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3. Ansprüche gegen Mitglieder einer Scheingesellschaft
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Von einer Scheingesellschaft spricht man, wenn es an dem Abschluss eines wirksamen Gesellschaftsvertrages fehlt, eine Gesellschaft also nicht entstanden ist, aber gleichwohl nach außen der Anschein erweckt wird, es handele sich um eine Gesellschaft. Wenn z. B. Personen Briefbögen und Schilder benutzen, auf denen sie gemeinsam mit ihren Namen erscheinen, ohne eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen entsprechenden Vertrag begründet zu haben, haben sie den Rechtsschein gesetzt, es handele sich um eine Gesellschaft. Nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen haften deshalb diejenigen Personen, die den Rechtsschein erzeugt haben, Gesellschafter einer Gesellschaft zu sein und diesem Rechtsschein später nicht hinreichend entgegengetreten sind. Die Rechtsscheinhaftung in Bezug auf eine Scheingesellschaft setzt also voraus, dass die in Anspruch genommene Person in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts und den ihrer Zugehörigkeit zu derselben gesetzt hat oder gegen den vorhandenen Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist; außerdem muss sich der Dritte bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen haben.[38] Für die Verbindlichkeiten der Scheingesellschaft haften die Mitglieder derselben in entsprechender Anwendung des § 128 HGB.[39]
Beispiel:
Die Anwälte A, B und C haben eine Bürogemeinschaft (§ 59 a Abs. 3 BRAO) begründet. Dabei handelt es sich um eine BGB-Innengesellschaft (siehe dazu unten Rn. 181 ff.), in der jeder für sich handelt. Eine BGB-Außengesellschaft existiert nicht. Die Anwälte benutzen Briefbögen, auf denen unter der Bezeichnung „Anwaltsgemeinschaft“ die Namen von A, B und C aufgeführt sind. Mandant M meint deshalb, es handele sich um eine Anwaltssozietät in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft. Er nimmt einen Termin bei B wahr und bittet darum, dass man ihn in einer Erbschaftssache berät und vertritt. B unterläuft dabei ein schwerer Fehler; M erleidet einen Schaden in Höhe von 120.000 €. Er nimmt deswegen auch den A, der als vermögend gilt, persönlich nach §§ 280, 31 (analog) BGB in Verbindung mit § 128 HGB in Anspruch. Briefbögen der von A, B und C gewählten Art begründen den Anschein einer Sozietät, also einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.[40] Diesen Rechtsschein haben die Gesellschafter A, B und C in zurechenbarer Weise gesetzt. Da der Mandant im Zweifel den Vertrag mit der Sozietät, nicht aber mit dem Einzelanwalt abschließen will, ist Vertragspartnerin des M die Scheingesellschaft unter dem Namen „Anwaltsgemeinschaft“. B hat eine Pflichtverletzung begangen, für die die Scheingesellschaft nach §§ 280, 31 (analog) BGB haftet. Wegen dieser Verbindlichkeit der Gesellschaft kann M nach § 128 HGB analog auch den A in Anspruch nehmen.
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Scheingesellschafter ist auch derjenige, der aus einer bestehenden Gesellschaft ausgeschieden ist, aber weiterhin nach außen als Gesellschafter auftritt. Weil für den Rechtsverkehr nicht erkennbar wird, dass sich die personelle Zusammensetzung der Gesellschaft geändert hat, muss sich der ausgeschiedene Gesellschafter so behandeln lassen, als bestehe der bisherige Rechtszustand fort.[41] Der ausgeschiedene Gesellschafter haftet demnach nach Rechtsscheingrundsätzen auch für die nach seinem Ausscheiden entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß § 128 HGB analog.
Beispiel:
Rechtsanwalt R ist aus der Sozietät „A&B Rechtsanwälte GbR“ zum 31.12.2014 ausgeschieden. Auf dem von der Sozietät verwandten Briefbogen steht weiterhin der Name des R. Am 15.1.2015 kauft B im Namen der „A&B Rechtsanwälte GbR“ unter Verwendung des Briefkopfes, auf dem R noch als Sozius ausgewiesen ist, bei V Büromöbel für 22.000 €. Die Kaufpreisforderung des V ist eine Verbindlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für die auch der ausgeschiedene R gemäß § 128 HGB analog und nach Rechtsscheingrundsätzen haftet, denn durch die Verwendung des Briefkopfes mit dem Namen des R ist nach außen der Eindruck erweckt worden, als habe sich die personelle Zusammensetzung der Gesellschaft nicht geändert.