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Shanghai Dianji University

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War ich hier richtig? Das sah gar nicht nach dem Eingang einer Universität aus. Ich schaute mich noch mal um, der Taxifahrer nickte aus dem offenen Fenster und deutete auf den Eingang. Die Nummer stimmte zumindest, aber war das auch die richtige Straße?

Ich war unterwegs zu einem Vorstellungsgespräch. Auf einem meiner Ausflüge nach Shanghai hatte ich eine chinesische Frau kennengelernt, die zwei Jahre später meine Frau wurde. Wegen ihr war ich nicht, wie geplant, nach einem halben Jahr wieder nach Hause geflogen, sondern suchte einen Job in Shanghai. Als ich von einer Hochschule hörte, dass sie einen Deutschlehrer suchte, nahm ich Kontakt auf mit dem Sekretär der Abteilung auf, und er war an mir interessiert. Aber war ich hier richtig? Das sah eher wie der Eingang einer Fabrik aus. Da stand auch in großen goldenen Lettern: „Shanghai Dianji Company“ neben dem kleinen Wärterhäuschen. Ich ging zum Fenster und streckte den neugierig blickenden blau uniformierten Männern einen Zettel mit der Adresse entgegen, die ich mir aufgeschrieben hatte. Auch sie schienen ganz der Meinung zu sein, dass ich hier richtig war und deuteten freundlich lächelnd auf das Gelände, ich solle eintreten. Die ganze Gegend sah wüst aus, es war im Norden der Stadt, Industriegebiet durchsetzt von Wohnvierteln, am Eingang donnerten Staub aufwirbelnd dreckige Bau- Lastwagen vorbei und darüber erstreckte sich eine massige Hochstraße auf Stelzen bis zum Horizont. Na gut, dachte ich, schauen wir mal…

Als der Leiter meiner deutschen Schule gehört hatte, dass ich einen Job suchte bei der Shanghai Dianji University, hatte er laut gelacht: „Shanghai City University! Das sind die größten Gauner! Die kenne ich zufällig, weil wir mit denen eine Kooperation eingegangenen sind. Da habe ich nur schlechte Erfahrungen gemacht, die haben mich gnadenlos über den Tisch gezogen. Die haben immer nur neue Nachforderungen gestellt und Geld wurde nie ausgezahlt, wie es eigentlich vereinbart war. Wenn Sie dort regelmäßig ihr Gehalt bekommen, können Sie froh sein. Also da kann ich Ihnen nur abraten!“ Aber ich hatte mich davon nicht abhalten lassen. Es war immerhin ein Job in Shanghai und da war ich meiner Geliebten näher und einen anderen Job hatte ich trotz langem Suchen nicht gefunden, in Wuxi schon, aber das war 100 km von Shanghai entfernt.

Ich ging also etwas zaghaft auf das Gelände dieser merkwürdigen Firma, vielleicht teilten sie sich ja das Gelände mit der Uni. Und da tauchten auch Bäume auf und weiter hinten sah ich Grün und noch mehr Bäume und flach geduckte Gebäude, das sah dann schon eher nach Lehrgebäuden aus, da könnte es vielleicht sein. Ich steuerte auf eines dieser lang gestreckten niederen Gebäude zu, das, von Efeu überwachsen,verrußt und dreckig aussah. Eine Tür war offen. Vorsichtig schritt ich über den Steinboden in den langen dunklen Gang hinein, hinten sah ich Licht und Leute hin und her gehen und da kam mir ein jüngerer Mann entgegen: "Sind Sie Herr Wessinger?“ „Ja“ „Ich hab vor ein paar Tagen mit Ihnen gesprochen, ich bin Zhang Zhilian, ich mache die Verwaltung der Abteilung“ Er reichte mir die Hand. Zhang war proper und unauffällig gekleidet, mit einer grauen Hose, die eine Bügelfalte hatte, schwarzen glänzenden Schuhen, grauem, glatten oben offenem Hemd. Sein Gesicht war bleich und hinter seiner Brille schaute er ernst in die Welt. Sein Mund deutete ein Lächeln nur an: „Wir warten schon auf Sie“ Herr Wang führte mich ins Konferenz-Zimmer, wo an einem langen Tisch mehrere Menschen versammelt waren. Ich wurde reihum vorgestellt. „Direktor Guo, Professor Yu, Lehrer Chen und Ling und hier ihre künftige Kollegin Frau Zhou. Sie kommt grade aus Deutschland zurück.“ Sie nickte mir freudig zu.

Ich schaute mich kurz um: An den Wänden standen Schränke in billiger Holzverkleidung, deren Oberfläche sich schon zu lösen begann und in den Ecken stapelten sich verstaubte Kisten mit Zeitschriften und Büchern. Ein paar blau- silbrige Kassettenrekorder standen auf den Schränken. Durch die mit einer dicken Staubschicht bedeckten Fenster, vor denen Bäume standen, drang nur wenig Licht, weshalb an der Decke eine Neonröhre brannte. Jemand musste geraucht haben, es hing Nikotin in der Luft und ein Aschenbecher mit ausgedrückten Zigaretten stand auf dem Tisch. Professor Yu, klein und rund, schien vor Fröhlichkeit schier zu platzen. Er saß mir direkt gegenüber und ergriff das Wort. „Warum sind Sie eigentlich nach China gekommen?“ „Ach ich wollte das Abenteuer. Ich wollte mal sehen, wie es hier aussieht, was hier los ist. Außerdem interessiert mich die chinesische Kultur“ Man muss den Leuten ein bisschen schmeicheln, dachte er, das hilft. Außerdem war es auch gar nicht gelogen.

„Was interessiert Sie denn an der chinesischen Kultur?“ Er sprach fast Akzentfrei und flüssig Deutsch und blätterte in den Bewerbungsunterlagen, Anschreiben und Lebenslauf, die ich ihnen geschickt hatte. „Die alte chinesische Philosophie finde ich sehr interessant, Laotse, den Daoismus, Konfuzius, die Malerei, Kalligrafie….. Aber eigentlich wollte ich nur ein halbes Jahr nach China, mal so kurz schauen, aber jetzt will ich länger bleiben. Ich habe eine hübsche chinesische Frau kennen gelernt und will heiraten“ Was ringsum große Heiterkeit auslöste. „Sie wollen heiraten?“ ProfessorYustrahlte mich mit seinen makellos gesund blitzenden Zähnen an. „Ja, wir kennen uns aber erst seit zwei Monaten“ Er lachte. „Waren sie vorher noch nicht verheiratet?“ „Nein nein, ich war noch nie verheiratet.“ „Und Sie haben in Berlin und Stuttgart studiert?“ „Ich habe in Karlsruhe gearbeitet“ warf die junge Frau Zhou freudestrahlend ein „ Da komme ich grade her! Ich hatte einen Job am Fraunhofer-Institut“ „Ah ja? Is ja interessant!“

„Und Sie haben Unterrichts-Erfahrung?“ hakte der Professor nach. „Ja, ich habe in Amerika und England an Hochschulen unterrichtet, außerdem als Lehrer in Wuxi“ Professor Yu schaute wieder in die Unterlagen. „Und Sie haben auch als Journalist gearbeitet?“ „Ja als Radio-Journalist für den ARD. Allerdings nur als freier Journalist, nicht festangestellt. Da muss man um jeden Auftrag kämpfen. Deshalb bin ich froh, wenn ich ein festes Einkommen habe.“ „Ihnen ist allerdings klar, dass Sie während Sie für uns arbeiten, nicht als Journalist tätig sein können.“ sagte Herr Yu. „Ja klar“ sagte ich, wobei ich durchaus daran dachte, ein paar Sendungen über chinesische Themen in den nächsten Monaten zu machen. „Und was sind Ihre Gehaltsvorstellungen?“ fragte der Direktor, ein ziemlich junger stämmiger Mann in kurzem blauen Hemd, auf dessen Gesicht ein breites Grinsen lag. „Ich habe mit meinem Chef an der internationalen Schule gesprochen. Er hat gesagt, Schanghai ist sehr teuer, da muss ich glatt das Doppelte verdienen wie an der internationalen Schule, nämlich Zehntausend Yuan im Monat“ ( Ungefähr Tausend Euro) Ich konnte an ihren Gesichtern erkennen, dass sie Zehntausend zu hoch fanden, aber Professor Yu sagte: „Ja da haben Sie Recht, Shanghai ist teurer als Wuxi“ Einen Augenblick trat Stille ein. In den Köpfen wurde gerechnet und abgewogen. Ich hatte den Eindruck, dass man mich sympathisch fand und gerne als Lehrer haben wollte.

Erst viel später sollte ich erfahren, dass sie kaum eine andere Wahl hatten, als mich zu nehmen. Denn vor ein paar Tagen hatte ihnen ein österreichischer Lehrer, den sie schon unter Vertrag hatten, abgesagt. Es sei ihm doch zu wenig Geld. Dabei hatten sie ihm schon das Ticket zugeschickt. Dem hatten sie Achttausend Yuan zugesprochen. Es war Ende Juni, das Semester ging gerade zu Ende. Es waren nur noch zwei Monate bis zum Beginn des neuen Semesters im September. Und Deutschlehrer, die für Tausend Euro in China unterrichten wollten und auch geeignet dazu waren, waren nicht so leicht zu finden.

„Wenn wir uns darauf einigen könnten, dass Sie das Gehalt über zwölf Monate, statt nur während der Semesterzeiten bekommen, dann könnten Sie so Achttausend im Monat bekommen“ sagte der graue Verwalter vorsichtig. „Natürlich haben Sie dazu auch eine Wohnung frei.“ Ich verstand ihn nicht, weil ich davon ausgegangen war, dass ein Jahresvertrag sich auf ein Jahr erstreckte. „Das ist aber ein bisschen wenig“ sagte ich.„Also Zehntausend sollten es schon sein! Dafür bin ich gerne bereit, auch einen Zwei-Jahresvertrag zu unterschreiben! Ich will hier bleiben und heiraten!“ Dabei schlug ich mit der Faust auf den Tisch. Alle lachten. Dann flogen chinesische Wörter schnell hin und her und sie steckten die Köpfe zusammen und dann sagte Professor Yu: „Okay! Also gut, Zehntausend. Aber wir machen besser einen Einjahresvertrag. Wir müssen Sie ja erst mal kennen lernen, Aber den Vertrag können wir gerne verlängern, wenn wir mit Ihnen zufrieden sind.“

Die Versammlung löste sich auf, Sekretär Zhang versicherte mir, dass er mir sehr schnell in den nächsten Tagen die Vertragsunterlagen zuschicken würde, ich schüttelte noch mal dem Direktor und Professor Yu die Hand, der mir erzählte, dass er in Deutschland seinen Doktor gemacht habe, in Philosophie, über Nietzsche. „Soso über Nietzsche, den bösen Buben“ sagte ich. Professor Yu lachte. „Und wo haben Sie Ihren Doktor gemacht?“

„In Bayreuth“

Wie ich in China ein Kind bekam

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