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12.1.2014

Geliebte Zwillingschwester, meine Tara!

Ich bin ab gestern wieder mit Felicitas für die Tagesschicht eingeteilt. Die ist mir immer lieber als Spät- oder Nachtschicht. So muss ich jetzt auch nicht dauernd dem Dr. Dudszinski begegnen, der noch die Nachtschicht übernommen hat. Ich kam heute früh eine halbe Stunde vor Beginn meiner Schicht auf Station, als ich die Tür zu unserem Schwesternzimmer nur angelehnt fand. Ich öffnete sie ganz sacht, und was sah ich? Du wirst es nicht glauben. Elisabeth mit dem Rücken zur Tür saß auf dem Schoß von Marek, während seine Hände sich auf ihrem Rücken auf und ab bewegten. Ich zog mich schnellstens zurück und bereitete mir im Nebenraum einen Kaffee, indem ich mit dem Geschirr absichtlich laut klapperte, damit die beiden hörten, dass sich jemand schon nebenan befindet. Ich war innerlich empört. Nachdem er von mir eine Abfuhr erteilt bekam, macht er sich an meine Kollegin ran. Ist er ein pathologischer Sexbesessener? Wie kann solcher ein Arzt sein? Und vielleicht macht er nicht nur die Krankenschwestern an, sondern auch die ihm gefallenden Patientinnen, denen er, bevor sie entlassen werden, im Vertrauen sagt, dass er kostenfrei zur Nachbehandlung kommen würde, indem er ihnen seine private Handynummer zusteckt. Wer weiß.

Kannst du dich noch an unseren Klassenkameraden Hubert erinnern? Ja natürlich, jener, der immer so aus dem Mund stank. Du weißt ja, was mit seinem Vater, dem Arzt, geschehen war. Dieser war bei einem Hausbesuch mit einer Patientin im Bett, als unvermutet ihr Gatte nach Hause kam und beide in flagranti entdeckte. Er schlug wie wild auf den Arzt ein, sodass dieser bestimmt viele blaue Flecken nebst Nasenbluten und anderes abbekam. Und dieser schwer zugerichtete Arzt und Familienvater setzt sich in das Auto und fährt mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum und ist tot. Ich weiß nicht, wie wir alle in der Klasse von diesem Vorgang erfahren hatten. Und wir behandelten Hubert oft sehr mitleidsvoll, besonders, wenn er so traurig vor sich hinstarrte. Vielleicht war ich ja in einem früheren Leben selbst mal solch ein Mann, weil mir diese Geschichte damals so naheging, aber dir auch.

Ja, man dürfte solche Sexbesessenen auf keinen Fall in Kliniken einstellen. Und als er aus dem Schwesterzimmer trat und mich sah, sagte er: „Guten Morgen, Schwester Leonore. Ich wünsche Ihnen einen reizvollen Tag.“ Was soll denn das wohl bedeuten? Am liebsten hätte ich ihm eine runtergehauen, solch ein Flegel. Und ich sah, wie der Reißverschluss seiner Hose noch nicht ganz hochgezogen war. Und keck, wie ich bin, entgegnete ich: „Passen Sie auf, dass nichts Reizvolles aus dem Hosenstall herausfällt.“ Er schaute hinunter. Drehte sich um und ging in das Ärztezimmer. Elisabeth sah ich, wie sie sich schnell auf unsere Toilette begab, indem sie mir nur ein kurzes „Guten Morgen“ zuwarf. Ich konnte sie nicht mehr sprechen, da ihre Schicht beendet war. Doch als ich in einem Patientenzimmer ein Fenster öffnete, sah ich, wie sie in das Auto von Doktor Dudszinski stieg. Hoffentlich schwängert er sie nicht. Du siehst also, wie abwechslungsreich ein Krankenschwesterndasein sein kann. Ich hoffe, dass ich dir auch mal wieder was Schönes aus meinem Berufsleben zu berichten habe.

Aber dein Leben als Kellnerin einschließlich des Zimmerservices ist ja, wie du mir schriebst, ebenfalls oft spannungsgeladen, vor allem, wenn du nachts noch eine Bestellung auf ein Zimmer zu bringen hast, in welchem sich ein Herr allein aufhält. Wie oft haben dich sicherlich schon Männer angemacht? Und du musstest dich trotz verführerischer Angebote zurückhalten. Doch wie du schriebst, reichst du solchen Herren eine Telefonnummer von einer dir befreundeten Prostituierten, die auf Anruf dann kommt und alle Männerwünsche befriedigt. Hoffentlich ist kein Dr. Dudszinski darunter. Und irgendwann danach rufst du sie an und lässt dir vielleicht berichten, was sie erlebt hatte. Und dann gibt es bestimmt oft einiges zu lachen. Ich habe irgendwo auf einem Buchcover den Titel gelesen: Männer wollen Sex, Frauen wollen reden. Stimmt doch, oder nicht? Gott sei Dank ist es nicht umgekehrt so. Ich bin froh eine Frau zu sein.

Für heute habe ich genug geschrieben. Grüß bitte William ganz herzlich von mir.

Deine dich liebende Leo

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Geliebte Zwillingsschwester

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