Читать книгу Blinder Hass - Ulrike Puderbach - Страница 7
Samstag, 19:00 Uhr
ОглавлениеAus der frisch renovierten Küche kam der verführerische Duft nach geschmortem Fleisch. Hartmut schnupperte. Marina stieß ihn in die Rippen. „Du siehst aus wie ein Hund, der gerade Witterung nach einem Stück Salami aufgenommen hat“, lachte sie. „Das liegt bestimmt daran, dass du mir nie was kochst“, frotzelte Hartmut und in dem Moment, wo Marina schon entrüstet antworten wollte, kam Tom die Treppe herunter. „Du siehst auch extrem mangelernährt aus“, er musterte den großen, breitschultrigen Hartmut von Kopf bis Fuß. „Guten Abend ihr zwei, gebt mir eure Jacken, ich hänge sie auf.“ Tom mochte Hartmut, oft diskutierten die beiden über Motorsport und Autos, ein Thema, das fast jeden Siebzehnjährigen faszinierte. Robert umarmte Marina kurz und drückte Hartmut die Hand. „Ich zeige euch jetzt erst einmal unser neues Reich, solange bis das Essen fertig ist.“ „Wo ist euer Hund?“, wollte Marina wissen, die sonst immer stürmisch von dem Mischling begrüßt wurde. Robert grinste. „In der Küche. Er gibt die Hoffnung nicht auf, dass Anna etwas fallen lässt.“ „Bestimmt kriegt das arme Tier genauso wenig zu essen wie ich“, schaltete sich Hartmut wieder in das Gespräch ein. „Ja, du bist schon wirklich arm dran“, stimmte Robert zu. „Aber ich kann dir versprechen, gleich wirst du bestimmt satt werden. Also oben sind Toms Zimmer, unser Schlafzimmer und das große Bad“, erklärte Robert, während sie die Treppe hochstiegen. Toms Zimmer sah aus wie das klassische Zimmer eines Jugendlichen, das Schlafzimmer, das Anna in einem warmen Orangeton gestrichen hatte, wirkte freundlich und hell. Marina und Hartmut lobten die geschmackvolle Auswahl der Möbel, die den Raum deutlich größer erscheinen ließen, als er eigentlich war. Wieder unten angekommen, stand Anna in der Küchentür, ein Abtrockentuch im Bund ihrer Jeans stecken, die Haare im Nacken mit einem Band gebändigt und leicht geröteten Wangen von der Wärme des Ofens. „In zehn Minuten können wir essen“, verkündete sie. Der Hund stand immer noch hoffnungsvoll neben ihrem Bein und schnupperte in Richtung ihrer verführerisch nach Fleisch duftenden Hände. „Es riecht köstlich“, sagte Hartmut. „Ich hoffe, es schmeckt auch so“, antwortete sie lachend. „Was möchtet ihr trinken?“ Robert hatte eine Flasche Weißwein und Wasser aus der Küche geholt. Er entkorkte die Flasche, stellte sie auf den Tisch. Anna kam mit einem großen Bräter aus der Küche, den sie in die Mitte des Esszimmertisches stellte. Marina folgte ihr mit zwei großen Schüsseln mit Kartoffeln und Gemüse. „Aber zuerst stoßen wir mit einem Glas Sekt auf den überstandenen Umzug an“, Robert ließ den Korken knallen und goss Sekt in fünf Gläser. Sie stießen an, setzten sich an den Tisch und Anna verteilte saftigen Schweinebraten in cremiger Sauce auf die Teller. Es schmeckte ganz ausgezeichnet und Hartmut fing sich einen dezenten Tritt von Marina unter dem Tisch, als er das zweite Mal nachnahm. Anna quittierte das mit einem Lachen. „Schön, dass es euch schmeckt.“ Während des Essens vermieden sie es bewusst, über den Job zu sprechen, allerdings ließ es sich nicht auf Dauer umgehen, wenn die vier nach Feierabend zusammen saßen. Außer Anna hatten ja schließlich alle direkt damit zu tun, aber Robert wollte sie nicht aus seinem Leben ausschließen, diesen Fehler konnte und wollte er nicht noch einmal machen. Nach dem Essen verzog sich Tom auf sein Zimmer – eine Flasche Cola und eine Tüte Chips unter dem Arm. Sein Schulfreund Julian wollte noch vorbei kommen und so setzten sich die vier, nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, in die gemütliche Couchecke. Anna zündete die Kerzen in den Wandhaltern an, Robert entkorkte eine weitere Flasche von dem hervorragenden Weißwein, den er aus dem Keller geholt hatte. Marina und Hartmut schauten sich an. „Dann fahren wir gleich mit dem Taxi zu dir“, sagte sie. „Das ist näher.“ Anna lehnte sich mit dem Rücken an Robert, der den Arm um sie legte. Sie streckte ihre Beine aus und sagte dann: „Hoffen wir einfach mal, dass es den Rest des Wochenendes ruhiger bleibt als heute Morgen.“ Hartmut nickte zustimmend. „Wir haben das ganze Zeug für den DNA-Abgleich zu uns bekommen. Also mal ganz ehrlich, da hatte einer aber ne ziemliche Wut oder er hat zu viel Hannibal Lecter gesehen.“ „War es wirklich so schlimm?“, wollte Anna wissen. „Schlimmer“, antwortete Robert und legte den zweiten Arm auch um sie, als wolle er sie gegen die Brutalität und Unmenschlichkeit der Welt beschützen. „Diesem Typ, gehen wir mal sicher davon aus, dass es einer war, müssen sämtliche Sicherungen durchgebrannt sein.“ „Das arme Mädchen.“ Marina schüttelte sich bei dem Gedanken an das Blutbad vom Morgen. „Sowas habe ich in meiner Karriere selten gesehen. Es hat mich kurz an die Geschichte von Jack the Ripper erinnert, aber es war doch noch anders. Irgendwie habe ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Er fesselt sie ans Bett, was ja an sich bei Prostituierten – und sie war eine Edelnutte – nicht unbedingt ungewöhnlich ist, statt sie aber dann zu erstechen, lässt er sie regelrecht ausbluten und ich weiß noch nicht genau, ob ich wirklich im Detail wissen möchte, was er vorher mit ihr angestellt hat.“ Robert schaute sie an. „Ich kann dir versichern, dass du es am Montag in allen Einzelheiten in Hofmanns Gruselkabinett erfahren wirst. Du weißt, da kennt der nichts.“ „Puuh“, Anna schüttelte sich und räkelte sich tiefer in Roberts Arm. „Da bin ich schon froh, dass ich mich nur mit meinen Texten, beziehungsweise deren Autoren herumschlagen muss. Die sind zwar mitunter gewaltig anstrengend, aber wenigstens sind sie nicht gefährlich – außer für meine Nerven.“ Marina musste lächeln. „Na, einfach hast du es mit denen bestimmt auch nicht immer. Aber lass uns von etwas Angenehmem reden, für heute haben wir Feierabend.“ Den restlichen Abend ließen sie das Thema ruhen, nach der zweiten Flasche Wein wurde auch noch die dritte entkorkt und zu später Stunde packten sie noch das Spiel des Lebens aus. Anna wurde schwerreich, heiratete und bekam vier Kinder, während Robert bettelarm blieb, aber dafür auch vier Kinder hatte. Alle hatten Riesenspaß, sie lachten so laut, dass irgendwann Tom und Julian vom Gelächter angelockt die Treppe herunter kamen und sich der Spielerunde anschlossen. Für einen unbeschwerten Moment vergaßen sie alles, was da draußen in der Stadt passierte – auch dass dort immer noch ein wahnsinniger Irrer herumlief, der Frauen mit dem Messer die Schlagadern aufschlitzte. Es war fast drei Uhr, als Marina und Hartmut sich schließlich verabschiedeten. Sie winkten noch zum Abschied, als sie in das wartende Taxi stiegen – nicht ahnend, dass es nicht lange dauern würde, bis das Telefon sie wieder aus dem Bett klingeln würde.