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Kapitel 7

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Kirsch und die beiden Schauspielkollegen hatten nach ihrem Cafébesuch auch die kleine Galerie in der Wiehre erreicht. Doch sie standen vor einer verschlossenen Tür. Kurze Zeit später kam ein Mann aus der Tiefgarage, der etwas stutzte, als er Kommissar Kirsch mit zwei Personen vor der Tür der Galerie stehen sah. Es war Pierre Klein und er hatte gar keine guten Erinnerungen an Kommissar Kirsch, deshalb wollte er ihn auch nicht sehen und ihm auch nicht begegnen.

Kirsch ahnte jedoch davon nichts. Er erkannte den Mann nicht, den er ja nur von Weitem sah. Aufgefallen war ihm nur, dass der Mann sehr schnell wieder in der Tiefgarage verschwand.

Den beiden Schauspielern ist jedoch nichts aufgefallen. Sie hatten nur die Blicke von Kirsch auf den Mann bemerkt. Aber so richtig einschätzen konnten sie die Situation nicht.

„Weshalb ist denn der Mann so schnell verschwunden?“, meinte Eva Warnstede zu Wolfi Bauer und Kirsch.

Doch Kirsch gab keine Antwort, denn er wusste es auch nicht und konnte dazu auch nichts sagen.

„Wir wollen uns nun von Ihnen verabschieden, Herr Kirsch. Sie kennen jetzt den Standort der Galerie, wobei wir auch vermuten, dass unsere Kollegin Sonia Petzoldt die Vernissage hier am letzten Samstag besucht haben könnte.“

„Doch bei uns steht jetzt die Probe an. Sollten Sie noch Fragen haben, dann melden Sie sich doch einfach bei uns. Wir sind immer wieder im Theater anzutreffen und wohnen auch beide in Freiburg“, sagte Eva sehr freundlich zu Kirsch.

„Wir können auch über Jan Schwarz Verbindung halten“, hörte Kirsch plötzlich Eva Warnstede sagen. „Ja, das können wir auch!“, meinte er daraufhin.

Doch er machte sich natürlich weitere Gedanken über die Tote, denn die Mitteilung von Helen, dass Sonia Petzoldt schwanger war, beschäftigte den Kommissar sehr.

„Sonia Petzoldt soll schwanger gewesen sein, nur von wem, das ist hier die Frage?“, murmelte der Kommissar dann vor sich hin, als die beiden schon längst weg waren, und er plötzlich ein Auto an sich vorbeirauschen sah. Eine blonde oder rothaarige Dame saß am Steuer, die ebenfalls die Tiefgarage ansteuerte.

Kirsch kam diese Frau bekannt vor, aber er wusste natürlich nicht auf Anhieb, wo er sie schon einmal gesehen hatte.

So voller Gedanken wäre er fast noch in ihr Auto gerannt, so konfus wie er war.

Doch die Dame am Steuer reagierte schnell, machte einen kurzen Bogen um ihn herum und fuhr zielstrebig in die Tiefgarage.

Kurze Zeit später fuhr auch noch ein weißer Mercedes in die Tiefgarage. Am Steuer saß ein Herr, den der Kommissar auch schon mal gesehen hatte. Nur konnte er sich nicht erinnern wo.

„Habe ich ihn schon mal in der Zeitung gesehen?“, rutschte es aus Kirsch heraus, und er dachte, dass das wohl der neue Intendant des Theaters sein könnte. Weshalb dieser die Tiefgarage aufgesucht hatte?, kam dem Kommissar aber auch merkwürdig vor.

Aber dann wollte Kirsch eigentlich nur noch nach Wiesenbach zurück. Doch zuvor wollte er noch Kommissar Schnebel in Freiburg einen Besuch abstatten.

Kirsch lief zielstrebig dem Kommissariat im Freiburger Stühlinger zu, das für diesen Fall zuständig war.

Kommissar Schnebel war nicht im Haus, wie ihm mitgeteilt wurde, denn er musste zu einem dringenden Fall in die Wiehre fahren, dort gab es nämlich einen merkwürdigen Unfall.

„In der Wiehre!“, fragte Kirsch, „da war ich doch gerade!“

„Wo war es denn?“, wollte er dann auch noch ganz genau wissen, denn er hatte so ein komisches Bauchgefühl, dass da womöglich wieder ein Mord geschehen sein könnte.

„In einer Tiefgarage in der Wiehre, in der Nähe einer Galerie M“, wurde ihm dann mitgeteilt.

„Wie bitte in der Galerie M.? Da war ich doch gerade mit den beiden Schauspielkollegen vom Stadttheater?“, entgegnete er nur kurz.

Das gibt es doch nicht, dachte Kirsch, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Gerade war ich dort und dann geschieht schon wieder ein Mord, oder vielleicht war es ja auch nur ein Unglücksfall wie die Freiburger Kollegen schon mal informiert haben. Doch Kirsch glaubte nicht an einen Unfall.

„Weiß man schon, wer es ist?“

„Ein junger Mann, ich glaube, er heißt Pierre Klein oder Orly, der aufgefunden wurde“, entgegnete ein junger Polizist. Jetzt war es an Kirsch ein verdutztes Gesicht zu machen.

„Piere Klein oder Orly!“, in Kirschs Gehirn fing es an zu arbeiten. „Pierre Orly!“, der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke.

„Ja, jetzt weiß ich, wer er ist! Das ist der Bilderfälscher von der Villa Amalienburg in Wiesenbach!“

„Wie kommt der denn nach Freiburg?“, fragte Kirsch die Beamten, die ihn nur groß anschauten, weil er erstens komische Selbstgespräche mit sich führte, und zweitens wollte er auch noch wissen, wie dieser Pierre Klein oder Orly nach Freiburg gekommen war, was sie ihm natürlich nicht beantworten konnten.

„Ich glaube, es ist besser, ich komme morgen nochmals vorbei, dann ist Kommissar Schnebel auch da und Sie wissen mehr und ich dann auch“, antwortete Kirsch.

„Eigentlich bin ich wegen der ermordeten Sonia Petzoldt gekommen und werde jetzt gerade wieder mit einem neuen Mordfall konfrontiert. Dazu ist mir dieser Pierre Orly auch nicht unbekannt, denn in einem meiner früheren Fälle bewegte er sich im Bilderfälschermilieu.“

„Er war der Geliebte von Linette, dem Hausmädchen der Eheleute von Monroe, die in meinem Keltenring-Fall ebenfalls ermordet wurde.“

„Das ist ja schrecklich, was Sie uns da mitteilen. Ich glaube, es ist dann schon besser, dass Sie morgen nochmals zu Kommissar Schnebel kommen und ihm die Geschichte selbst erzählen“, antwortete der junge Polizist, dem der Kommissar Kirsch aus Wiesenbach durch sein merkwürdiges Verhalten nicht mehr geheuer schien.

„Ja, der Keltenring-Fall ist schon wieder eine Zeit lang her, aber ich werde mir die Akten nochmals genauestens anschauen und dann informiere ich Ihren Kommissar“, erwiderte Kirsch zum jungen Polizisten, der schon froh war, dass Kirsch sich verabschieden wollte.

Kirsch ging dann auch sehr schnell zu seinem Auto.

Unterwegs auf der Autobahn musste Kirsch richtig aufpassen, denn sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren und er wurde ständig nicht nur von seinen Gedanken, sondern auch von den Autos, die ihn überholten, abgelenkt.

Am liebsten hätte er sogleich Helen und Eugen informiert, aber auf der Autobahn ging das nicht, es war zu viel Verkehr unterwegs, und einen Unfall wollte er auch nicht bauen.

Im Kommissariat angekommen, spurtete er mit Eiltempo die Stufen hoch und wäre dabei fast über Bella Weigand gestolpert, die mal wieder dem Kommissar ihre Aufwartung machen wollte. In ihrem Schlepptau hatte sie natürlich ihren Hund Seppi.

Der Kommissar war jedoch nicht gerade amüsiert, Bella Weigand zu sehen, denn er wollte schnellstens Helen und Eugen über den Mord an Pierre Klein berichten. Doch Bella Weigand versperrte ihm direkt den Zugang zu seinem Zimmer.

„Herr Kommissar, ich habe Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen! Ich weiß jetzt, wer der Liebhaber der jungen Frau war. Sie wissen schon, ich meine mit der jungen Frau, die Leiche vom ‚Balzer Herrgott‘.“

„Ist ja gut, Frau Weigand, wenn Sie eine Aussage machen wollen, dann sollten Sie dies bei Helen oder Eugen, ihrem Lieblingspolizisten, machen.“

„Nichts da, jetzt sind Sie da, dann mache ich die Aussage bei Ihnen.“

Bella Weigand war nicht zu stoppen und Kirsch fügte sich.

„Also gut, kommen Sie mit und nehmen Sie schon mal in meinem Zimmer Platz, ich komme gleich wieder.“

Kirsch stolperte dann gleich in das Zimmer von Helen und informierte sie, dass sie sofort und auf der Stelle ins Archiv gehen und die Akten vom Keltenring-Fall heraussuchen sollte.

Dann stürzte er wieder ins Zimmer zu Bella Weigand.

Die hatte es sich inzwischen gemütlich gemacht und sich einen Platz mit Seppi ausgesucht, wo sie auch direkt die gesamte Hauptstraße überblicken konnte.

„Man weiß ja nie, wer gerade vorübergeht und noch ins Polizeikommissariat kommt“, sagte sie zu Seppi, den es jedenfalls nicht so sehr interessierte, wie seine Herrin.

„Jetzt packen Sie mal aus, Frau Weigand, und erzählen Sie, was Sie wissen?“, forderte der Kommissar Frau Weigand auf.

Bella Weigand spitzte ihre Lippen und wollte gerade ansetzen, als Helen ebenfalls ins Zimmer stürzte und den Polizeipräsidenten ankündigte.

„Was will der jetzt hier, gerade wo mir Bella Weigand ein Geheimnis erzählen möchte?“, brummte der Kommissar in seinen Schnauzer, der wieder mal von einer zur anderen Seite hüpfte.

Doch da kam der Polizeipräsident schon zur Tür herein und mit ihm hintendrein der Bürgermeister.

Kirsch schluckte heftig, denn sowohl der Polizeipräsident, als auch der Bürgermeister, waren für Kirsch zwei Personen zu viel.

„Bleiben Sie sitzen, Herr Kirsch, wir wollten nur beide, da wir gerade in der Nähe waren, hören, wie es mit dem Leichenfund weiter geht, und ob Sie schon einen Verdächtigen an der Angel haben.“

Kirsch schluckte ein zweites und auch ein drittes Mal, denn an der Angel hatte er noch keinen. Doch ihm schwante nichts Gutes, denn mit der Leiche von Pierre Klein, auch wenn der Fall nun in Freiburg ermittelt wird, kehrte zumindest wieder ein weiterer Mordfall nach Wiesenbach zurück.

Doch das erzählte er den beiden nicht, weshalb die Pferde jetzt schon scheu machen, dachte Kirsch.

„Nein, meine Herren, ich kann noch nicht mit einem Verdächtigen dienen und an der Angel habe ich auch niemanden!“, hörte er sich ganz selbstbewusst sagen, „aber wir werden den Mörder oder auch die Mörderin finden!“

Dabei stutzte Kirsch doch ein bisschen, wieso zog er auch eine Mörderin in Betracht, überlegte er, doch die Antwort kam ihm ganz intuitiv heraus.

Irgendwie hatte er so eine Vermutung, die er aber vorläufig noch für sich selbst behielt, denn das hatte er inzwischen in Wiesenbach gelernt, nur immer stückweise seine Vorgesetzten zu informieren.

„Gut, dann wollen wir Sie auch bei Ihren Ermittlungen nicht weiter stören, halten Sie uns aber ständig auf dem Laufenden“, und das Wort ständig betonte der Polizeipräsident sehr stark, denn er kannte Kirschs Alleingänge nur zu gut.

„Vielleicht sollten wir auch mal wieder eine Pressekonferenz einberufen?“, meinte daraufhin noch der Bürgermeister.

Doch davon wollte Kirsch vorläufig noch nichts wissen.

„Eva Zorn, die Journalistin, war auch schon hier!“, warf Kirsch schnell ein und dann sah er, wie sich das Gesicht des Bürgermeisters verfinsterte, und da wusste er, dass es vorläufig keine Pressekonferenz geben wird. Noch mal gut gegangen, dachte Kirsch.

„Dann warten wir noch mit der Pressekonferenz“, sagte auch gleich der Bürgermeister und schaute den Polizeipräsidenten nur sehr vielsagend von der Seite an.

„Ich erkläre es Ihnen später!“, meinte der Bürgermeister zum Polizeipräsidenten Hubtreu, der nur nickte.

Wird schon in Ordnung gehen, dachte dieser.

Und der Bürgermeister freute sich gar nicht, zu hören, dass Eva Zorn in Wiesenbach weilte.

„Wahrscheinlich setzt sie wieder Verschwörungstheorien in die Welt und die kann ich gar nicht gebrauchen“, meinte er nur kurz zum Polizeipräsidenten.

Es stand zwar augenblicklich keine Bürgermeisterwahl an, aber in ein paar Monaten waren Landtagswahlen angesetzt, und wie schon mehrere Abgeordnete kundgetan hatten, würden sie es sehr begrüßen, wenn Bürgermeister Wohlgemuth kandidieren würde.

Allerdings hatte er es noch nicht mit seiner Frau, der Lene, besprochen. Aber sie wäre sicherlich auch nicht abgeneigt, wenn er, der Bürgermeister, so einen Posten annehmen und womöglich auch gewählt werden würde, überlegte er noch.

Beliebt bin ich schon als Bürgermeister in Wiesenbach, dachte er, und auch die Winzer und Landwirte setzen auf mich.

Doch dann verschwanden die beiden Honoratioren wieder so schnell, wie sie auch gekommen waren, und Kirsch konnte sich Bella Weigand widmen.

Doch die hatte sich inzwischen auf ‚Französisch‘ verabschiedet und nicht mal Seppi hatte gebellt.

„Auch gut!“, sagte sich Kirsch, „dann weiß ich zwar nicht, wer der Liebhaber von Sonia Petzoldt ist, aber Bella Weigand wird schon wieder vorbeikommen, wenn es ihr wieder einfallen wird“, murmelte er.

Helen und Eugen stürmten beide ins Zimmer, denn es war verdächtig ruhig, als der Polizeipräsident und auch der Bürgermeister gegangen waren.

„Sind sie schon weg?“, wollten Helen und Eugen gleich wissen. Auch Bella Weigand konnten sie nirgends entdecken.

„Sie war plötzlich verschwunden und hatte sich einfach verdünnisiert“, meinte Kirsch, und seine Miene drückte gar keine gute Laune aus.

„Ja, gibt es denn so was, dass Bella Weigand einfach verschwindet und sich nicht in das Gespräch mit dem Bürgermeister und dem Polizeipräsidenten einmischt?“, fragten sie Kirsch, der nur so vor sich hin lächelte und irgendwie plötzlich sehr abwesend wirkte.

„Was beschäftigt den Kommissar denn so sehr?“, sagte Helen leise zu Eugen.

„Stell dir vor, ich musste sogar die alten Akten vom Keltenring-Fall heraussuchen!“, meinte sie noch zu Eugen, der sie nur vielsagend ansah.

„Wahrscheinlich hängt das alles mit seiner Fahrt nach Freiburg zusammen. Hoffentlich kommt da nicht noch mehr auf uns zu?“, meinte dann auch Eugen, der schon wieder Überstunden am Horizont aufsteigen sah.

Plötzlich bemerkte Kirsch die beiden, die nur stumm vor ihm standen. Helen mit einem großen Aktenberg und Eugen mit seinen kurzen, roten Haaren, die ihm richtig zu Berg standen.

„Ah, Helen, danke für die Akten, aber die kann ich nicht alle mit nach Hause nehmen.“

Denn eigentlich wollte Kirsch jetzt nach Hause gehen. Es fiel ihm ein, dass er seit heute Mittag nichts mehr vor lauter Aufregung gegessen hatte. Nur so ein mageres Stück von einer allerdings sehr guten Schwarzwälder Kirschtorte hatte er in diesem Café in der Wiehre zu sich genommen.

Doch davon berichtete er jedoch den beiden nichts, sondern meckerte nur, dass er nicht mal die beste rote Wurst auf dem Marktplatz in Freiburg verspeisen konnte.

„Helen, vielleicht könntest du noch die Akte von Pierre Orly oder Klein, wie er sich nun nennt, heraussuchen. Die Akte liegt sicherlich ganz unten auf diesem Berg, denn die Angelegenheit mit Linette und diesem Pierre war ja ganz am Anfang der Ermittlungen. Linette war das erste Mordopfer im Keltenring-Fall. Ihr erinnert euch doch noch an den sagenhaften Keltenring, der gestohlen wurde?“

Eugen nickte beflissen, hatte er doch Kirsch in Paris gerettet. Helen zuckte nur mit ihren Schultern, denn sie erinnerte sich an den netten französischen Polizisten, der sich jedoch als Verräter entpuppt hatte. Hatte es nicht dort beim Kaffee noch die gute Schwarzwälder Kirschtorte gegeben?, überlegte Helen und seufzte ein bisschen vor sich hin, denn der junge französische Polizist hatte ihr gar so gut gefallen.

„Wenn du diese Akten hast, dann bringe sie mir gleich.“

Kirsch überlegte schon, dass er diese dann in seinem schönen Klubsessel bei einem Glas Rotwein studieren würde. Er freute sich sichtlich auf diese Arbeit, obwohl ihm das Aktenstudium nicht so am Herzen lag. Aber zu Hause in seinem Lieblingssessel und bei einem Glas Spätburgunder Rotwein, war es sicherlich ein Leichtes, sich durch die alten Akten zu wühlen.

Innerlich hoffte er auch, dass Moni inzwischen nicht mehr so sauer auf ihn war, weil er die Leiche der Schauspielerin nach Wiesenbach mitgenommen hatte.

Dann machte sich Kirsch auf den Heimweg und in seiner Aktentasche lagen feinsäuberlich die Akten über Pierre Klein, der sich seinerzeit schon als Bilderfälscher entpuppt hatte, und sich auch Orlon oder Orly nannte.

Von Wölfen und Schafen

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