Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 - Urs Bircher - Страница 13

Frühe Positionen

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Von 1932 bis 1936 verfaßte Frisch als freier Journalist für die NZZ und andere Zeitungen46 über hundert Beiträge zu unterschiedlichen Themen. Nur zwanzig dieser Texte hat er 1976 in die Gesammelten Werke (gw) aufgenommen. Hans Mayer, der Freund und Herausgeber, betonte, Frisch habe »in keinem Fall aus inhaltlicher Erwägung: weil er etwa mit damaligen Aussagen nicht mehr übereinstimmte« einen Text abgelehnt, sondern nur »wenn es sich um schwächere Wiederholungen von Texten handelte, die ihrerseits in der Ausgabe erscheinen sollten«.47 Abgesehen von der Erzählung Antwort aus der Stille und einigen Artikeln aus den Jahren 1935/36 trifft dieses Auswahlprinzip einigermaßen zu.48 Ich werde mich daher vor allem an die in den Gesammelten Werken publizierten Texte halten, da diese allgemein zugänglich sind.49

Bei den frühen Texten handelt es sich vor allem um Rezensionen, Reiseberichte, Sportberichte (v.a. Eishockey), Reflexionen, Lokalreportagen und Kurzgeschichten. Sie sind interessant, weil sie einen weitgehend unbekannten Frisch dokumentieren, einen jungen Schriftsteller, der sich inhaltlich und stilistisch noch kaum von der damals gängigen Blut- und Bodenliteratur abgrenzte. Da ist zum Beispiel die Rede davon, wie man eine Straße »in den harten Berg zwingt«, wie »eine Wunde, so eine junge frischerdige Straße«, und mit dem Arbeitsschweiß schüttelt der Intellektuelle auch seine Selbstzweifel von der Stirn: »Schluß mit der Selbstzerlegung, die endlos und kernlos ist; wie eine Zwiebelschälerei.«50 Zugleich aber weiß Frisch auch, daß körperliche Arbeit letztlich nur »innerliche Öde« erzeugt und wahres und geistvolles Leben nur in der Stadt möglich sei. Aber geistvolles Leben ist selbstquälerisch, also schwärmt der Stadtmensch von der Ursprungsgewalt des ungebrochenen Landmenschen: »Etwas Unerwartetes in einer Welt der überfeinerten, bis zur Erdfremdheit vergeistelten, unvitalen Stadtseele: Dieser Bauerndichter, der ein Riese ist aus Frische und Erdhaftigkeit. Etwas Ursprungsgewaltiges, vor dem wir Hofmannsthalschen Claudios klein und blaß sind«, urteilt Frisch über Richard Billingers Pfeil im Wappen.51 Dichten sei »das Rauschen in der Tiefe« hörbar machen, die »Gegenstände selber zum Sprechen bringen«. Journalismus dagegen sei bloß eine »Photographie«, ein »Reiz ohne Tiefgang«.52

Man könnte seitenweise weiter zitieren, die kleine Auswahl mag genügen. Sie zeigt hinlänglich, wie erd- und heimatverbunden, konservativ und antiintellektuell der junge Dichter und Journalist in seinen Anfängen war; ein Adept seiner nicht minder konservativen Lehrer und Förderer Faesi, Staiger, Korrodi. Die Nähe zur faschistischen Literatur drängt sich auf, doch es wäre falsch, von dieser auf Frisch zu schließen. Auch die faschistische Literatur wurzelte im breiten konservativen Literaturverständnis der Zeit; sie hat die Blut- und Bodendichtung nicht erfunden, jedoch für ihre politischen Zwecke radikalisiert und instrumentalisiert.

Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991

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