Читать книгу 50 Dinge, die ein Norddeutscher wissen muss - Ulfert Becker - Страница 9
Wie man mit Eseln singt
ОглавлениеEsel kann man nicht überreden, sondern nur überzeugen“, sagt Friedrich August zu mir, als ich mich bei ihm zur Deutschen Meisterschaft im „I-AAH“-Ru-fen anmelde. Und Friedrich muss es wissen, denn er und seine Familie betreiben seit 40 y Jahren den Eselpark Nessendorf an der Ostsee, nahe der Hohwachter Bucht. Friedrich August ist Hauptesel in der zweiten Generation und Erfinder dieses illustren Wettstreits, bei dem man um die Gunst eines Esels buhlt und sich dabei richtig schön zum Affen macht.
Juror der ganzen Sache Veranstaltung ist Cesar, Friedrichs bestes Pferd, Tschuldigung, bester Esel im Stall. Wenn einer weiß, wie es geht, dann er. Bei einem ersten Rundgang durch die Stallungen kann ich mich schnell da-. von überzeugen, wie Cesar in bester Chorleiter-Manier seine Artgenossen reihenweise zum Mitschnacken und Singen bringt. Er trifft scheinbar immer den richtigen Ton. Ob ich den finde, wage ich inzwischen zu bezweifeln, denn was die Jungs da im Stall raushauen, da ziehe ich aber echt den Elbsegler vor!
Ein erster Blick auf meine Mitkonkurrentinnen und Konkurrenten verschafft mir leider keinen Aufschluss über meine Chancen auf den deutschen Meistertitel. Die sehen alle ganz normal aus und zeigen keine besonderen Affinitäten zu Eseln und Eselinnen. Als Erstes verteilt Friedrich einen kleinen Schluck Eselsmilch - gegorene versteht sich ... Die löst die Stimme und die ersten dummen Sprüche machen die Runde. Die Spielregeln sind ziemlich einfach: Jeder hat die Buchstaben „I“,„A“ und „H“ zur Verfügung und soll sie so miteinander kombinieren, dass der Ruf Cesar zum Zurückrufen animiert. Nur wenn ihm unser „I-A“ gefällt, macht der das. Das Rufen ist nämlich nicht bloß blöde Anmache, sondern ein richtiger Balzgesang. Also bei den Eseln zumindest ... Wen Cesar also am schärfsten von uns findet, der hat gewonnen.
Es geht auch gleich schon sehr fulminant los mit Mandy, die Cesar nicht nur ruft, sondern förmlich anfleht. Aber auch wenn es sich fast schon so anhört, als wäre das nicht erst das Vorspiel, sondern schon der Hauptakt, zeigt Cesar keinerlei Regung. Auch Rüdiger, dessen „I-A“ sich so anhört, als hätte er zur Vorbereitung mit rostigen Nägeln gegurgelt, lässt ihn völlig kalt. Elke versucht es auf die sanfte Tour und haucht ihm ihr „I“ und „A“ wie ein Liebeslied entgegen. Doch selbst ihr lasziver Augenaufschlag vermag ihn nicht aus der Reserve zu locken.
Tom versucht es auf Englisch - und ich frage mich langsam, wo ich hier bloß hingeraten bin? Ob deren Eltern eine Vorstellung davon haben, was ihre Sprösslinge da treiben? Friedrich meint, das erinnere ihn an die Schwangerschaftsvorbereitung und den zugehörigen Hechelkurs. Und dann kommt Birgit. Wenn die nicht so unscheinbar aussehen würde, hätte ich gesagt, dass ist ´ne Professionelle! Jetzt noch ´ne Telefonnummer einblenden, und die könnte sich gut ein paar Euros hinzuverdienen. Aber Ceasar ruft nicht zurück. Und dann bin ich an der Reihe. Ich versuche es mit der richtigen Atemtechnik. Zum Stallboden einatmen und zu Cesar hin ausatmen. Drei „I-A“s schaffe ich, dann wird die Luft dünn. So, und was sagt Cesar? War es das? Für mich hat es sich angehört wie eine alte Hupe, aber was weiß ich denn, auf was der alte Esel steht? Nix, scheint ihm schietegal zu sein, was wir da machen.
Die erste Runde hat also keinen Sieger gebracht. Friedrich redet noch mal auf seinen Schützling ein, und dann geht es in die zweite Runde. Mandy gibt noch mal alles und legt sich dermaßen ins Zeug, dass Cesar zwar nicht zurückruft, aber wenigstens anfängt zu lachen und damit Mandy zur deutschen Meisterin macht! Völlig zu Recht, wie wir uns alle eingestehen müssen.
Als alle weg sind, nehme ich mir Cesar noch mal zur Brust und versuche es zu guter Letzt mit einem Rendezvous unter vier Augen. Mein sportlicher Ehrgeiz ist geweckt. Ich erzähle ihm von Hamburg, von Autos, von meinen Hobbys, und als ich damit rausrücke, dass ich eigentlich im Chor singe, ist endgültig das Eis zwischen uns gebrochen und er beschenkt mich mit dem schönsten „I-A“, das der Eselpark je zu hören bekommen hat.
Tja, und dann sind wir beide erst mal 'nen Kaffee trinken