Читать книгу Dornröschen muss sterben - Ulrike Barow - Страница 11

7

Оглавление

Wolf hatte es sich in der Küche neben Erwin Kanter gemütlich gemacht. Es war Mittag geworden und der Pegel der Flasche Genever näherte sich stetig dem Flaschenboden. Allerdings hatten die beiden daran nicht allein gearbeitet. Auch andere Pensionsgäste hatten ihre Köpfe durch die Tür gesteckt und sich nicht lange bitten lassen.

»Ist das schön, wieder hier zu sein. Die paar Tage habe ich auch bitter nötig.« Wolf lehnte seinen Kopf an die Rückwand des blauen Ostfriesensofas, das mit seiner elegant-gemütlichen Form der Blickpunkt der Küche war. »Was gibt es denn im Bootsclub Neues?«, fragte er mit halb geschlossenen Augen seinen Wirt, der nebenbei auch 1. Vorsitzender des Vereins war.

»Ach, nichts, eigentlich«, antwortete Kanter. »Der Bootshafen ist im Moment voll mit Gastliegern, vornehmlich aus Niedersachsen und Holland. Die meisten bleiben nur eine Nacht und werden wie in den letzten zwei Jahren von Klaas Bengen >bewacht<. Es ist uns zwar noch nicht gelungen, ein Mindestmaß an Freundlichkeit aus ihm herauszulocken, aber er versieht seine Arbeit gewissenhaft. Bis wir einen Neuen finden, müssen wir halt mit ihm vorliebnehmen. Zurzeit ist er besonders knurrig. Sein Bootsmotor ist kaputt und er hat wohl kein Geld für die Reparatur. Er ist so ein richtiger Einzelgänger, aber harmlos. Wäre doch noch ein Job für dich. Im Sommer hier, im Winter in Bremen.« Erwin Kanter lachte.

»Du, ich könnte mir schon vorstellen, hier ein paar Monate im Jahr zu verbringen, aber sowohl mein Kundenstamm als auch meine Familie würden definitiv Einspruch erheben. So, schenk uns man noch einen ein, und dann geh ich an die frische Luft. Mal sehen, ob sich Jannis irgendwo herumtreibt.« Wolf hielt seinem Gastgeber auffordernd sein leeres Glas entgegen.

Der Wirt nahm die Flasche aus dem Gefrierschrank, und es ertönte ein sattes Gluckern, als er die beiden Gläser füllte. »Auf eine gute Saison!« Die beiden stießen an.

In diesem Moment steckte Henriette Kanter den Kopf zur Tür herein. »Jetzt hat mein Fahrrad doch schon wieder einen Platten. Erwin, los, sei so freundlich. Ich muss gleich ganz schnell in den Insel-Markt und auch noch zum Rathaus. Ich brauche dringend neue Veranstaltungskalender, und mit deinem Herrenrad kann ich einfach nicht fahren. Ich habe ja immer gesagt, kauf dir ein Damenrad, aber du …«

»Ja, Henriette, natürlich, Henriette, wird sofort erledigt, meine Süße.« Mit einer eleganten Schlenkerbewegung stand Erwin Kanter auf. »Lieber Wolf, wie du hörst, die Pflicht ruft. Ich schätze, wir müssen unsere gemütliche Runde auflösen.«

Auch Wolf blieb nichts anderes übrig, als seinen inneren Schweinehund zu ignorieren und sich an der frischen Luft zu regenerieren. So nahm er den direkten Weg zur Haustür, obwohl seine Beine den Weg die Treppe hinauf in sein Zimmer bei Weitem vorgezogen hätten.

Als er die Tür öffnete, blendete ihn die kräftige Sonne. Er legte seine Hände über die Augen und blickte über den Hafen. Dahinter konnte er bei klarster Sicht die Seehunde auf der Sandbank am Norderneyer Ostende als winzige Punkte ausmachen. Müssten bald auch die ersten Jungen dort liegen, dachte er. Spätestens im Juni sollte es so weit sein.

Er beschloss, um die Strandmauer zu laufen. Als er auf die Uferpromenade bog, musste er sich mit einem beherzten Sprung vor zwei Fahrradfahrern retten. In ein fröhlich lautes Gespräch vertieft, hatten sie sämtliche Verbotsschilder und auch ihn völlig ignoriert. Aber er hatte sie erkannt. Der Chef seines Lieblingsrestaurants nebst Gattin! Und das zu dieser Uhrzeit! Mittags! Da sollten die doch wohl besser in der Küche stehen. Mindestens, solange er sich auf dieser Insel befand! Da wollte er gleich mal Tacheles reden. Er machte sich auf den Weg zum Restaurant Bliev Sitten, das als letztes Haus im Ostdorf versteckt in den Dünen lag.

Er war schon ein gutes Stück gelaufen, als vor ihm zwei Männer auftauchten. Selbst aus der Ferne bot der eine von ihnen eine imposante Gestalt – groß gewachsen, rötliche Haare – und Wolf irgendwie vertraut. Je näher die beiden kamen, desto sicherer wurde er. Es war tatsächlich Roland Lütjens, 1. Hauptkommissar aus Bad Zwischenahn, der sich dort locker lachend auf ihn zubewegte.

Als Wolf ihn das letzte Mal getroffen hatte, war die Situation völlig anders gewesen. Einer seiner Klienten war während eines Aufenthaltes in Bad Zwischenahn umgebracht worden. Im Zuge der Ermittlungen war Roland Lütjens auf Wolfs Detektei gestoßen, und so hatten sie sich kennengelernt. Die Fotos, die Wolf von der Gattin des Opfers mit ihrem Freund geschossen hatte, hatten dem Kommissar damals sehr geholfen. Ihre Beziehung hatte damals auf gegenseitiger Akzeptanz gefußt, und zuweilen hatte sogar etwas wie Sympathie durchgeblitzt. Aber nachdem der Fall abgeschlossen und die Frau überführt gewesen war, hatten sie sich nicht wieder gesehen.

Dornröschen muss sterben

Подняться наверх