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Was die Römer im Watt machten

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Als die Römer frech geworden - simserim simsim simsim

Zogen sie nach Deutschlands Norden - simserim simsim simsim

vorne mit Trompetenschall - Terätätätäterä

ritt der Generalfeldmarschall - Terätätätäterä

So beginnt ein Studentenlied aus dem 19. Jahrhundert, in dem in humoristischer Form das vermeintliche „Gastspiel“ der lateinischen Kultur in Norddeutschland dargestellt wird.

Ein ausgesprochen kurzes Gastspiel, wenn man an die allgemein überlieferte Geschichte vom „unbesiegten Norddeutschland“ glaubt. Danach kamen die imperialen Sturmtruppen im Jahre 9 n. Chr. in den Teutoburger Wald, wo die angesäuerten Germanen bereits auf sie warteten. Eine Schlacht, mal eben drei Legionen vernichtet ... und schon konnten die blonden Nordmänner mit den Hörnern an den Helmen in ihre Torfhütten zurückkehren, um sich dort wieder entspannt dem ungezügelten Metkonsum zu widmen. Die Römer trauten sich nie wieder her.

Dem siegreichen Anführer der germanischen Krieger, Arminius (Freunde dürfen auch „Hermann der Cherusker“ zu ihm sagen), wurde zum Dank ein riesiges Denkmal errichtet - allerdings erst knapp 1900 Jahre später und zudem noch nicht einmal in einem der „geretteten“ Nordländer selbst, sondern rund 20 Kilometer vor der Landesgrenze zu Niedersachsen, nahe dem Nordrhein-Westfälischen Detmold.

Aber ganz so einfach ist die Geschichte denn doch nicht - zumal gerade in den letzten Jahren ganz neue, unerwartete Forschungsergebnisse ein neues Licht auf die Ereignisse werfen.

Beginnen wir jedoch ganz von vorn: So um Christi Geburt hatte sich das Römische Reich bis zum Rhein und zur Donau ausgedehnt. Trier war eine veritable Großstadt, in Mainz und Xanten, Augsburg und Kempten entstanden große Militärstützpunkte.

Fröhlich marschierten die Legionen jedoch auch nördlich dieser Linie herum - die natürliche Grenze war für sie erst die Elbe. Vereinzelter Widerstand der unorganisierten Ureinwohner wurde von der perfekten Kriegsmaschinerie in der Regel spielend niedergewalzt.

Damit machten die römischen Truppen den Weg frei für Händler und Prospektoren. Man hoffte nämlich, in diesem wilden Germanien neue Absatzmärkte zu erschließen - und Bodenschätze zu finden.

Kurz nach der Zeitenwende war zumindest Niedersachsen also drauf und dran, eine ganz normale römische Provinz zu werden. Doch dann kam der Aufstand des Arminius dazwischen. Geschickt war es diesem Fürsten, der wahrscheinlich in der römischen Armee ausgebildet worden war, gelungen, die Warlords der einzelnen Germanenstämme zu einem gemeinsamen Angriff auf die Invasoren zusammenzubringen - und damit die Römer zu überrumpeln.

Fakt ist, dass in der sogenannten Varusschlacht im Teutoburger Wald drei römische Legionen - also ca. 20.000 Mann - vernichtet wurden. Wo allerdings diese Schlacht genau stattfand, ist bis heute umstritten.

Fakt ist auch, dass dieser Streich das römische Imperium in seinen Grundfesten erschütterte - die siegesgewohnte Supermacht war ausgerechnet von einer Horde Wilder geschlagen worden! Und nun lag die gesamte Nordgrenze ungeschützt da ...

Hier beginnt nun das unbekanntere Kapitel der norddeutschen Römer-Geschichte. Die Varusschlacht war nämlich erst der Anfang eines gewaltigen Krieges: Das Imperium schlug zurück! In den folgenden Jahren marschierten etliche weitere Legionen gen Norden, denen Arminius und seine Gefolgsleute nur mit Mühe standhalten konnten. Der Höhepunkt der Auseinandersetzung fand im Jahre 16 statt.

An der Nordseeküste tauchte wie aus dem Nichts eine gewaltige römische Flotte auf. Rund 1300 Schiffe waren es wohl insgesamt: Truppentransporter, Kriegsgaleeren und kleine, wendige Patrouillenboote für die Flüsse. Nahe dem heutigen Leer entstand ein riesiger Brückenkopf. Bis zu 90.000 Legionäre, 20.000 Pferde und Unmengen an Material wurden hier ausgeschifft, ein Teil der Flotte zog weiter gen Norden.

Der Befehlshaber dieser Streitmacht, Claudius Germanicus, hatte eine neue Strategie: Er wollte mit seinen Booten Kontrolle über die Flüsse erlangen, so den Feind schwächen und ihn dann mit seinen Legionen vernichtend schlagen. Auf Ems, Weser und Elbe wimmelte es in diesem Jahr also nur so vor römischen Söldnern!

Den Aufständischen wurden denn auch empfindliche Verluste beigebracht - zu einer Entscheidungsschlacht kam es jedoch nicht. Entnervt wollen sich die Römer Ende des Jahres auf dem Seeweg in ihre Winterquartiere im Süden zurückziehen, als die Katastrophe geschieht: Eine Springflut bringt viele Schiffe zum Kentern, andere treiben ab. Germanicus kann sich auf die Insel Borkum retten und koordiniert von dort die Rettungsaktionen ...

Ein Zenturio wie aus einem Asterix-Comic, der aufgeregt zwischen den Borkumer Dünen herumflitzt? Legionäre, die ihre Sandalen im Watt verlieren - wie Badegäste heute ihre Gummistiefel? Und römische Patrouillenboote, die mit einer MG-ähnlichen Wurfmaschine an Bord die Elbe entlangschippern? Das klingt merkwürdig - war aber Realität.

Man kann davon ausgehen, dass unter Flussschlick und Ackerboden des Nordens noch abertausend Galeerenreste, Uniformstücke, Henkeltöpfe und sonstiger Tinnef des Imperium Romanum verborgen liegen.

Offiziell wurde die römische Invasion nach Norddeutschland kurz nach dem Flottendebakel eingestellt und nie wieder ein Plan gefasst, die Mettrinker erneut zu stören. Zumindest wird nirgendwo in den römischen Annalen darüber berichtet.

Daher war es die archäologische Sensation des Jahres 2008, als man bei Kalefeld, am Fuße des Harzes, etliche Artefakte entdeckte, die darauf hinweisen, dass auch hier eine große Schlacht zwischen Römern und Germanen getobt haben muss. Und zwar über 300 Jahre nach der Varusschlacht!

So ganz konnte die Supermacht vom Tiber also doch nicht von ihrem Traum nach klarer Nordluft lassen. Aber offenbar hatten die Legionäre immer wieder von den unbeugsamen Norddeutschen auf den Helm bekommen, sonst hätte man nämlich schon längst auf irgendeinem Steinblock in Rom eine Schlagzeile à la „Glorioser Sieg in Nordgermanien!“ gefunden.

Was sich genau hier alles zugetragen haben mag, liegt jedoch im Dunkeln - denn die Altvorderen des Nordens konnten zwar viel Met saufen, aber leider nicht schreiben ...

50 Dinge, die ein Norddeutscher wissen muss

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