Читать книгу Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström - Страница 6

Ein Ausritt im Sturm

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Am gleichen Abend traf sich der neugegründete Reitklub zum erstenmal, und Petra war natürlich mit dabei. Am wichtigsten war die Wahl des Klubvorstandes. Dann ging es um die Einweihungsfeier der Reitschule. Als Datum wurde der erste Samstag im September festgesetzt.

„Wir haben an ein Programm mit Wettkämpfen und Reitvorführungen gedacht“, sagte Herr Verelius.

„Ich möchte den Vorschlag machen, ein paar von den jungen Leuten ins Festkomitee aufzunehmen“, warf Karin ein. „Sie könnten Anregungen geben und bei der Planung helfen.“

Herr Verelius nickte, und aus den Reihen der jungen Reiterinnen und Reiter wurde scheue Zustimmung laut.

„Wer von euch soll also ins Komitee? Wie wär’s mit Vorschlägen?“ fragte Karin.

„Agneta und Charlotte“, piepste jemand.

„Klaus“, schlug Agneta vor.

„Und wer sonst?“ wollte Karin wissen.

„Rosemarie Engholm“, sagte Petra.

„Petra!“

Petra wandte sich überrascht um. Astrid hatte den Vorschlag gemacht. Und tatsächlich wurden alle fünf, die genannt worden waren, ins Festkomitee gewählt.

„Habt ihr fünf Zeit, morgen abend um halb sieben zu mir zu kommen?“ fragte die Reitlehrerin. „Dann können wir ausführlich über die Einweihungsfeier sprechen.“

Am darauffolgenden Abend brach Petra zeitig auf. Es war lau und windstill; das einzige, was sich bewegte, waren die Räder ihres Fahrrads, die im Kies knirschten.

Karin wohnte in einem kleinen Haus nicht weit von der Reitschule entfernt. Seit ihrem Einzug hatte sie das ganze Häuschen innen und außen frisch gestrichen. Sie war jedoch noch nicht dazu gekommen, den Garten in Ordnung zu bringen. Er sah richtig verwildert aus.

Petra lehnte ihr Fahrrad gegen den Zaun und ging den schmalen Pfad zum Haus entlang. Die anderen waren noch nicht gekommen. Karin deckte gerade den Tisch.

„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte Petra.

„Ja, danke, du kannst das Brot schneiden – es liegt dort drüben im Korb. Bist du mit heiler Haut durch den Garten gekommen? Wenn ich nur wüßte, woher all die Brennesseln kommen! Ich muß mich wirklich einmal um das Unkraut kümmern, sobald ich Zeit habe. Ich würde nämlich gern einen Gemüsegarten aus der Wildnis machen.“

Karin war nett, fröhlich und gesprächig. Petra mochte sie gern und vergaß meistens ganz, daß sie nicht gleichaltrig waren. Karin war vierundzwanzig; eigentlich bestanden neun Jahre Altersunterschied zwischen ihnen.

„So, jetzt brauche ich nur noch das Teewasser aufzusetzen“, sagte Karin, als der Tisch gedeckt war. „Hast du übrigens Lust, morgen vormittag bei einem zweistündigen Ritt mitzumachen? Wir wollten zum Kärrsee reiten und dort baden.“

„O ja, gern. Das klingt prima.“

In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft. Es war Rosemarie Engholm. Zehn Minuten später waren alle eingetroffen und saßen um den Tisch versammelt.

Petra sah sich um. Ihr gegenüber, auf dem alten Sofa, saßen die Zwillinge. Sie glichen einander wie ein Ei dem anderen, doch Agneta hatte ihr blondes Haar in weiche Locken gelegt, während Charlotte einen Pferdeschwanz trug. Die Zwillinge hatten hellblaue Augen und unglaublich glatte Haut. Beide trugen elegante weiße Hosen und geblümte Blusen.

Klaus saß ebenfalls auf dem Sofa, da Karin nur drei Stühle hatte. Er war mit seinen achtzehn Jahren der älteste von den fünf Reitschülern. Gut sah er aus; er hatte gleichmäßige weiße Zähne und blondes Haar, doch seine Augenbrauen waren dunkel. Eigentlich kam er nicht aus dieser Gegend; er wohnte nur den Sommer über hier bei Verwandten.

Rosemarie war dreizehn, ein knappes Jahr älter als Astrid, und hatte zwei Jahre beim Rittmeister reiten gelernt. Sie war ein kleines, dralles Mädchen mit dunklen Haaren und schwarzen munteren Augen, die an ein Eichhörnchen erinnerten.

Petra hoffte, daß sie sich alle fünf gut verstehen würden. Sie würden ja nun während des ganzen Sommers viel beisammen sein.

„Bitte, bedient euch“, sagte Karin und ließ die Teekanne und die Platte mit Aufschnitt herumreichen. „Wir wollen gleich zur Sache kommen. Herr Verelius und ich würden beim Fest gern vormittags ein paar Reitvorführungen zeigen und nachmittags Wettkämpfe veranstalten.“

„Dressur und Springen, nicht?“ fragte Agneta.

„Ja.“

„Agneta und ich werden an der Dressur und beim Springturnier teilnehmen“, verkündete Charlotte selbstsicher.

„Ja, natürlich müssen wir versuchen, unseren Klub in ein gutes Licht zu rücken“, erwiderte Karin lachend. „Ich habe selbst vor, mich mit Rex an den Wettkämpfen zu beteiligen, und Puppe und Ballade können wohl die C-Bahn ohne größere Schwierigkeiten schaffen.“

„Das kann Svala auch“, warf Petra ein.

Sie hatte noch nie bei einem Wettkampf mitgemacht, wußte jedoch, daß ihr Pony gut springen konnte.

„Wäre es nicht am besten, wenn die Klubleitung sich um die Wettkämpfe kümmert?“ fragte Klaus. „Nachdem sowohl die Zwillinge als auch Petra daran teilnehmen wollen, meine ich.“

„Genau das wollte ich eben vorschlagen“, erwiderte Karin. „Wir von der Klubleitung sind mit den Plänen für die Wettkämpfe schon ziemlich weit gekommen.“

„Und welche Vorführungen sollen gezeigt werden?“ fragte Rosemarie.

Karin lächelte. „Das sollt ihr euch überlegen. Natürlich werde ich euch helfen, wenn es nötig ist; zum Beispiel, falls ihr eine Quadrille einüben wollt. Die Pferde der Reitschule stehen euch zur Verfügung, und ich kann euch auch behilflich sein, die geeigneten Reiter auszuwählen. Ich sehe ja während der Stunden, was die einzelnen Leute können.“

„Eine Quadrille wäre nicht schlecht“, meinte Rosemarie. „Troll wäre auch das richtige Pferd, um Zirkuskunststücke vorzuführen.“

Eine lebhafte Diskussion entstand, bei der viele verschiedene Möglichkeiten besprochen wurden, und es war spät, als Petra wieder nach Hause fuhr.

Petra war wie gewöhnlich um halb sieben Uhr morgens auf den Beinen.

Ihr Pony wieherte lautstark zur Begrüßung, als sie in den Stall kam.

„Hallo, Svala, möchtest du ein bißchen Hafer?“

Petra summte fröhlich vor sich hin, während sie ihr Pony striegelte und die Box ausmistete. Als sie fertig war, ging sie in den Kuhstall und machte auch dort sauber. Das gehörte zu ihren Pflichten, während ihr Vater das Melken besorgte. Anschließend führte sie die Kühe auf die Weide. Sie ritt ohne Sattel auf Svala und brachte ihr Pony zu den Kälbern auf die Wiese hinter der Kuhweide.

Da der Ausritt nicht vor zehn Uhr beginnen sollte, arbeitete Petra noch einige Zeit im Gemüsegarten, ehe sie sich mit Svala auf den Weg zur Reitschule machte.

Na, ein großer Verdienst kann das heute für die Reitschule nicht sein! dachte Petra unwillkürlich, als die Reiter vor dem Stall aufsaßen. Nur drei der sieben Teilnehmer waren zahlende Kunden, nämlich zwei kleine Mädchen auf Puppe und Troll und Klaus auf dem vierjährigen Fuchs Ballade. Karin ritt mit Rex an der Spitze, und die Zwillinge Verelius waren ebenfalls mit von der Partie.

„Ist das eine Hitze!“ stöhnte Agneta. „Ich freue mich schon aufs Baden.“

„Du hättest eine Reitkappe aufsetzen sollen, Klaus“, sagte Karin tadelnd.

„Bei dieser Hitze? Nie im Leben! Ich falle schon nicht vom Pferd“, erwiderte Klaus grinsend.

Die drückende Schwüle machte die Pferde ziemlich träge, ausgenommen Ballade, der aus irgendeinem Grund unruhig war. Fleur, Agnetas nervöse Stute, ging vor Ballade. Sie scheute jedesmal fast, wenn der Wallach wieder einen Satz machte. Petra konnte ein schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken. Den Platz vor Klaus hatte Agneta selbst gewählt. Sie hatte sich sogar zwischen ihn und Charlotte gedrängt, als sie aufgebrochen waren.

Nach einem Ritt, der trotz allem recht friedlich verlief, sahen sie den Kärrsee zwischen den Baumstämmen glitzern. Der Boden wurde nun ziemlich sumpfig, und die Hufe der Pferde versanken im Morast. Bald folgten sie dem Pfad, der am Ufer entlangführte, bis sie auf festeren Boden kamen und ein Stück Sandstrand erreichten.

„Absitzen!“ befahl Karin.

Minuten später waren alle in ihre Badesachen geschlüpft, und die Pferde standen unter den Bäumen. Doch während die Reitgesellschaft badete, türmten sich drohende Wolken am Himmel über dem See. Charlotte warf einen Blick zum Horizont und sagte: „Da kommt ein Gewitter, glaube ich.“

„Ja, wir müssen uns wohl ein bißchen beeilen“, erwiderte Karin. „Es wird bald zu regnen anfangen.“

Als sie losritten, fielen die ersten Tropfen. Plötzlich erklang ein gewaltiger Donnerschlag, und im nächsten Augenblick begann es wie aus Kannen zu gießen. Ballade vollführte einen Satz, stürmte aus der Reihe und hielt am Seeufer so plötzlich an, daß Klaus vornüberfiel und sich an der Mähne des Pferdes festklammern mußte. Puppe folgte dem Wallach, warf sich jedoch zur Seite, als Ballade stehenblieb, und landete im seichten Wasser.

„Wer hat behauptet, daß er nicht vom Pferd stürzt?“ fragte Karin trocken.

„Ich bin ja auch nicht gestürzt, nur beinahe“, rief Klaus zurück, während er wieder in den Sattel zurückrutschte.

In diesem Augenblick erklang ein lautes Platschen und ein Schrei. Puppe steckte im Schlick fest und war umgefallen, als die Reiterin versuchte, das Pferd wieder ans Ufer zu treiben.

„Hilfe, Puppe kommt nicht hoch!“ rief das Mädchen und zerrte an den Zügeln.

Karin sprang ab, warf Petra Rex’ Zügel zu und lief zum Ufer.

„Nein, bleib weg mit Ballade“, rief sie Klaus zu, der ebenfalls helfen wollte. „Sonst steckt dein Pferd am Ende auch noch fest!“

Gerade als Karin das Ufer erreichte, machte Puppe erneut einen heftigen Ruck. Die Reitlehrerin griff nach dem Pferdehals und zog gleichzeitig.

Diesmal hatten sie Glück, denn Puppe kam zappelnd auf die Beine und stolperte an Land.

„Geschafft!“ keuchte Karin. „Jetzt wird es Zeit, daß wir nach Hause reiten!“

Ihre Worte gingen in einem neuen Donnerschlag unter, der stärker als der erste war.

„Wenn nun der Blitz einschlägt?“ jammerte das Mädchen, das auf Troll ritt. „Ich habe Angst!“

„So gefährlich ist es nicht“, erwiderte Karin. „Sei nur ganz ruhig, sonst wird dein Pferd auch noch nervös.“

„Es gibt doch eine Abkürzung zum Reitstall, Karin“, Warf Petra ein.

„Tatsächlich? Wo denn?“

„Der Pfad dort drüben, der nach rechts führt. Er endet im Wäldchen hinter dem Stall, und man kann zwischendurch ein gutes Stück weit galoppieren.“

„Fein, dann nehmen wir diesen Weg“, bestimmte Karin.

Während sie auf dem schmalen Pfad dahintrabten, der anfangs ziemlich unwegsam war, grollte der Donner, und die Regenschauer hielten an. Nach einer Weile wurde der Pfad besser, und sie galoppierten durchs hohe Gras. Svala schnaubte eifrig; es gefiel ihr, zusammen mit anderen Pferden zu galoppieren. Ballade stolperte über einen Grasbuckel, doch Klaus schaffte es, den Wallach wieder in die Gewalt zu bekommen.

Plötzlich lag ein dünner Fichtenstamm quer über dem Pfad.

„Der Stamm ist nicht hoch“, rief Karin. „Wir springen!“

Rex überwand das kleine Hindernis mit Leichtigkeit, und die anderen Pferde folgten. Svala zog die Beine an und sprang gerade so hoch, wie es nötig war.

„Halt, wartet!“ rief das Mädchen auf Troll plötzlich.

Karin zügelte Rex, und Petra streichelte den nassen Hals ihres Ponys. Das Mädchen auf Troll saß auf dem Widerrist und hielt sich krampfhaft an der Mähne fest. Sie hatte die Zügel fallengelassen, doch als alle anderen Pferde stehenblieben, hörte auch Troll auf zu galoppieren und fiel in Schritt.

„Sind wir nicht bald zu Hause?“ fragte das Mädchen ängstlich, während sie sich wieder im Sattel zurechtsetzte.

Arme Kleine, dachte Petra. Sie selbst hatte es nicht eilig. Sie fürchtete sich nicht vor Gewittern, und nasser als sie bereits war, konnte sie nicht mehr werden.

Das Unwetter zog langsam ab, doch es regnete noch immer, als die Reitgesellschaft den Stall erreichte.

Gegen Abend klarte das Wetter auf; am nächsten Morgen aber strömte der Regen wieder vom Himmel. Das war der Tag, den sie für Astrids zweite Reitstunde festgelegt hatten, und Petra fragte sich, ob sie bei diesem Wetter überhaupt kommen würde. Plötzlich klingelte das Telefon. Petra nahm ab.

„Hallo, hier ist Astrid. Reiten wir heute? Mama meinte, du würdest die Stunde wohl ausfallen lassen.“

„Das kommt auf dich an“, erwiderte Petra. „Aber ich weiß nicht, wie wir es diesmal mit den Ecken machen sollen. Wir können das Radio und das Tonbandgerät ja nicht im Regen aufstellen.“

„Ach, daran habe ich nicht gedacht. Aber hör mal, wenn Lena mitkommt, könnte sie doch in einer Ecke stehen und das Radio unter ihrem Regenmantel halten?“

So bekam Astrid doch ihre zweite Reitstunde. Es gefiel Petra, daß ihre Schülerin soviel Interesse am Reiten hatte, um bei jedem Wetter zu kommen. Und Lena stand geduldig mit dem Radio in einer Ecke der Bahn, während die Mutter der beiden Mädchen im Haus blieb.

Diesmal ritt Astrid während der ganzen Stunde allein. Petra brauchte ihr Pony nicht mehr zu führen. Zwar wollte Astrid sie mehrmals bitten, Svala am Zügel zu nehmen, doch sie unterdrückte jedesmal ihre Furcht und schwieg. Sie merkte, daß sie nicht sehr fest im Sattel saß, und in den Kurven schwankte sie oft, doch es schien ihr auf jeden Fall richtiger, allein zu reiten.

Dann entdeckte sie, daß sie Svala dazu veranlassen konnte, stehenzubleiben und im Schritt oder im Trab wieder loszureiten. Astrid fand es einfach unglaublich, daß das große Tier wirklich tat, was sie von ihm verlangte. Seit langer Zeit hatte ihr nichts solchen Spaß gemacht wie diese Reitstunde. Jedesmal, wenn das Pony ihr gehorchte, hätte sie es am liebsten umarmt.

Anschließend lud Petras Mutter die Mädchen zu Saft und Kuchen ein. Während Petra, Astrid und Lena aßen, zog Frau Johanson plötzlich zwei Zehnmarkscheine aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.

„Das ist für die beiden Reitstunden“, sagte sie.

Petra und der Reiterhof

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