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15.2.2014

Meine geliebte Zwillingsschwester, meine Tara!

In der vergangenen Sonntagsausgabe habe ich ein Gedicht gelesen, das mich im Innersten anrührt. Ich habe es schon längst auswendig im Kopf. Und oft wiederhole ich es und spreche es flüsternd vor mich hin. Manches Mal habe ich auch geweint. Warum rührte es mich so an? Haben manche Gedichte magische Kräfte? Ist ein wirklicher Dichter auch insgeheim Magier, Magier der Worte, des Ausdrucks und natürlich des Inhalts? Ich möchte mal wirklich einen Dichter kennenlernen, um herauszufinden, woher er seine magischen Kräfte bezieht. Denn unsere eigenen Gedichte, um es mal deutlich zu sagen, sind Stümpereien. Aber vielleicht sind das kleine Vorbereitungen für ein späteres Leben, wo wir dann nach und nach mit jedem weiteren Leben immer mehr von der Muse der Dichtung bedacht werden. Und wenn wir dann in ferner Zukunft wiedergeboren werden sein sollten, wenn auch ohne verwandtschaftliche Bindungen, dann werden wir wieder von einander lesen und von der Muse der Dichtung zueinander geführt werden, genauso wie Schiller zu Goethe hingezogen wurde. Und hier maile ich dir nun das Gedicht.

Der Dichter

Der Dichter ist der Menschheit Brunnen

in den so manche Träne fällt

und unsere Augen werden lichter

durch Glanz, den er in Händen hält.

Erahnt er doch, was uns verdrießet,

erfühlet er des Menschen Schmerz.

Macht er nicht, dass die Liebe fließet

in unser tränenschweres Herz?

Beugt er sich nicht vor manchem Bilde

und bittet für uns Linderung?

Irrt er nicht durch der Welt Gefilde

und fraget nach des Wehs Warum?

Sucht er denn nicht für uns den Frieden,

da ihm sein eigen Ich nichts wert

und er mit seinem ganzen Lieben

für unser Glück sich selbst verzehrt?

Drum weiset ihm ein wenig Güte

für seine Lieb’ euch zugetan,

denn seines Liedes Herzensblüte

kann nur erglüh’n auf eurer Bahn.

(Verfasser unbekannt)

Was fühlst du, wenn du es gelesen hast? Lese es immer wieder mit deiner ganzen Seele. Ich bin überzeugt, dass dir auch wie mir Tränen kommen. Warum ist der Verfasser unbekannt? Ich hätte sofort, wenn sein Name genannt worden wäre, alles versucht, um mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ja, ein echter Dichter ist Diener der Liebe, der höheren Liebe, versteht sich. Er nimmt großen Anteil an den Kümmernissen der Menschen und versucht herauszufinden, warum alles so ist, wie es sich darstellt. Woher kommt das Leid? Er geht in die Tiefe, um Wahrheiten für uns zu finden. Sein eigenes Ich ist für ihn nicht so wichtig. Wichtiger ist, dem Menschen in seinem Leid seelisch beizustehen, ihn zu trösten, ihm vielleicht auch Antworten zu geben, welchen Sinn das Leid in unserem Leben hat. Die letzte Strophe ist meine Lieblingsstrophe. Ich lasse seines Liedes Herzensblüte gerne in meinem Herzen dankbar erglühen. Denn wahre Dichtungen sind Fingerzeige nach oben. Sie verbinden uns mit dem Göttlichen.

Liebe Tara, lass mich wissen, wie dieses Gedicht auf dich wirkt.

Ich schicke euch meine innigsten Umarmungen.

Eure Leo

***

Geliebte Zwillingsschwester

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