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Geliebte Zwillingsschwester

13.12.2013

Geliebte Zwillingsschwester Tara!

In meiner letzten Mail vor einigen Tagen habe ich dir ja berichtet, was ich hier auf der Intensivstation alles erlebe. Ich hatte mich ja auf diese Station versetzen lassen, da ich weiß, dass viele hier Liegende dem Tode oft ganz nahe sind oder auch schon drüben waren und wieder zurückgekehrt sind. Mich interessiert es, was diese dann bei ihrem Erlebnis als klinisch Tote erlebt haben, möchte ich doch darüber ein Buch veröffentlichen, damit der Leser erfährt, dass wir keine Angst vor dem Tod haben müssen. Es ist sich nicht vorzustellen, was wäre, wenn alle Menschen wüssten, dass man nach dem Tod weiterlebt. Erst gestern wurde uns auf die Intensivstation eine zweiundsechzigjährige Frau gebracht, die reanimiert worden war. Als ich heute Morgen mit Elisabeth ihr Bett machen wollte, saß sie schon trotz der Schläuche in der Nase und am Arm aufrecht im Bett. Sie strahlte über ihr ganzes Gesicht. Und ich sagte: „Sie sehen ja aus, als ob Sie dem Herrgott begegnet sind.“ „Ja“, so entgegnete sie, „so könnte man es nennen.“ Und Elisabeth forderte sie auf, uns mehr zu erzählen. „Ich habe Christus gesehen, ob Sie es glauben oder nicht. Er stand auf einer großen Wiese. Und vor ihm hatten sich viele von uns versammelt. Er sprach zu uns und segnete uns. Es war überwältigend. Und ich wünschte, dass ich ihm die Füße küssen könnte. Und auf einmal, ich weiß nicht, wie es geschah, kniete ich vor ihm und küsste seine Füße.“ Wir beide lauschten gespannt. Sie bat um einen Schluck Tee. Doch plötzlich kam unser Stationsarzt herein und sagte, dass jemand - und er schaute dabei auf mich - von uns zwei auf Zimmer 216 kommen möge. Ich ging nun auf den Gang.

Und als wir dort allein waren, drückte er mir heimlich von hinten die Hand. Mich durchfuhr ein Schrecken. Ich weiß, dass er mich begehrt. Ob er mich heimlich liebt, weiß ich noch nicht. Er sieht gut aus, ist erst Anfang dreißig und heißt Doktor Dudszinski. Ich glaube, seine Eltern sind Polen oder Tschechen. Schade, dass das Gespräch mit jener Reanimierten so plötzlich abgebrochen werden sollte. Vielleicht hat Elisabeth mehr erfahren. Wir konnten uns leider nicht mehr sprechen. Ich werde sie morgen fragen und dir weiterhin berichten.

Wie geht es dir mit deiner (und auch meiner) großen Liebe in Sydney? Hat er dich schon geschwängert? Habt ihr vor, euch zu vermählen? Ich bin so neugierig, was du alles dort als Zimmermädchen in dem Hotel erfährst.

Aus Berlin sende ich dir meine innigsten Umarmungen.

Deine Leo

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