Читать книгу Dornröschen muss sterben - Ulrike Barow - Страница 21

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Nein, es ging nicht. Er konnte den Kopf nicht bewegen. Mit Mühe hatte er das linke Auge aufbekommen, nun übte er mit dem rechten. Hendrik lag ausgestreckt auf dem Boden seiner Kajüte, den Kopf schmerzhaft zwischen Koje und einem vergessenen Fender eingeklemmt. Durch das Bullauge fielen Sonnenstrahlen, die an der gegenüberliegenden Wand mit dem Wiegen des Schiffes Zacken und Kreise malten. Linker Arm, rechter Arm, linkes Bein, rechtes Bein, Hendrik merkte zu seiner Beruhigung, dass noch alles da war, nur nicht seinen Befehlen gehorchte. Er beschloss, noch eine Weile liegen zu bleiben, denn sein Magen hob und senkte sich mit dem kurzen Wellenschlag im Hafen. Noch wollte seine Erinnerung nicht den Weg ins Licht antreten, so schloss er seine Augen wieder und fiel erneut in einen kurzen, traumlosen Schlaf, bis er von seinem eigenen Schnarchen geweckt wurde.

Und nun kam sie mit Macht. Die Erinnerung.

Sie hatte die Kajüttür geschlossen. Damit hatte alles begonnen. Nein, wenn er ehrlich war, hatte die Geschichte schon vorher begonnen. In seinem Kopf. Und weiter unten.

Sie hatten Kaffee getrunken. Schwarz ohne Milch. Sie waren sich nähergekommen. Zentimeter für Zentimeter. Dann hatte Schnucki eine Flasche Talisker Whisky, Single Malt, auf den Tisch gestellt. Und zwei Nosing-Gläser. So hatte sie die kleinen, bauchigen Gläser genannt, die zur Öffnung hin schmaler werdend zum Verkosten des Whiskys ein Muss waren. Seinen Einwurf, dass zu einem guten Whisky auch immer ein gutes Wasser gehörte und der gute Whisky ja auch eigentlich ihrem Gatten, wischte sie mit einem Lächeln vom Tisch. »Wasser ist für die Fische«, hatte sie gesagt, und »Cheerio«. Ein ums andere Mal. Und jedes Mal war der Abstand zwischen ihnen etwas kleiner geworden.

Er hatte nicht nein gesagt, weder zum einen noch zu dem anderen. Gefangen von der Situation. Der Gedanke an Britta war wie eine flüchtige Wolke vorbeigezogen. Es war warm gewesen in der Kajüte. Da war es nicht ausgeblieben, dass Schnucki ihr Nichts auszog und er sein T-Shirt. Ein Schweißtropfen war genau in der Mitte seiner Brust Richtung Bauchnabel gelaufen. Sie war ihm mit ihrem Zeigefinger gefolgt.

Was passiert, wenn die Geschwindigkeit konstant bleibt und der Abstand sich verringert? Die kleine Segelschule Band 1 Seite 15. Es kommt zu einer Kollision! Das war der letzte Gedanke, zu dem Hendrik fähig gewesen war.

Jetzt lag er in seinem Boot und versuchte das Ende der Geschichte zu rekonstruieren, aber es wollte ihm nicht einfallen. Je länger er nachdachte, desto verschwommener wurden die Bilder des Nachmittages. Ob er sich das Ganze nur eingebildet hatte? Was machte er hier eigentlich auf seinem Boot? Er hob seinen Kopf. Sozusagen als Test. Wie spät war es überhaupt? Sechs Uhr. Da hatte er doch glatt zwei Stunden gepennt. Oder war doch alles nur ein schöner Traum gewesen? Sein Blick fiel auf seine rechte Hand. Ein Kratzer zog sich quer über deren Rücken. Das Blut darauf war dunkel und geronnen. Verdammt, dachte er, wieder dieser Splitter in der Kajüttür. Ich muss sie unbedingt abschleifen.

Er setzte sich auf. Sein Mageninhalt stieg nach oben, machte jedoch kurz vor dem Austritt halt. Hendrik versuchte langsam auf die Beine zu kommen. Er musste aber sogleich feststellen, dass das schottische Lebenswasser noch wesentliche Bestandteile seines Körpers unter Kontrolle hatte, und legte sich mit einem tiefen Seufzer zurück in seine Ausgangsposition.

Dornröschen muss sterben

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