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1.3 Die Stimme der eigenen Kostbarkeit

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Eine Variante der Arbeit mit den sechs Kostbarkeiten besteht darin, die eigene Kostbarkeit mit der Stimme erklingen zu lassen. Notwendig sind dafür Schritte, die dies vorbereiten, also vorhergehende Angebote, in denen die KlientInnen sich mit sich beschäftigen, sich selbst wahrnehmen und nachspüren. Musikalisch Ungeübten bieten wir immer – musikalisch Geübten meistens – vorab an, ihre Achtsamkeit auf ihren eigenen Atem zu lenken, ihre Stimme erklingen zu lassen und so erste Erfahrungen damit zu machen, sich selbst zu hören und hörbar zu werden.

Zum Beispiel:

 „Suche dir einen Platz, setze oder stelle dich bequem hin und höre deinem Atem zu. Verändere nichts an deinem Atem, du brauchst weder versuchen, besonders laut zu atmen, noch, besonders kräftig zu atmen. Höre deinen Atem so, wie er ist … Probiere aus, wie der Atem klingt, wenn du durch die Nase atmest, und wie der Atem klingt, wenn du durch den Mund atmest …“

 „Atme mit geschlossenem Mund aus und lass nun dabei irgendetwas in deinem Hals oder in deinem Mund schwingen, sodass ein Summen entsteht … Probiere verschiedene Klänge des Summens aus … Probiere leisere Töne und lautere, zarte und kraftvolle … Probiere, den Klang eher bei dir zu lassen, in deiner unmittelbaren Umgebung, und probiere, ihn weiter in den Raum zu schicken …“

 „Und nun probiere, wieder beim Ausatmen zu summen und dabei allmählich den Mund zu öffnen. Nimm wahr, welche Klänge, welche Töne entstehen …“„Spiele mit diesen Tönen. Probiere aus, wie du klingst, was aus dir heraus entsteht, ohne dass du dich anstrengen musst. Lass dein Ausatmen erklingen …“

Eine Alternative ist, gemeinsam zu trommeln oder auf Instrumenten mit Quintenstimmung (z. B. Kambele) zu spielen, selbst zu summen zu beginnen und die KlientIn verbal oder nonverbal einzuladen, mitzusummen. Das Summen kann sich dann, wie beschrieben, zu einem Singen steigern.

Solche Einheiten lösen die Scheu und mindern die Scham, die eigene Stimme erklingen zu lassen. Sie bieten eine spielerische Hinführung zum eigenen Klang. Der beschriebene Weg knüpft am Atem an, einem der kostbaren Lebensimpulse des Menschen, und unterstützt so die Suche nach der eigenen Kostbarkeit.

Wir fordern dann auf:

 „Und nun probiere, mit deinen Klängen den Klang zu finden, der das, was du an dir kostbar findest, ausdrückt, den Klang deiner eigenen Kostbarkeit. Geh auf die Suche, probiere, sei wählerisch …“

 „Wenn du den Klang der eigenen Kostbarkeit gefunden hast, unterstütze diesen Klang mit einer bestimmten Haltung oder einer besonderen Bewegung, einer Geste.“

Die Unterstützung mit einer Geste kräftigt in der Regel den Klang, macht ihn eindeutiger, inniger, klarer.

Die Stimme der eigenen Kostbarkeit braucht Gehör. Die Therapeutin oder der Therapeut muss ihn hören – und antworten, die Empfindungen, die Echos, die beim Hören entstehen, zurückmelden. Auch in der Gruppe muss wenigstens eine Person diesen Klang aktiv hören und Resonanz geben, wenn möglich sogar die ganze Gruppe. Für viele Menschen ist es eine Sensation, die Stimme der Kostbarkeit zu finden, und oft sogar eine noch größere Sensation, diesem Klang auch Gehör zu verschaffen.

Auch der Weg zum Klang der eigenen Kostbarkeit ist nicht frei von Schwierigkeiten und Hindernissen. Eine Klientin z. B. war unfähig, auch nur einen Ton der eigenen Kostbarkeit über die Lippen zu bringen. Je mehr sie versuchte, ihre Lippen zu öffnen und ihren Atem erklingen zu lassen, desto mehr verkrampfte sie. Schließlich hielt sie sich ihre Ohren mit den Händen zu. „Ich will das nicht mehr hören. Ich höre ständig die Sätze, dass ich nichts wert bin.“ Ihr Kopf war so voller Abwertungen, dass sie keinen Klang der eigenen Kostbarkeit hervorbringen konnte. Sie musste erst Nein sagen, Nein zu den Abwertungen, Nein zu all dem, was sie nicht mehr hören konnte und wollte. Nachdem dieses Nein deutlich ausgesprochen war, gelang es ihr, ihre eigenen Klänge der Kostbarkeit ertönen zu lassen.

Eine andere Klientin in einer Gruppe ließ einen Ton ihrer Kostbarkeit erklingen, verstummte aber wieder. „Das ist so sinnlos, mich hört ja doch keiner.“ Die Therapeutin ließ zuerst Zeit für die vielen Tränen, die diese Aussage begleiteten, und fragte dann: „Wer soll es hier und jetzt hören?“ Die Klientin benannte die Therapeutin und zwei Teilnehmerinnen aus der Gruppe. Die drei stellten sich vor die Klientin hin, versicherten ihr auf Nachfragen, dass sie Interesse an ihr hatten und gern zuhören wollten – und die Klientin konnte singen.

Eine weitere Klientin war irritiert darüber, dass ihr Klang der Kostbarkeit, als der Atem sich dem Ende zuneigte, immer brüchiger wurde. Sie probierte dieses und jenes aus und haderte mit sich. Als der Therapeut ihr vorschlug, ihren Klang doch etwas eher zu beenden, probierte sie dies und war erleichtert. „Ich neige auch sonst dazu, nicht nur bis zum Ende auszuhalten, sondern auch noch etliche Prozente darüber hinaus. Es ist schon seltsam, dass ich das hier im Atem und im Klang wieder finde.“

Klingen, um in sich zu wohnen 1

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