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Wann man was anbrennen lässt

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Fast überall auf der Welt wird gerne gezündelt: Bei den Osterfeuern am Elbstrand, den Sonnenwendfeuern auf den Alpenkämmen, beim Burning Man Festival in Nevada und beim Regenwaldroden in Brasilien. Die meisten dieser Feuer-Happenings finden in der warmen Jahreszeit statt, in der man sich den eh schon lauschigen Abend mit wär mender Glut noch etwas kuscheliger gestaltet. Nur in Nordfriesland ist das alles etwas anders: Beim Biikebrennen. Dieses findet nämlich traditi onell am 21. Februar statt. Was wieder einmal beweist, dass es für einen echten Norddeutschen kein schlechtes Wetter gibt, nur das falsche Ge tränk. Entlang der Küste zwischen St. Peter Ording und Sylt werden über all Scheiterhaufen errichtet, die in jener besonderen Februarnacht in Flammen aufgehen sollen eine clevere Art der Friesen, ihre alten Weih nachtsbäume und die Berge zerknüllten Geschenkpapiers zu entsorgen. Manchmal kommt es allerdings gar nicht erst zu der rituellen Restmüll verbrennung. Es gehört nämlich zu den schönen Traditionen, den Holz stoß des konkurrierenden Nachbardorfs bereits vor der eigentlichen Bii kenacht abzufackeln.

Der Ursprung des Biikebrennens liegt im Dunkeln. Vermutlich geht es auf einen heidnischen Ritus zurück, mit dem Odin besänftigt, die Winter geister ausgetrieben und die neue Saat geschützt werden sollten. Man cherorts ist es noch heute üblich, Strohpuppen, die den Winter symboli sieren sollen, auf den Biikehaufen zu verbrennen eine Art friesischer Vo doo-Zauber also. Wenn Weihnachtsbäume und Strohmänner nur noch Glut sind, endet der Winter offiziell in Friesland was angesichts des Kli mas dieser Region, bei dem sogar im April Schneetreiben möglich ist, recht optimistisch gedacht ist. Aber erwähnten wir nicht bereits, dass es für einen Norddeutschen kein schlechtes Wetter gibt? Neben der metaphysischen Bedeutung hatten die Feuer entlang der Küste in späteren Jahren noch einen ganz praktischen Nutzen: Der 22. Februar war Petri-Tag jener Tag also, an dem die Schiffe nach der Winterpause wieder aus laufen durften. Für die Seeleute waren die Leuchtzeichen nichts ande res bedeutet Biike auf Hochdeutsch entlang der Küsten dabei eine gute Navigationshilfe und zugleich ein letzter Abschiedgruß von den Lieben daheim. Böse Zungen behaupten, dass die Matrosenfrauen auf den In seln mit den Feuern zeitgleich auch in die andere Richtung, zu den Män nern auf dem Festland, ein Signal sendeten: „Jungs, jetzt ist hier erst mal wieder sturmfreie Bude! Und wir sind ja soooo allein!“ Aber das ist be stimmt nur pure Verleumdung.

Ende des 19. Jahrhunderts, als die Küsten durchgehend mit Leucht türmen ausgestattet waren und die Inselbewohner anstelle von Walen lie ber Touristen an den Kanthaken nahmen, schlief die Tradition des „La gerfeuers am Meer“ eine Weile fast vollständig ein. Erst Mitte des 20. Jahr hunderts wurde sie nun in der Scheiterhaufenvariante wiederbelebt. Ein Spektakel für Einheimische wie für die Urlauber, die außerhalb der Saison hier etwas erleben wollen. Und ein schönes Warm-up für das tra ditionelle Grünkohlessen im Anschluss, das den Gasthäusern Frieslands guten Umsatz beschert. Aufgrund dieses positiven ökonomischen Ne beneffekts wird das Biikebrennen seit Neuestem sogar in anderen Regio nen kopiert: Jetzt brennen die winterlichen Leuchtfeuer sogar schon an der Ostsee! Ein Ärgernis sondergleichen für die stolzen Friesen, eine Schmach für den ganzen Stamm. Da ihr heimlicher Nationalfeiertag aber nicht markenrechtlich geschützt ist, können sie nichts dagegen unterneh men. Bleibt ihnen also eigentlich nur das, was sie auch zu Hause machen: Heimlich den Scheiterhaufen der verfeindeten Nachbarn vor der eigentli chen Feuerparty in Brand zu setzen!

50 Dinge, die ein Norddeutscher wissen muss

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