilach, der ganz hinten im Sattelraum hängt.“
Polly nickte nicht gerade begeistert, doch Petra ging entschlossen in die Box und legte ihr den Sattel sanft auf den Rücken. Die Trense paßte nicht richtig; sie mußte etwas mehr festgezogen werden. Die Schimmelstute ließ es ruhig mit sich geschehen, doch als Petra den Sattelgurt nachziehen wollte, zuckte das Pferd zurück.
Petra faßt den Gurt fester und begann zu ziehen. Plötzlich sah sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung und streckte unwillkürlich schützend den Ellbogen vor. Dabei stieß sie gegen die Vorderzähne der Stute.
„Ach, du hast es also nicht gern, wenn man den Sattelgurt anzieht?“ fragte Petra, während sie den Riemen langsam enger spannte.
Polly versuchte auszuweichen. Sie hatte die grauschimmernden Ohren zornig zurückgelegt. Nun schnappte sie in die Luft, versuchte jedoch nicht noch einmal, Petra zu beißen.
Kurz darauf gingen die fünf Pferde langsam um die Reitbahn, und Petra freute sich an den langen, geschmeidigen Schritten der neuen Stute.
„Dürfen wir heute auch springen?“ fragte Klaus.
„Bestimmt nicht, solange du keine Reitkappe aufgesetzt hast“, sagte Karin. „Wenn du dir nicht selbst eine kaufen willst, leihe ich dir die meine. Aber heute wird nicht gesprungen.“
Petra merkte bald, daß Polly nicht Dressurreiten konnte. Sie wirkte noch recht untrainiert, war jedoch gehorsam und leicht zu reiten. Dagegen legte die Stute jedesmal die Ohren zurück, wenn ihr eines der anderen Pferde zu nahe kam.
„Das hat ja richtig gut geklappt, Petra“, sagte Karin nach der Reitstunde. „Wenn Polly sich erst eingewöhnt hat, wird sie bestimmt recht brauchbar sein.“
„Wollen wir zum Kiosk fahren und Eis kaufen?“ rief Klaus dazwischen.
„Ich möchte schon, aber ich muß leider sofort nach Hause“, erwiderte Petra. „Astrid kommt; sie hat heute ihre Reitstunde.“
„Astrid? Wer ist das?“
Petra sah ihn verdutzt an. Sie meinte, ihm schon von Astrid erzählt zu haben. Täuschte sie sich, oder hatte er es bereits wieder vergessen?
„Astrid ist ein blindes Mädchen, dem ich auf Svala Reitunterricht gebe.“
„Ach so. Aber hast du’s so eilig? Sie kann doch sicher ein bißchen warten.“
„Nein, ihre Mutter bringt sie im Auto her, und da müßten sie ja beide warten.“
„Na ja, dann vielleicht ein andermal.“
„Ja, gern. Tschüs, ich muß jetzt los!“
Als Petra zu Hause eintraf, waren die Johansons bereits gekommen. Petra fand die Schwestern am Zaun der Kälberweide, wo sie Svala mit Karotten fütterten.
„Darf ich Svala zum Stall führen?“ fragte Astrid.
Beim Gedanken an die bevorstehende Reitstunde hatte Astrid wieder einmal ein seltsam flaues Gefühl im Magen. Sie liebte es, das Pony zu striegeln und es zu satteln, doch das Reiten selbst … Immer wieder sagte sie sich, daß es kein bißchen gefährlich sei, doch es half nichts. Sie ritt gern, schaffte es aber nie, sich dabei richtig sicher zu fühlen. Weshalb konnte sie nicht wie Lena sein, die sich beim Reiten nie fürchtete? Dabei ritt sie auf viel größeren Pferden als Svala und war schon zweimal gestürzt.
Diesmal schlug Petra vor, daß Astrid Leichttraben üben sollte.
„Das mußt du können, wenn du ausreitest“, erklärte sie.
„Ausreiten? Glaubst du, daß ich das jemals schaffen kann?“ fragte Astrid.
„Ja, das glaube ich. Svala würde sicher einfach dem vorangehenden Pferd folgen. Aber zuerst mußt du galoppieren lernen.“
Von diesem Tag an hatte Astrid ein bestimmtes Ziel, für das sie arbeitete. Wenn sie es schaffte, bei einem Ausritt mitzumachen, würde sie sich nicht länger wie eine Anfängerin fühlen. Es kam ihr wie eine Art Prüfung vor.
Astrid strengte sich nun fast noch mehr an als vorher, und Petra gab sich große Mühe, ihr alles zu erklären. Sie konnte ihr ja nicht zeigen, wie man es machte.
Glücklicherweise war Svala brav und willig. Das Pony versuchte nie, Astrid abzuwerfen, doch eines Tages fiel das blinde Mädchen trotzdem vom Pferd. Das war, als sie zum erstenmal galoppieren sollte.
„Eigentlich sitzt man besser im Galopp als im Trab“, sagte Petra, nachdem sie die Galopphilfen erklärt hatte. „Versuch es jetzt einmal. Treib Svala ein bißchen an, damit sie aufwacht. Nein, zieh die Zügel nicht noch straffer an! Das ist überhaupt nicht notwendig – so furchtbar schnell geht es ja nicht. Beug dich nicht vor. Der äußere Schenkel liegt hinter dem Gurt! Ja, so!“
Die kurzen Stöße verschwanden, und Astrid kam es vor, als würde sie auf Wolken schaukeln. Sie galoppierte, und es war, als flöge sie! Berührten die Hufe wirklich den Boden? Es war ein ganz neues und herrliches Gefühl, doch sie konnte es nicht lange auskosten, da Svala das Tempo plötzlich verringerte und das weiche Schaukeln wieder von den harten Stößen des Trabes abgelöst wurde.
„Na, jetzt hast du aber geträumt!“ Petra lachte. „Du mußt sie antreiben, sobald sie langsamer wird. Versuch’s noch einmal!“
„Oh, das war herrlich!“
Svala fiel wieder in Galopp, und Astrid versuchte sie weiter anzutreiben. Doch sie war noch nicht an den Rhythmus des Galopps gewöhnt und verlor den einen Steigbügel. Svala drehte ruhig und gesittet eine Runde, doch dann setzte es sich das Pony plötzlich in den Kopf, daß es quer durch die Bahn abkürzen könnte, statt die Ecken ordentlich durchzureiten.
Astrid war völlig unvorbereitet, als Svala unvermittelt aus der Viereckspur ausbrach. Sie glitt im Sattel zur Seite, verlor den Halt – und fiel mit einem Plumps zu Boden!