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Amherst Road, Sunderland, Massachusetts,

15. März 2007, 08.30 Uhr (Donnerstag)

»Aus der Nachbarschaft hat niemand etwas beobachtet«, berichtete der Deputy.

Fleischman kniff die Lippen zusammen und betrachtete sich die Blutlache im Behandlungszimmer. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit erledigt, und die Suche nach dem Doktor im Haus und der Umgebung war ergebnislos verlaufen.

»Lukovic hat viel Blut verloren«, murmelte er. »Das macht die beiden nur noch gefährlicher.«

Donovan betrat das Zimmer. »Die Fahndung nach Cavens Wagen läuft. Alle Stellen sind informiert. Ich bin sicher, dass die beiden den Arzt als Geisel mitgenommen haben. Sie werden ihn noch brauchen.«

Ein Deputy trat durch die Tür, eine Frau mit langen, dunklen Haaren in einem grauen Regenmantel folgte ihm. Als die Frau die Blutlache entdeckte, schlug sie die Hände vor das Gesicht. »Mein Gott, Doktor Caven«, stammelte sie.

Fleischman blickte auf.

»Das ist Miss Barnes, sie arbeitet hier«, beeilte sich der Deputy zu erklären.

Donovan trat an ihre Seite. »Wir glauben nicht, dass das Blut von Doktor Caven stammt«, beruhigte er die Frau.

»Wo ist der Doc?«, fragte sie. »Was ist hier passiert?«

Fleischman räusperte sich. »Wir gehen davon aus, dass sich der Doktor in den Händen zweier gefährlicher Verbrecher befindet. Einer von ihnen wurde auf der Uferstraße bei einer Polizeikontrolle angeschossen.«

»Aber der Doktor ist doch Tierarzt«, wandte Miss Barnes ein.

»In der Not …«, hob Fleischman an, doch den Rest des Spruches verkniff er sich. »Warum sind Sie eigentlich so früh hier?«

Die Frau schaute auf die Uhr über dem Schreibtisch. »In einer halben Stunde beginnt die Sprechstunde.«

Donovan wies auf den Rollwagen, der neben dem Behandlungstisch stand. »Können Sie uns sagen, ob etwas fehlt?«

Miss Barnes sah sich im Zimmer um, schließlich ging sie hinüber zu dem kleinen Wandschrank, der die Medikamente enthielt, und öffnete die Glastür. Sie schob einige der braunen Medikamentenfläschchen zur Seite.

»Die Tasche mit den Instrumenten und eine Flasche Embutramid fehlen«, erklärte die Arzthelferin den beiden US-Marshalls.

»Dann ist der Doc mit Sicherheit noch am Leben«, mutmaßte Donovan.

Fleischman wandte sich noch einmal an die Arzthelferin. »Sagen Ihnen die Namen Martin Simmrock oder Dan Lukovic etwas?«

Donovan warf seinem Kollegen einen fragenden Blick zu.

»Ich meine, hat der Doc jemals einen dieser Namen erwähnt?«

Die Frau überlegte, schließlich schüttelte sie den Kopf. »Ich glaube nicht, sind das die Verbrecher, die den Doktor in ihrer Gewalt haben?«

»Wir gehen davon aus«, antwortete Fleischman. »Allerdings stellt sich die Frage, warum die beiden hier gelandet sind. Haben Sie eine Idee, Lady?«

»Ich glaube nicht, dass Doktor Caven irgendwelche Verbrecher kennt.« Die Arzthelferin war empört. »Er ist ein sehr feiner Mensch, müssen Sie wissen. Außerdem stehen unsere Werbetafeln überall entlang der Uferstraße.«

Fleischman lächelte verbindlich. »Danke, Miss. Aber wir müssen in alle Richtungen ermitteln.«

Nachdem Miss Barnes von einem Deputy aus dem Raum geführt wurde, wartete Donovan, bis die Tür wieder geschlossen war. »Musstest du die Dame derart erschüttern?«

Fleischman zuckte mit den Schultern. »War nur so eine Idee.«

Gulf of Maine, Atlantic Ocean,

15. März 2007, 09.15 Uhr (Donnerstag)

Das Dröhnen im Hubschrauber pegelte sich auf einem erträglichen Maß ein, nachdem der Sikorsky-Hubschrauber die angestrebte Flughöhe erreicht hatte. Die Maschine flog in einen strahlenden blauen und wolkenlosen Himmel. Nach den Stürmen der letzten Tage lag die See ruhig zu ihren Füßen. Brian blickte aus dem Kabinenfenster, unter ihnen schipperten ein paar Segelschiffe über die ruhige See des Golfs von Maine.

»Was hat dir Stoddart über mich erzählt?«, rief ihm Cathy über den Motorenlärm zu.

»Wieso Stoddart, was meinst du?«

»Ich bin erst seit einem halben Jahr bei euch, ich weiß, dass ich in eurem Team nicht willkommen bin«, erklärte Cathy. »Du warst vor mir bei Stoddart, er hat dir sicherlich gesagt, dass du ein Auge auf mich haben sollst. Er traut mir nicht zu, dass ich diesen Fall richtig anpacke, das ist mir klar. Aber ich habe keine Lust, unter Aufsicht zu stehen. Deine Hilfe nehme ich gerne an, aber ich weiß nicht, inwieweit ich mich auf jemanden verlassen kann, der mir als Aufpasser vom Chef über die Schultern schauen soll, verstehst du?«

Brian blies seine Backen auf und ließ die Luft langsam aus dem Mund entweichen. »Du musst die Jungs verstehen«, antwortete er. »Eigentlich dachten wir alle, dass Luzio der neue Lieutenant wird. Und plötzlich wirst du auf den Posten versetzt. Das Sittendezernat und die Mordkommission, das sind zwei grundverschiedene Abteilungen. Da geht es nicht darum, ein paar illegale Nutten hochzunehmen. Ich meine, was sollen die Jungs denken, dein Vater ist Inspector im Headquarter.«

»Glaubst du auch, dass ich diesen Job nur wegen meines Vaters bekommen habe?«

»Ich … ich weiß nicht … vielleicht, ich mach mir darüber keine Gedanken«, antwortete Brian. »Ich bin Sergeant und ich habe keinen Bock mehr darauf, die Schulbank an der Akademie zu drücken, um Lieutenant zu werden. In drei Jahren werde ich fünfundvierzig, dann habe ich fünfundzwanzig Dienstjahre auf dem Buckel und steige aus. Ich nehme meine Prämie und ziehe nach Anchorage. Mein Onkel hat mir ein klein wenig Geld vererbt, er hatte einen Laden in der Stadt. Dort warten ein schönes Haus, ein Boot und ein neues Leben auf mich. Ich habe keine Lust mehr auf Leichen und will noch etwas anderes mit meinem Leben anfangen, als Verbrechern nachzujagen.«

»Was sagt deine Frau dazu?«

Brian zuckte mit der Schulter. »Sie ist mit den Kindern zu ihrer Mutter nach Chicago gezogen. Ich weiß nicht, ob sie jemals wieder zurückkommt.«

Cathy kniff ihre Lippen zusammen.

»Für Jarwood bist du die Quotenfrau in unserer Abteilung«, fuhr Brian fort. »Aber ich halte nicht viel von solchem Geschwätz. Ich halte mich da raus.«

»Und bist loyal zu Stoddart«, fügte Cathy bissig hinzu.

»Stoddart ist der Captain.«

Cathy atmete tief ein. »Okay, reden wir Klartext, Stoddart ist ein Arschloch und ich kann es nicht leiden, wenn man mich hintergeht. Mich hat schon einmal jemand hintergangen, und er hat es schmerzhaft bereut. Ich will, dass wir zusammenarbeiten, aber ich hasse es, wenn man versucht, mich zu verarschen.«

»Ich bin nicht dein Ehemann«, entgegnete Brian trocken.

»Mein Ehemann, woher weißt du …?«

»Es ist ein offenes Geheimnis«, erklärte Brian. »Jeder in der Abteilung weiß, dass du deinen Mann mit deiner besten Freundin im Bett erwischt und ihm den Kiefer gebrochen hast. Der Kerl hat es vielleicht sogar verdient, aber ich bin nicht mit dir verheiratet. Du bist der Lieutenant, und ich bin Detective Sergeant, und wir haben einen Mord aufzuklären. Deshalb fliegen wir auf diese verdammte Insel, und ich sage dir, das wird keine Vergnügungsreise. Diese Insulaner sind manchmal dickköpfig wie Büffel und sprechen nicht mit jedem.«

»Ich weiß, und genau deshalb will ich wissen, ob ich dir vertrauen kann.«

»Ich soll jeden Abend den Captain über den Fortgang unserer Ermittlungen informieren, und ich soll ein klein wenig auf dich aufpassen, das ist alles, was Stoddart zu mir sagte.«

Als die rote Lampe in der Kabine aufflackerte und signalisierte, dass die Landung bevorstand, reichte Cathy Brian die Hand.

»Partner?«, fragte sie.

Brian griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Partner«, antwortete er.

Die Maschine verlor rasch an Höhe. Ein rot-weiß lackierter Leuchtturm tauchte im kleinen Ausschnitt des Bullauges an der Schiebetür auf.

»Wir sind am Ziel«, sagte Brian, als der Hubschrauber die Wiese unterhalb von South Bench ansteuerte.

Saint Benedict Abbey, Hell’s Kitchen Island, Maine,

15. März 2007, 09.35 Uhr (Donnerstag)

Logan war früh aufgebrochen, um mit dem Prior von Saint Benedict zu sprechen. Im Dorf herrschte eine angespannte Stimmung. Logan suchte nach Unterstützung bei dem Prior des Klosters, denn die Menschen auf Hell’s Kitchen sahen überall nur noch Geister und Gespenster. Vor allem der alte Admiral schürte mit seinen schaurigen Seemannsgeschichten die Stimmung. Im Dorf gab es, so urteilte Logan, zwei Lager. Ein Teil der Menschen, vor allem die älteren, dachten allen Ernstes, dass der arme Gabriel und seine Frau vom Geist des Piraten Belfour getötet worden waren. Der andere Teil, um Evans und Stone, hielten Nathan Cole, den Lebensgefährten der Schriftstellerin Linda Crawford, für den Täter. Cole war dunkelhäutig. Seit die Fischfabrik geschlossen worden war, hatte kein Dunkelhäutiger mehr auf dieser Insel gelebt. Vor knapp einem halben Jahr war Linda Crawford mit Cole auf der Insel aufgetaucht. Sie bewohnten die Henderson-Villa am Western Peak, die sie vor ein paar Jahren gekauft hatte, weil ihr der Blick auf das Meer die notwendige Inspiration für weitere Romane gab. Doch schon seit Jahren hatte sie keinen Bestseller mehr geschrieben. Ihr zweiter Roman, Am Ende der Welt, hatte ihr einen unermesslichen Erfolg beschert, und noch heute lebte sie von den Tantiemen des Bestsellerromans, der in achtundvierzig Sprachen übersetzt und von Hollywood verfilmt wurde sowie monatelang auf Platz eins der Büchercharts gestanden hatte.

»Sie müssen mit den Menschen sprechen«, bat Logan den Prior, der den Master der Insel in seinem Arbeitszimmer empfangen hatte. »Gleich am Sonntag, in der Kapelle. Sie müssen die Leute wieder zur Vernunft bringen, bevor etwas Schreckliches geschieht.«

»Die Polizei wird die Ermittlungen übernehmen«, erwiderte der Prior. »Sie werden den Täter schon ausfindig machen.«

»Der Polizei ist unsere Insel egal«, widersprach Logan. »Gabriel liegt im Kühlraum der Kapelle, und von Ava gibt es keine Spur. Ich habe in Yarmouth angerufen, doch der Officer gab mir zu verstehen, dass sie niemand herüberschicken können. Das war gestern, und erst heute kommen ein paar Officer. Ein ganzer Tag ist verstrichen. Ich verstehe nicht viel von Spurensicherung, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es gut ist, einen ganzen Tag verstreichen zu lassen.«

Der Prior beugte sich auf seinem Stuhl vor und faltete die Hände vor seinem Gesicht. »Kenny, du bist ungerecht«, sagte der Prior sanftmütig. »Du weißt selbst, dass gestern noch ein Sturm herrschte, der es der Polizei unmöglich machte, auf die Insel überzusetzen. Niemand, der noch einen Funken Verstand hat, wäre bei diesem Wetter hinausgefahren oder hätte versucht, mit einem Helikopter die Insel zu erreichen. Und das weißt du auch, mein Sohn.«

Logan nickte.

»Dennoch ist es genau dieser Umstand, der mir Sorgen macht«, fuhr der Prior fort.

Logan blickte den Prior fragend an.

»Wenn niemand zur Insel übersetzen konnte, dann heißt das nur, dass der Mörder, der diese grausame Tat verübt hat, noch immer unter uns ist«, argumentierte der Prior. »Und da bei uns kein Fremder abgestiegen ist, bedeutet dies, dass es jemand von uns war. Jemand, den wir kennen, jemand, der unter uns lebt, mit uns lacht, mit uns spricht und mit uns betet.«

»Cole«, murmelte Logan.

»Cole oder ein anderer«, bestätigte der Prior. »Es kann jeder sein, Mister Cameron, der sich um die Tiere kümmert, Haynes, der unsere Fahrzeuge repariert, Sie, Kenny, oder ich. Sorgen Sie dafür, dass sich alle am Sonntag um zehn in der Kirche versammeln. Ich werde zu den Leuten sprechen. Wir müssen nun zusammenstehen und stark sein im Namen des Herrn. Es geht ein Wolf um unter all den Schafen, und ihn dürstet nach Blut.«

»Danke, Hochwürden«, antwortete Kenny Logan.

South Bench, Hell’s Kitchen Island, Maine,

15. März 2007, 10.10 Uhr (Donnerstag)

Cathy warf einen gespannten Blick aus dem Bullauge der Schiebetür. Sie erfasste das kleine Holzhaus und den angrenzenden Schuppen und sah überall weiß gekleidete Gestalten. Dann kam der Leuchtturm ins Bild und unweit davon ein Hubschrauber der Yarmouth Police in schwarz-weißer Lackierung. Das Spurensicherungsteam hatte sich offensichtlich schon an die Arbeit gemacht. Die Spezialisten der CSI in ihren weißen, sterilen Papieranzügen waren jedenfalls nicht zu übersehen.

»Collingdale heißt der Einsatzleiter des Teams«, sagte Brian, als die Rotoren zum Stillstand gekommen waren. »Ich habe schon ein paar Mal mit ihm zusammengearbeitet. Er ist ein äußerst gewissenhafter Mann. Wenn es an diesem Tatort noch etwas zu finden gibt, dann findet er es.«

Die Schiebetür der Sikorsky wurde geöffnet, und der Co-Pilot der Maschine klappte die kleine Leiter herunter und reichte Cathy die Hand. Als sie hinaus ins Freie trat, traf sie eine kalte Windböe. Sie zog ihren Mantelkragen höher und beobachtete das flatternde Absperrband. »Hier auf der Insel ist es immer zugig, Ma’am«, erklärte der Co-Pilot. Cathy nickte und blickte sich um. Der Hubschrauber war außerhalb des Absperrbandes gelandet. Ein brach liegender Garten lag zu ihrer Rechten. Daneben standen mannshohe Holzfiguren.

»Was ist das?«, fragte Cathy.

»Der Ermordete schnitzte die Figuren selbst«, ertönte eine Stimme hinter Cathy. Sie fuhr herum und blickte in die eisblauen Augen eines barhäuptigen Mannes, der einen weißen Papieroverall trug. Brian stand daneben.

»Gestatten, Dave Collingdale, CSI Yarmouth.«

Cathy nickte freundlich. »Cathy Ronsted, Portland Police Department. Können Sie schon etwas sagen, Dave?«

Collingdale wies hinüber zum Leuchtturm. »Wir haben allerhand Spuren gesichert, aber ich fürchte, sie stammen von den Leuten, die sich bei der Leiche herumtrieben. Zwei Stiefelabdrücke und ein Turnschuh, Größe 6, wahrscheinlich von einer Frau.«

»Haben Sie auch einen Hinweis auf die vermisste Frau des Opfers?«

Collingdale schüttelte den Kopf. »Das Haus ist unberührt, keine Kampfspuren. Es muss in der Nacht passiert sein, eines der Betten, vermutlich das der Frau, war zerwühlt, das andere noch unbenutzt. Sie hat wohl geschlafen und sich nicht zur Wehr gesetzt.«

Collingdale fasste Cathy an der Schulter und führte sie vorbei an den riesigen Vögeln, dem Einhorn und dem Walfisch aus Holz in Richtung des Schuppens. Er hob das Absperrband an und ließ Cathy und Brian passieren. »In diesem Bereich sind wir fertig«, sagte er. »Kommen Sie, Lieutenant, ich will Ihnen etwas zeigen.«

Er führte die beiden Ermittler zum Schuppen und öffnete die Holztür. Cathy trat vor und blieb urplötzlich stehen, als ihr ein großgewachsener Mann mit wallendem Mantel und Südwester gegenüberstand. Erst als sie noch einen Schritt vorwärts ging, erkannte sie die Holzmaserung im Gesicht der Gestalt. Collingdale grinste. »Das ist wohl die Skulptur, an der das Opfer zuletzt gearbeitet hat. Sehen Sie sich das linke Auge an, darin steckte ein Stauerhaken.«

Cathy trat vor die Skulptur. Im schummrigen Licht des Schuppens erkannte sie das zerstörte Auge. »Was hat das zu bedeuten?«

Collingdale zuckte mit der Schulter. »Diese Figur stellt einen Piratenkapitän dar, der vor etwa dreihundert Jahren auf der Insel sein Unwesen trieb. Die Piratenskulptur sieht fast lebendig aus, finde ich. Ich glaube nicht, dass ihr Schöpfer so unzufrieden mit seinem Machwerk war, dass er es selbst zerstört hat. Außerdem fehlten dem Opfer die Augen. Ich denke schon, dass das von Bedeutung ist.«

»Gibt es Fingerprints auf dem Haken?«, fragte Brian.

»Sauber, als wäre zuvor Waschtag gewesen«, entgegnete Collingdale.

»Gibt es sonst noch etwas, das wir wissen müssen?«

Collingdale nickte. »Doktor Sparks nimmt sich gerade die Leiche vor. Das Opfer wurde grausam gefoltert. Er wurde mit Zimmermannsnägeln ans Kreuz geschlagen, sein Körper ist mit unzähligen Schnitten übersät, manche oberflächlich, andere bis in den Muskel. Außerdem fehlten seine Augäpfel. Das war nicht einfach nur ein Mord, dies war eine grausame Hinrichtung. Wer immer das getan hat, der hat längst alle Hemmungen und allen Respekt vor dem Leben verloren.«

»Die Leiche schauen wir uns später an«, antwortete Cathy und wandte sich um. Als sie aus dem Schuppen in die Sonne trat, sah sie vor der Absperrung einen schwarzen Pick-up anhalten. Ein Mann in blauer Latzhose und dickem Pullover stieg aus und unterhielt sich mit einem von Collingdales Beamten. Der Beamte winkte Collingdale zu.

»Ich glaube, er will mit Ihnen reden«, sagte der Chef des CSI-Teams. »Das ist der Inselbürgermeister. Logan ist sein Name, er hat die Leiche gefunden.«

»Wurde er bereits vernommen?«, wollte Cathy wissen.

»Von mir nicht«, erwiderte Collingdale. »Ich kümmere mich wieder um den Tatort. Sie finden mich hinter dem Leuchtturm.«

Cathy wartete noch einen Augenblick, bevor sie den Fußweg entlangging und vor Logan stehen blieb, während Brian noch immer die Figuren des Skulpturengartens betrachtete.

»Sie sind der Master auf der Insel, Mister Logan?«, sprach sie ihn an.

Logan nickte kurz und wies auf den knapp dreißig Schritt entfernten Brian. »Kann ich mit Ihrem Chef sprechen?«, fragte Logan, ohne Cathy einen Blick zu widmen.

»Ich leite die Ermittlungen in diesem Fall«, gab Cathy ihm Bescheid. »Sie werden schon mit mir vorliebnehmen müssen.«

Logan musterte Cathy erstaunt und mit sprachlos geöffnetem Mund.

»Stimmt etwas nicht?«

»Aber … aber … Sie … Sie sind eine Frau … und dazu noch farbig … wie kann das sein«, stammelte Logan.

»Mister Logan, auch wenn Sie hier auf einer Insel leben, auf der die Zeit wohl einen anderen Rhythmus hat als auf dem Festland, so ist doch auch hier bereits das 21. Jahrhundert angebrochen«, antwortete Cathy schnippisch. »Ich bin Detective Lieutenant Cathy Ronsted und dort hinten steht mein Kollege Detective Sergeant Brian Stockwell. Wir werden gemeinsam die Ermittlungen führen. Haben Sie damit ein Problem?«

Logan fasste sich verlegen an die Hosenträger seiner Latzhose und senkte den Kopf. »Nein, nein, keineswegs, nein, ich dachte nur … entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«

»Und jetzt erzählen Sie mir, was hier passiert ist und was Sie gesehen haben!«

»Ja, Sir, ich meine Ma’am.«

Blutinsel

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