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Kapitel 9

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Kirsch hatte schon mehrfach bei Jan Schwarz in der Redaktion angerufen, aber dieser blieb einfach verschollen.

Auch der Chefredakteur wusste nicht, wo er sich aufhielt. Aber das war nichts Neues bei Jan Schwarz, wie er Kirsch erklärte. Denn bei seinen Recherchen war er schon mehrfach verschwunden und nach einigen Tagen plötzlich wieder aufgetaucht.

„Keine Bange, der kommt wieder!“, erzählte der Chefredakteur Kirsch, und dieser beruhigte sich dann etwas.

Doch Kirsch blieb einfach innerlich unruhig, denn mit Entführungen hatte Kirsch ja schon mehrfach zu tun.

Als er die Geschichte Moni erzählte, meinte sie nur: „Ruf doch mal Eva Zorn an, die kennt ihn doch auch noch von früher! Vielleicht bestätigt sie dir sein immer wiederkehrendes plötzliches Verschwinden auch, und dann bist du vielleicht nicht mehr so aufgeregt?“

„Das ist eine gute Idee!“, entgegnete Kirsch und gab seiner Frau dafür auch einen Kuss.

Doch zunächst holte er sich noch seinen Schlummertrunk und verschwand in seinem Lieblingssessel.

Kurze Zeit später sackte sein Kopf schon nieder und er schlief einfach ein. Doch das war bei Kirsch immer nur ein kurzer Schlaf, eben ein Nickerchen im Sessel.

Kirsch träumte immer viel, wenn er mit Recherchen und Ermittlungen beschäftigt war. Sein Gehirn arbeitete da auch noch des Nachts wie wild, das hatte ihm mal ein Traumexperte erklärt, den er aufgesucht hatte, denn diese schrecklichen Albträume beschäftigten ihn eben auch noch am Tag.

„Das ist ganz natürlich, denn Ihr Unterbewusstsein verarbeitet alles auch in Ihren Träumen, machen Sie sich deshalb keine Sorgen. So ist es viel besser, damit verarbeiten sie auch die Geschehnisse viel schneller und besser“, meinte der Experte.

Gut möglich, dachte sich daraufhin Kirsch und so träumte er auch immer wieder die unmöglichsten Dinge.

Moni erzählte ihm dann am anderen Morgen, dass er wieder mal ziemlich viel geschwätzt und auch geschluchzt hat im Schlaf. Doch Moni war da sehr rigoros mit ihrem Kirsch und gab ihm dann auch immer wieder des Nachts einen Schubs, wenn er gar nicht mit seinem Geschwätz aufhören wollte. So kehrte dann auch immer im Schlafzimmer der Kirschs Ruhe ein und Kirsch wusste am anderen Morgen auch gar nicht mehr, was er des Nachts so alles angestellt hatte.

Kirsch ging dieser unheimliche Mord an Pierre Klein auch nicht mehr aus dem Kopf. Wie er bei Kommissar Schnebel in Erfahrung bringen konnte, wurde Klein einfach von hinten gepackt und mit einer Schlinge um den Hals solange erwürgt, bis er tot war, fast war es so wie bei Sonia Petzoldt. Dann wurde Klein einfach tot am Tatort liegengelassen. Er hatte noch die Autoschlüssel in der Hand. All dies hatte Kirsch bei Kommissar Schnebel in Erfahrung bringen können.

Als er wieder von seinem kurzen Schlaf im Sessel aufwachte, sah er wieder die Akten von Pierre Klein vom Keltenring auf dem Boden liegen.

Und als er schließlich noch sein halb volles Glas Spätburgunder entdeckte, wurde ihm klar, dass er nur ein bisschen eingenickt war. Schnell holte er seine Aktentasche hervor und mit ihr die Akten, die fein säuberlich von Helen zusammengetragen wurden. Denn der alte Keltenring-Fall war noch nicht endgültig abgelegt worden, da der echte Keltenring, der der Göttin Brighid gewidmet war, immer noch als verschollen galt.

Mit geübten Fingern blätterte er die Akten durch und schaute sorgfältig nach, ob ihm nicht gleich irgendwo der Name dieses Pierre Klein oder Orly auffallen würde.

Doch dem war nicht so. Der Mann, den ich an der Galerie gesehen habe, kam mir nicht bekannt vor, dachte Kirsch, aber der Name schon. Elise von Monroe, die Eigentümerin vom Landgut Amalienburg hatte doch damals fest behauptet, dass Pierre Orly oder Orlon Linettes Freund gewesen war, was aber die Großmutter von Linette, nicht bestätigen konnte. Und Linette war das erste Mordopfer beim Keltenring-Fall, fiel Kirsch auch wieder ein.

Mit einem Bilderfälscher hätte sich Linette, die doch Kunst studierte, nicht abgegeben, hatte Linettes Großmutter immer wieder betont, erinnerte sich auch noch Kirsch an die alte Dame und ihre Aussage.

„In welche Gefilde begebe ich mich jetzt wieder?“, fragte sich Kirsch, dem plötzlich wieder sehr unwohl wurde, weil er eigentlich mit den Ermittlungen und dem Mord an der Schauspielerin gar nicht betraut worden wäre, wenn er selbst nicht darauf bestanden hätte.

An diesen Keltenring-Fall wollte Kirsch gar nicht denken und auf keinen Fall erinnert werden, denn auch dieser Mordfall war damals mehr als mysteriös.

Doch der sagenhafte Keltenring war immer noch verschwunden. Nur der falsche Ring soll im Wiesenbacher Heimatmuseum untergebracht sein, überlegte Kirsch, wobei aber bis heute nicht genau feststand, ob es sich im Heimatmuseum tatsächlich um den falschen Ring, oder nicht sogar um den echten Ring, handelt.

„Wenn das der Bürgermeister erfährt, dass wir nochmals den Keltenring-Fall mit dem sagenumwobenen Ring aufrühren, dann springt er mir doch glatt ins Gesicht, das weiß ich genau“, brachte Kirsch etwas mühsam hervor.

Kirsch wollte nun doch am anderen Tag Eva Zorn anrufen, die ihm vielleicht auch etwas zu den Bilderfälschern und dem Keltenring sagen konnte. Vielleicht wusste sie ja auch, wohin Jan Schwarz verschwunden war?, dachte Kirsch und machte sich auch noch Notizen in sein schwarzes Büchlein.

Das Büchlein wies aber nur noch ein paar Seiten auf, denn alle anderen waren vollgeschrieben mit Notizen zu seinen merkwürdigen, ja sogar skurrilen Mordfällen, die den Bürgermeister auch immer wieder auf die Palme brachten. Doch das Büchlein klappte er dann gleich zu. Er wollte sich nicht mehr mit den alten Dingen beschäftigen. Die waren doch Schnee von gestern, dachte er noch.

„Gleich morgen früh fahre ich auch nach Freiburg, denn ich muss unbedingt noch mit den Theaterleuten Verbindung aufnehmen und dem Theater in Freiburg einen Besuch abstatten“, murmelte er leise, damit Moni nichts davon mitbekam, denn sie war immer sehr hellhörig, auch wenn sie sich im Wohnzimmer aufhielt.

Kommissar Schnebel soll mich zum Theater begleiten, dachte Kirsch noch. Doch dann fiel ihm zum zweiten Mal die Akte aus den Händen, denn der Schlummertrunk oder auch zwei zeigten wieder mal ihre Wirkung. Irgendwann fing er zu schnarchen an, was wiederum Moni hörte, die nebenan noch einen Tatort im Fernsehen ansah.

„Wenn die Kommissare im Fernsehen wüssten wie es im wirklichen Polizistenleben zugeht, dann wären manchmal die Fälle nicht so stark konstruiert, sondern würden sich am normalen Leben orientieren“, murmelte Moni, als sie ihren schnauzbärtigen und schnarchenden Kommissar so zusammengekrümmt vor sich liegen sah.

Doch dann weckte sie ihren Kirsch auf und so ging der Abend dann auch zu Ende.

Als Kirsch aufwachte am anderen Morgen, dachte er zunächst gleich wieder an die ermordete junge Schauspielerin aus Freiburg.

Angezogen von dem wunderbaren Kaffeeduft, der sich im Haus verbreitete, sprang Kirsch elektrisiert auf, und freute sich gleich auf seine Tasse Kaffee und ein Honigbrötchen.

Im Büro traf er auch bereits auf Helen, und auch Eugen kam schon wieder mit seinen Croissants und Brezeln im Kommissariat an.

„Heute fahren wir nach Freiburg. Eugen, du fährst mit, denn vier Augen und vier Ohren sehen und hören einfach mehr.“

Mit Helens Kaffee und Eugens Croissants nahmen die beiden noch eine Stärkung zu sich.

„Helen verbinde mich doch gleich mit Eva Zorn. Jan Schwarz hat sich bis gestern immer noch nicht gemeldet und ich weiß nicht, was mit ihm los ist. So einfach von der Bildfläche zu verschwinden, das geht doch nicht.“

Kurze Zeit später war er auch schon mit Eva Zorn verbunden, die sich auch wunderte, dass Jan Schwarz verschwunden war.

„Wenn er eine Geschichte recherchierte, dann war er wie besessen, das ist schon richtig. Aber als ich in Freiburg war, habe ich nicht gesehen, dass ihn die Geschichte mit der Schauspielerin so stark in Anspruch genommen hat“, entgegnete Eva Zorn.

„Er hat mir nur gesagt, dass ihn die Geschichte an eine alte Geschichte in Hannover erinnert. Da ist auch eine Theaterschülerin ermordet worden, auch mit einem Schal, und im Wald tot aufgefunden worden, gerade so wie jetzt im Schwarzwald, bei ihrem ‚Balzer Herrgott‘.“

„An einen alten Fall hat er sich erinnert?“, sagte Kirsch etwas fragend zu Eva Zorn.

„Wissen Sie noch, wie das Mädchen hieß und wann der Mord geschehen ist?“

„Im Augenblick nicht, aber ich kann es Ihnen heraussuchen lassen, wenn Sie möchten?“

„Ja, ich will! Ich kann mich dann auch mit den Kollegen in Hannover in Verbindung setzen.“

„Wenn es ein Serienmörder ist, dann müssen wir auf der Hut sein, dann kann er demnächst schon wieder zuschlagen.“

Auch wielange der alte Fall zurückliegt, wollte Kirsch noch wissen.

„Wir haben nämlich schon wieder einen neuen Fall in Freiburg, und zwar in der Galerie M. Ein Angestellter aus der Galerie M. wurde dort in der Tiefgarage ermordet und es ist eine Person, die auch mit einem früheren Fall von mir zu tun hat, und das macht mich sehr stutzig. Man konnte ihm seinerzeit nichts nachweisen. Erinnern Sie sich noch an den Ring der Keltengöttin?“

„Ja, natürlich, erinnere ich mich an diesen merkwürdigen Fall!“, sagte daraufhin Eva Zorn, die immer leiser am anderen Ende des Telefons wurde.

„Hatte dieser Mann, der ermordet wurde, etwas mit Bilderfälschern zu tun, oder war er selbst ein Bilderfälscher?“, fragte Eva Zorn nach.

Dies wiederum machte den Kommissar sehr neugierig.

„Ja, es wurde ihm zumindest nachgesagt, dass er Bilder gefälscht haben soll.“

„Ich komme deshalb darauf zurück, denn als ich bei Jan Schwarz war, hat er mir was von einem Bilderfälscherring mitgeteilt, dem er auf der Spur ist. Er wurde von einer Dame angerufen und er sollte schnellstens in die Galerie M. kommen, da wären wieder Bilderfälscher am Werk, so ungefähr habe ich ihn verstanden“, erzählte Eva Zorn munter drauf los.

„Es gibt bei uns auch ein Informant, der uns schon darauf hingewiesen hat, dass wieder eine große Ladung mit gefälschten Bildern aus Amerika eintreffen soll“, teilte Eva Zorn noch weitere Neuigkeiten mit.

„Ich kann mit diesem Informanten nochmals Verbindung aufnehmen. Vielleicht hängt das ja auch mit der Recherche von Jan Schwarz zusammen und wenn er sich in diesem Milieu bewegt, muss er schon sehr aufpassen. Diese Leute sind nicht zimperlich.“

„Nur, wie das auch mit der ermordeten Schauspielerin zusammenhängt, weiß ich nicht. Sie hatte auch die Galerie M. aufgesucht, wie andere Schauspielkollegen behaupten, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie was mit einem Bilderfälscherring zu tun hatte.“

„Ja, das stimmt, aber vielleicht hat sie was beobachtet und das ist ihr zum Verhängnis geworden?“

„Frau Zorn, da bringen Sie mich wirklich auf eine geniale Idee. Das kann schon sein, dass sie während der Vernissage in der Galerie M. was beobachtet hat.“

„Ich fahre jetzt nachher nach Freiburg und bespreche mich mit Kommissar Schnebel aus Freiburg, und wenn Sie mehr wissen, dann rufen Sie mich an.“

„Vielleicht kommen Sie auch noch mal nach Wiesenbach. Die Fasnacht steht ja auch wieder demnächst an, denn im Monat November geht die Kampagne mit dem 11.11. los.“

„Ach, die Fasnacht, die ist einfach fantastisch bei euch da unten. Da ist in Hannover nichts los. Mal schauen, was ich einrichten kann!“

„Was macht übrigens Bürgermeister Wohlgemuth, ich habe gehört, dass er sich als Abgeordneter für den Landtag bewerben möchte“, erzählte Eva Zorn, nichts ahnend, dass Kirsch davon noch nichts wusste.

„Was?“, rief Kirsch, „davon weiß ich ja noch gar nichts. Sehen Sie, die Presse weiß doch immer mehr, mehr sogar als die Polizei.“

„Ja, er möchte sich für den Ortenaukreis bewerben.“

„Da bin ich mal gespannt, was seine Frau, die Lene, dazu sagt!“

„Die kennen Sie sicherlich besser als ich“, meinte Eva Zorn lachend.

Dann verabschiedete sich Kirsch von der Journalistin und notierte sich aber gleich die Neuigkeit.

Kirsch und Eugen begaben sich dann auf den Weg nach Freiburg. Kommissar Schnebel empfing die beiden gleich, hatte sie doch Helen schon angekündigt.

Kirsch wollte natürlich gleich wissen, was die Obduktion von Pierre Klein ergeben hatte.

„Konnte man DNA-Spuren erkennen?“, fragte er Kommissar Schnebel, der jedoch nur mitteilte, dass die Pathologie noch nicht so weit ist.

„Aber was sagt Ihr Pathologe, Doktor Dorer, überhaupt zur Leiche von Sonia Petzoldt?“

„Das wissen Sie noch gar nicht, sie war schwanger!“

„Schwanger, das wirft natürlich wieder andere Fragen auf!“, meinte Schnebel.

„Die Schauspielerin hatte ja viele Verehrer, wie ich schon in Erfahrung bringen konnte, und da müssen wir ansetzen. Ich glaube eher, dass es eine Beziehungstat war und kein Serienmord“, konterte Kommissar Kirsch, denn den Fall aus Hannover kannte ja der Freiburger Kommissar noch gar nicht. Doch Schnebel zuckte bei dem Wort „Serienmord“ nur so zusammen.

„Übernehmen Sie ein paar Verehrer, oder wollen Sie mir alle überlassen?“, fragte Kirsch und schmunzelte über sein Gesicht.

„Verehrerinnen wären mir lieber!“

„Das kann ich mir denken, dass Sie sich die hübschen Schauspielerinnen nicht entgehen lassen wollen.“

„Nur aus beruflichen Gründen, ich bin glücklich verheiratet und da würde mir meine Frau Moni gewaltig zusetzen“, ging das Geplänkel zwischen den beiden Kommissaren munter weiter.

Eugen stand ein bisschen verloren herum.

„Wissen Sie übrigens schon, dass Jan Schwarz, der Reporter der Freiburger Zeitung, verschwunden ist, geradezu verschollen ist?“, meinte Kirsch zu Schnebel.

„Nein, ich hatte ja noch keinen Kontakt mit ihm.“

„Aber, warten wir mal ab, denn die Reporter haben ihre eigenen Methoden an Geschichten heranzukommen!“

„Das ist richtig, auch der Chefredakteur hat mir signalisiert, ich solle mir keine Sorgen machen.“

„Ich werde also jetzt ins Theater marschieren, zusammen mit meinem Assistenten Eugen und dort meine Ermittlungen fortsetzen, Sie können gleich mitkommen!“, forderte Kirsch den Freiburger Kollegen auf, der jedoch abwinkte, denn er hatte selbst genug zu tun.

„Wir können uns nach ihrem Gespräch telefonisch verständigen, ich denke, das reicht aus!“

Informationen zum Tod von Pierre Klein wollte Schnebel dann Kirsch auch noch mitteilen, wie er betonte.

„Kommissar Schnebel, ich muss Ihnen auch noch sagen, dass dieser Pierre Klein oder Orly, wie er auch mal hieß, mir nicht ganz unbekannt ist. Erinnern Sie sich vielleicht an den Fall mit dem Ring der Keltengöttin, der seinerzeit durch alle Gazetten ging? Denn dieser sagenhafte Ring, der der Keltengöttin Brighid gewidmet ist, bleibt noch immer verschollen. Und in diesem Fall tauchte eben auch dieser Pierre Klein oder Orly auf.“

„Wir haben zwar in unserem Heimatmuseum in Wiesenbach den falschen Ring, wobei ich aber auch schon mal vermutet habe, dass es womöglich auch der richtige Ring sein könnte und es gar keinen falschen Ring gegeben hat.“

„Doch vielleicht dreht sich ja alles auch nur um diesen Ring, wer weiß?“, gab Kommissar Kirsch weiter zu bedenken.

Kommissar Schnebel staunte nicht schlecht über die Neuigkeiten von Kirsch.

„Das ist Ihr Fall, denn mit dem Keltenring will ich nichts zu tun haben“, sagte der Freiburger Kommissar knallhart zu Kirsch, dem die beiden Morde schon jetzt genügten.

„Klar, das geht in mein Gebiet und ich arbeite auch daran, nur wenn Sie vielleicht etwas in diese Richtung hören, dann melden Sie sich bitte bei mir!“, ordnete Kommissar Kirsch an, um auch die Kompetenzen festzulegen.

Kirsch und Eugen verabschiedeten sich von Kommissar Schnebel und gingen in Richtung Stadttheater. Doch Kirsch hatte natürlich noch einen kleinen Umweg eingeplant. Er wollte jetzt unbedingt eine rote Wurst auf dem Markt in Freiburg essen.

„Auf so eine rote Wurst auf dem Freiburger Marktplatz am Münster habe ich mich schon lange gefreut“, meinte er zu Eugen.

„Eugen, das sind die besten roten Würste, die es gibt, da wirst du mir Recht geben“, murmelte er noch und dann ging er schnurstraks zur Wurstbude. Da wollte sich Kirsch nicht mehr aufhalten lassen, selbst nicht von einer weiteren Leiche.

Kirsch und Eugen stapften dann beide mit finsterer Miene durch Freiburgs Straßen, obwohl sie sich gerade einem Essensgenuss hingegeben hatten.

Es war gerade Probe, als sie im Stadttheater ankamen.

Jetzt sind womöglich alle noch bei der Probe und wir können uns den Termin schenken, dachte Kirsch, als er und Eugen am Theater ankamen. Einen älteren Herrn entdeckte er dann noch an der Tür.

Diesen älteren Herrn, der ihn stark musterte, habe ich doch schon einmal gesehen, überlegte Kirsch, als sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Dame, eine sehr elegante Dame, ebenfalls dem Stadttheater näherte, und die Treppen am Eingang erklomm. Der Herr, der den Kommissar immer wieder beobachtete, sah die Dame ebenfalls und winkte ihr zu.

In diesem Augenblick schaute die Dame auf und dabei streifte sie mit einem Blick den Kommissar.

Sie zuckte leicht zusammen, was Kirsch ebenfalls bemerkte, aber die Dame kannte er nicht.

Doch dann winkte die Dame dem distinguierten Herrn und rief ihm kurz zu, dass sie noch in die Stadt gehen wollte und man sich doch später im Café treffen könnte.

Der Herr war wohl etwas ungehalten, aber er fügte sich und mit schnellen Schritten entschwand die Dame in einem Getümmel von Passanten.

Kirsch kam die Szenerie merkwürdig vor, aber er kümmerte sich nicht darum, denn eigentlich wollte er zu Eva Warnstede und diesem Wolfi, wie sie ihren Kollegen nannte.

Eugen stand auch nur stumm neben Kirsch und wusste nicht, weshalb sie eigentlich zu den Schauspielern im Theater gingen.

„Komm, Eugen, wir suchen jetzt mal die beiden Schauspieler auf!“, rief ihm Kirsch zu.

Kaum hatte er das ausgesprochen, kamen die beiden aber gerade schon um die Ecke, als hätten sie es miteinander abgesprochen.

„Hallo, Herr Kirsch!“, rief Eva ihm zu und Kirsch freute sich, die junge Schauspielerin zu sehen, die er sehr sympathisch fand.

„Was führt Sie denn schon so schnell zu uns ins Theater. Wollen Sie bei den Proben zusehen, aber das ist nicht gestattet“, sagte Eva und lachte.

„Nein, ich bin auf der Suche nach Jan Schwarz. Er ist nicht auffindbar. Er ist verschwunden. Vielleicht wissen Sie was?“

„Ich, nein, ich habe Jan Schwarz auch nur gestern kurz gesehen. Er musste ja gleich fort. Irgendeine Lady hatte ihn angerufen und gesagt, es sei dringend und er solle sofort kommen.“

„Ja, das ist mir auch bekannt!“, entgegnete Kirsch und machte ein bestürztes Gesicht.

„Wenn wir jetzt schon hier sind, dann könnten wir doch auch ihre Kollegen befragen, was sie über Sonia Petzoldt wissen?“

„Kennen Sie den Freund von Sonia Petzoldt oder wissen Sie, mit wem sie befreundet war?“, fragte der Kommissar gleich.

„Mehr, als ich Ihnen gestern sagen konnte, weiß ich auch nicht. Sie war öfters auch in der Galerie, das hat sie mir mal erzählt.“

„Übrigens auch unser neuer Intendant ist öfters in der Galerie. Vielleicht kennen sich die beiden, die Galeristin und der Intendant?“

„Dann muss ich wohl auch noch mit dem Intendanten sprechen. Wissen Sie wo er ist?“, entgegnete Kirsch ziemlich schnell.

„Vielleicht fragen Sie mal bei seiner Sekretärin oder Assistentin nach?“, informierte Eva Warnstede den Kommissar, denn eigentlich wollte sie sich nicht groß mit dem Intendanten abgeben, aus einem bestimmten Grund, den aber Kirsch nicht kannte.

„Und wo finde ich diese Dame?“

„Im dritten Stock sind die Büros, dort müsste sich seine Assistentin aufhalten.“

Kirsch schnappte Eugen und verabschiedete sich von den beiden.

„Wir sehen uns sicherlich noch mal!“, entgegnete Kirsch, lachte dabei und winkte den beiden noch zu.

Kurz darauf standen Kirsch und Eugen dann vor der Tür zum Zimmer der Sekretärin, einer Frau Stein.

Kirsch klopfte und dann stand plötzlich die Sekretärin vor ihm. Es war eine attraktive Mittfünfzigerin und sie sah Kirsch ziemlich vorwurfsvoll an.

„Wer sind Sie denn, was wollen Sie zu dieser Stunde, und überhaupt hier oben haben Sie nichts zu suchen?“, herrschte sie Kirsch an, was die Laune von Kirsch ziemlich verschlechterte.

Er hob schnell seine Visitenkarte und die Polizeimarke hervor und schon zuckte die Dame zusammen.

Was hat sie denn zu verbergen, wenn sie zusammenzuckt, sobald sie meine Polizeimarke sieht, überlegte Kirsch.

„Allesamt sind es sehr mysteriöse Personen, diese Schauspieler, und viele Geheimnisse ranken sich um dieses Theater“, meckerte Kirsch zu Eugen, der nur nickte.

„Was führt Sie denn jetzt zu mir?“, meinte daraufhin Frau Stein zuckersüß, was Kirsch wieder die Galle hochsteigen ließ.

„Ich muss dringend den Intendanten sprechen!“

„Was hat er denn verbrochen?“, warf sie wieder mit eisiger Stimme ein.

„Verbrochen nichts, bis jetzt noch nichts, ich muss ihn dringend in einer Mordsache sprechen.“

„Mordsache, in welcher Mordsache?“, herrschte sie wieder den Kommissar an.

„Das sage ich ihm dann schon persönlich“, reagierte Kirsch ebenfalls sauer auf ihre Neugierde.

Was bildet sich denn diese Person ein, mich so auszufragen, dachte Kirsch.

Eugen stand immer noch stumm wie ein Fisch daneben und blickte nur von einem zum anderen, denn Kirschs Geplänkel mit den verdächtigen Personen waren ihm ja nicht neu.

Dann warf er plötzlich ohne Kirsch direkt anzuschauen ein: „Wir ermitteln in einem Mordfall, der am ‚Balzer Herrgott‘ geschehen sein könnte, denn dort wurde die Tote aufgefunden und dabei handelt es sich um die Schauspielerin Sonia Petzoldt, den Namen der Toten kennen wir bereits und Sie werden ihn ja auch kennen.“

Kirsch schaute Eugen nur von der Seite her an, weil Eugen plötzlich so energisch auftrat.

„Ach, so, um diesen Mordfall handelt es sich!“, entgegnete dann ruhig Ilona Stein.

Wenn man mit den Leuten normal spricht, dann reagieren sie auch normal, dachte Eugen, der selbst über seinen Mut, in den Dialog zwischen Kirsch und Frau Stein einzugreifen, ganz überrascht war.

„Der Intendant ist jetzt noch zu Mittag, aber er wird wieder in Bälde zurück sein. Gehen Sie doch bitte in die Kantine, und warten Sie dort auf ihn! Vielleicht ist er sogar noch in der Kantine, denn dort nimmt er immer sein Essen ein?“

„Ich rufe ihn auf seinem Handy an, dass ihn zwei Polizeibeamte sprechen wollen und ihn in der Kantine aufsuchen werden.“

„Geht das so für Sie in Ordnung, Herr Kirsch“, fragte Frau Stein etwas spitz nach.

„Ja, ja“, antwortete Kirsch mürrisch und verabschiedete sich schnell von dieser Frau, die ihm gar nicht sympathisch war.

Kirsch und Eugen schlichen dann davon wie zwei schuldbewusste Verbrecher.

Eigentlich hatte Kirsch gar keine Lust mehr auf ein Gespräch mit dem Intendanten, aber da er nun angekündigt war, musste er ihn wohl oder übel treffen.

Kirsch schaute sich gleich in der Kantine um, und er entdeckte wieder den Herrn, der ihn vor dem Foyer des Theaters schon so gemustert hatte.

„Herr Kirsch, ich bin hier. Wollen wir uns nicht setzen?“, meinte freundlich der Herr, der sich dann als Hans Tiefenthal vorstellte.

„Was wollen Sie mich fragen?“, antwortete er gleich.

„Können wir uns irgendwo an einem stillen Plätzchen niederlassen?“, meinte Kirsch, denn er sah schon, dass er und Eugen sowie der Intendant von den Schauspielkollegen in der Kantine heftig beäugt wurde.

„Kannten Sie Sonia Petzoldt, die Schauspielerin, die tot, ermordet am ‚Balzer Herrgott‘, aufgefunden wurde?“

„Ja, ich kannte sie. Ich kannte sie schon eine Weile. Sie war auch eine Theaterschülerin von mir, als ich noch am Düsseldorfer Theater engagiert war.“

„Wir hatten einen guten Kontakt“, erzählte der Intendant weiter.

„Das ist ja sehr interessant, dass Sie die Schauspielerin so gut kannten.“

„So gut nun auch wieder nicht, aber gut genug, um auch mal mit ihr essen zu gehen“, machte Tiefenthal gleich wieder einen Einwand.

„Essen gehen, wo war das denn?“, erwiderte Kirsch und wollte sich den Namen des Lokals unbedingt aufschreiben.

„Ja, mal hier und da, wollen Sie die Liste sehen, dann muss ich meine Sekretärin bitten, Ihnen die Lokale zusammenzustellen. Sie hat sie alle, weil sie auch die Einladungen an Sonia Petzoldt verschickt hat.“

Doch als er den Namen der Sekretärin vernahm, wiegelte Kirsch gleich ab, denn mit dieser Dame wollte er jetzt nicht noch mal konfrontiert werden.

„Waren Sie auch mal mit ihr in der Galerie M. in der Wiehre?“

„Ja, natürlich, sogar an diesem Abend als sie ermordet wurde, aber ich habe sie nicht ermordet, das sage ich Ihnen gleich, nicht, dass Sie noch auf falsche Gedanken kommen.“

„Das ist ja interessant, dass Sie sie begleitet haben an diesem speziellen Abend.“

„Wissen Sie, ob sie einen Freund hatte, wenn Sie einige Einladungen an die Dame ausgesprochen haben, dann haben Sie doch auch private Gespräche mit ihr geführt?“

„Private Gespräche weniger, mehr über das Theater haben wir gesprochen. Sie war wirklich eine gute Schauspielerin und sie wäre noch ganz groß herausgekommen, denn auch Hollywood wollte sie verpflichten.“

„Hollywood wollte sie verpflichten, das ist ja interessant!“, stotterte Kirsch ein bisschen herum, als würde er sich in Theaterkreisen auskennen.

„Können Sie mir da vielleicht den Namen eines Regisseurs oder Produzenten nennen, die sie verpflichten wollten?“, brachte Kirsch auch noch hervor, wobei Kirsch sicherlich nicht so bekannt war mit den US-amerikanischen Regisseuren und Produzenten.

„Nein, einen Namen kenne ich nicht, die Kontakte kamen über unseren Regisseur, Berthold Breyer, zustande, wie mir bekannt ist.“

„Ach, ist das der Regisseur, der auch ein Auge auf die Schauspielerin geworfen hat?“, polterte Kirsch los.

„Der Regisseur soll ein Auge auf sie geworfen haben, das hätte ich doch gesehen!“, meinte der Intendant, der etwas verstört zu Kirsch blickte, denn über diese Aussage war er gar nicht entzückt.

„Ist mir nicht bekannt!“, antwortet der Intendant dann doch ziemlich verärgert.

„Herr Intendant, jetzt kommt noch eine heikle Frage, aber ich muss es Ihnen sagen und Sie auch danach befragen.“

„Sonia Petzoldt war schwanger. Deshalb müssen wir von Ihnen auch eine DNA-Probe nehmen.“

„Sind Sie damit einverstanden?“, fragte er gleich nach.

„Da Sie sich mit ihr getroffen haben, müssen wir jetzt bei allen, die Kontakt mit ihr hatten, eine DNA-Probe nehmen. Ich hoffe, Sie haben hierfür Verständnis!“, entschuldigte sich Kirsch für sein Vorgehen.

„Lieber Herr Kommissar, ich verstehe das völlig, aber ich hatte keinen Kontakt mit ihr, so wie es meinen. Ich hatte eher väterliche Gefühle für sie.“

Kirsch wollte ihm das jedoch nicht abnehmen.

„Eugen, bitte reiche Herrn Tiefenthal das Röhrchen!“

Hans Tiefenthal sah ein, dass er sich nicht aus dieser Lage herauswinden konnte, fügte sich daher und gab seine DNA-Probe ab.

Kirsch und Eugen mussten dann noch bei ein paar Schauspielkollegen ihr Röhrchen einsetzen, was manche allerdings gar nicht gerne taten, dazu gehörte auch Wolfi Bauer.

Als alles erledigt war, verließen sie Freiburg und fuhren zurück nach Wiesenbach.

Von Wölfen und Schafen

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