Читать книгу Wie ich in China ein Kind bekam - Ulrich Wessinger - Страница 12

Hunde essen

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„Komisch, im Westen denken sie alle, Chinesen essen Hunde“

Anna saß an meiner Seite auf einer Bank auf dem Campus der Universität, die Sekretärin der Fremdsprachenabteilung. Seitdem sie mir bei der Ankunft behilflich gewesen war, sahen wir uns ab und zu, gingen ein bisschen spazieren und unterhielten uns. Ich hatte noch zwei Wochen Zeit bis zu meinem ersten Arbeitstag Anfang September.

„Im Süden von China wird Hundefleisch gegessen, aber hier in der Gegend nicht. Oder doch kaum.“

„Gibt es denn überhaupt Lokale hier in Shanghai wo man Hundefleisch essen kann?“

„Ich kenne keine, aber es gibt bestimmt welche.“

„Was schätzt du wie viele?“

„Ich weiß es nicht….“

„Fünf bis zehn?“

„Mehr wahrscheinlich! China ist grausam. Und es steht auch nicht außen auf der Menükarte“

„Ich habe gelesen, es ist ziemlich teuer!“

„Das kann sein….Einmal hätten sie Pipi fast umgebracht“

Sie hatte mir erzählt, dass sie einen Hund namens Pipi hatte.

„Was meinst du, …wer hat Pipi umgebracht?“

„Das war vor ungefähr zehn Jahren. Da bekam ich einen Anruf von meiner Mutter, sie hätten Pipi weggenommen.“

„Wer hat Pipi weggenommen?“

„Irgendwelche Männer von der Behörde für Tierkontrolle. Meine Mutter weinte und sagte, sie hätten wie verrückt an die Tür geklopft und geschrien, sie soll aufmachen, meine Mutter hatte Angst und machte auf und dann haben sie Pipi geschnappt und sind verschwunden.“

„Ja aber wie? Geht das so einfach, ich meine ist das legal?“

„Ja legal schon, ich hatte meine Hundesteuer nicht bezahlt“.

„Wie viel ist das denn?”

“Ich hätte 1000 Yuan zahlen müssen, das war vor 10 Jahren viel Geld. Aber das ist unterschiedlich, je nachdem wo man wohnt. In der Innenstadt zahlt man das Doppelte, 2000 Yuan. In den Außenbezirken nur 200. Viele Leute haben es dann so wie ich gemacht. Ich hab denn Hund die meiste Zeit in der Wohnung gehabt und nur manchmal, also abends wenn ich nach Hause gekommen bin, bin ich mit ihm runter, spazieren, aber nur im Compound, um unser Haus herum, nicht raus auf die Straße. Ich habe schon gewusst, dass die Leute von der Behörde Hunde fangen und man dann Strafe zahlen muss, aber weil ich so vorsichtig war, dachte ich, das kann mir nicht passieren. Als ich hörte, dass sie Pipi geschnappt hatte, war ich in Panik. Die Männer hatten meiner Mutter gesagt, sie würde Pipi wieder bekommen, wenn sie die Hundesteuer und die Strafe bezahlt hat. Also ging ich so schnell wie möglich zur nächsten Polizeistelle, wo man normalerweise bezahlt. Aber die hatten keine Ahnung, wo Pipi ist. Sie wussten auch nicht, welche Männer das waren, die Pipi mitgenommen hatten oder wie man die finden kann, oder sie wollten es nicht sagen. Sie wussten gar nichts, oder wollten von nichts etwas wissen. Ich war völlig verzweifelt. Aber dann bekam ich noch am selben Abend einen Anruf von Herrn Tschü, der einen Hundesalon hat, bei dem ich schon oft gewesen war. Er fragte mich, ob alles in Ordnung sei, weil er gehört hatte, dass mehrere Hunde geschnappt worden waren. Als ich ihm sagte, was passiert war, sagte er, er kennt jemand von dieser Behörde. Er wird gleich anrufen und mir dann Bescheid sagen. Später rief er mich an und sagte, Pipi ist nicht bei der Polizei, sondern in einem Krankenhaus, wo sie Hunde für Tierexperimente benutzen. Er hat mich dann auf seinem Motorrad hin gefahren.

Als wir ankamen, musste ich erst 50 Yuan an einen Mann zahlen, damit ich Pipi überhaupt sehen konnte. Er brachte mich in den Keller. Wir kamen durch einen langen Gang und links und rechts hörte ich Hunde heulen. Er führte mich zu einer eisernen Tür und öffnete das Schloss. Als ich reinkam sprangen eine Menge Hunde an mir hoch und heulten und klammerten sich an mich. Es waren vielleicht 50 oder 60 Hunde in einem kleinen Raum.. Es war wahnsinnig laut und stank fürchterlich. Ich hab Pipi erst gar nicht gefunden, er saß ganz hinten in einer Ecke. Er hatte den Kopf am Boden, schaute nicht mal auf. Sein Haar war grau und er hatte mehrere Wunden. Ich stürzte auf ihn zu, rief „Pipi!“, da schaute er auf und ich nahm ihn in meine Arme, er zitterte, ich weinte. All die anderen Hunde flehten mich an, sie mit zu nehmen. …. Ich hätte sie natürlich am liebsten alle mitgenommen, aber ich fühlte mich so schwach. Ich konnte nur einen mitnehmen und die anderen taten mir so leid. Der Mann sagte, ich solle jetzt gehen und so schnell wie möglich zur Polizei und die Strafgebühr und die Steuer bezahlen. Ich sagte, ich würde das so schnell wie möglich tun.

Auf dem Weg nach Hause hatte ich Pipi in meinen Armen und er zitterte die ganze Zeit. Herr Tschü sagte, das sei normal für die Hunde, die dort gewesen seien. Sie seien so verängstigt, dass sie völlig verstört seien. Er sagte, ich solle ihm kein Essen geben und wenig Wasser, wenn ich zu Hause sei. Ich solle ihn einfach schlafen lassen und sich ausruhen. Als wir zu Hause waren, legte ich Pipi in sein Bettchen, aber er schlief nicht, er stand da und zitterte. Er trank und aß auch nichts und war still, drei Tage lang. Ich verbrachte viel Zeit mit ihm, redete mit ihm und streichelte ihn. Am vierten Tag begann er, zu essen. Aber es dauerte ungefähr eine Woche bis das Zittern aufhörte.

TschaTscha, die Mutter von Pipi, hatte nicht so viel Glück. TschaTscha lebte bei meinem Onkel und TschinTschin, meiner Cousine. Sie brauchten drei Tage, um raus zu finden, wo hin sie TschaTscha gebracht hatten. Drei Tage und Nächte war TschaTscha in dieser Hölle. Sie war in einem anderen Krankenhaus. Als sie nach Hause kam, aß sie eine Menge und mein Onkel wusste nicht, dass das gefährlich war. Kurz danach begann ihr Magen zu bluten. Sie wollten am nächsten Morgen in eine Tierklinik, aber am nächsten Morgen war sie tot.“

Je mehr Wohlstand nach China kommt, desto mehr Hunde sieht man auf den Straßen. Manchmal sieht man große, schöne, weiße oder grau-weiße Hunde aus Sibirien mit seidigem langem Fell, die mit würdigem Schritt neben ihrem stolzen Besitzer einherschreiten, kostbare Rassen aus Japan, Afghanistan oder Tibet. In der Polizei und der Armee sind die deutschen Schäferhunde zu Hause, denen man große Intelligenz und Tapferkeit nachsagt. In den Wohnvierteln weit verbreitet sind kleine Tiere, die gerne laut herumkläffen mit nervöser überdrehter Stimme, die manchmal ganz nackt rasiert sind und einen aus ihren ängstlichen Augen wie verrückt anstarren. In den armen Vierteln bei den alten Industrie- Anlagen treiben sich dreckige, struppige, kleine Hunde herum mit braunem Fell, die still sind, sehr vorsichtig und immer auf dem Sprung, weil vermutlich zu oft geschlagen oder vertrieben.

In jedem Viertel gibt es ein paar Hundesalons, in denen Hunde gewaschen, geschoren, gestriegelt und verhätschelt werden. Oft sieht man sie in Körbchen sitzen, die vor der Lenkstange an Fahrrädern und Rollern angebracht sind und stolz erhobenen Hauptes die Gegend bei leichtem Fahrtwind betrachten.

Wie ich in China ein Kind bekam

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