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Kapitel 6

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Kirsch hatte unterdessen alle Hebel in Bewegung gesetzt, in Erfahrung zu bringen, wer die ermordete junge Frau war, die da in der Wiesenbacher Pathologie lag.

Moni war noch immer nicht entzückt, dass er sich dieser Aufgabe angenommen hatte.

„Das ist nur seine verdammte Sturheit!“, sagte sie laut vor sich hin, als sie das Mittagsmahl zubereitete.

Moni hatte sich vorgenommen, wieder mal ihren berühmten Sauerbraten auf den Tisch zu bringen, vielleicht würde sich damit die Laune von Kirsch bessern, obwohl er ja an der verkorksten Situation selbst schuld war.

„Und wenn ich dann den schönen Braten wieder gerichtet habe, dann kommt er womöglich gar nicht und fährt wieder zum ‚Balzer Herrgott‘, um nochmals und nochmals den Schauplatz anzusehen, obwohl es dort nichts als lauter Tannen zu sehen gibt, die ihn nur stumm anstarren“, machte Moni mit ihren Worten ihrem Ärger Luft.

Als würden ihn die Tannen magisch anziehen, dachte sie, und ihm etwas zuflüstern, wenn der Wind durch ihre Kronen fährt.

Der so gescholtene Kommissar hatte sich gerade in seinem Bürostuhl niedergelassen und eine Tasse Kaffee vor sich stehen, als ihm von Helen der Besuch von Eva Zorn angekündigt wurde.

„Kann man denn nicht mal in Ruhe bei einer Tasse Kaffee die Zeitung lesen?“, sagte er zu Helen, die ins Zimmer stürmte und ihm den Besuch ankündigte.

„Was will denn Eva Zorn hier in Wiesenbach, riecht sie schon wieder den Braten?“, brummte Kirsch mehr in seinen Schnauzer, als zu Helen. Doch Helen hatte ihn wohl verstanden.

„Ja, den Braten riecht sie wohl, aber den haben sie sich selbst zuzuschreiben“, entgegnete Helen, die ansonsten nicht so aufmüpfig zum Kommissar ist. Doch diesmal hatten weder Eugen noch Helen den Kommissar verstanden, dass er die Leiche nach Wiesenbach überführen ließ.

„Weshalb will er unbedingt die Ermittlungen an der uns völlig unbekannten Leiche übernehmen?“, sagten sich Helen und Eugen. In ihrem Büro regten sich beide richtig darüber auf, aber nur so, dass es Kirsch nicht verstehen konnte.

Sie schüttelten nur immer wieder ihre Köpfe und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Und sie kamen, sie kamen schon in kurzen Schritten mit Eva Zorn, der Reporterin von der Zeitschrift ‚Augenblick mal‘.

Kirsch hatte schon öfters Bekanntschaft mit der Reporterin gemacht, die immer gerne ihre Verschwörungstheorien oder Spionageverdächtigungen lauthals in Wiesenbach verkündete, sehr zum Leidwesen von Bürgermeister Wohlgemuth.

Kirsch setzte sein Pokergesicht auf, als Eva Zorn ins Zimmer trat. Wie immer war sie adrett gekleidet, und legte so einen stürmischen Elan an den Tag, der Kirsch auch heute Morgen gar nicht gefiel.

„Hallo, Herr Kirsch, was muss ich wieder hören, Sie haben eine Leiche entführt?“, und dabei fing sie wieder mit ihrem herzhaften Lachen an, dem sich selbst Kirsch nicht entziehen konnte.

„Entführt, nein, ich habe sie gerettet aus den Fängen der Freiburger Polizei!“, und auch Kirsch lachte und schmunzelte über sein ganzes Gesicht und sein Schnauzer fing wieder etwas zu hüpfen an.

„Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir!“, wurde Eva Zorn von Kirsch zu einem kleinen Kaffeestündchen und Schwätzchen aufgefordert.

Dabei fiel der Blick der Reporterin auf die Zeitung, die gerade vor Kirsch lag, und auf der Titelseite eben die berühmte, entführte Leiche prangte.

„Da ist ja die Leiche!“, rief sie aus und Helen wäre die Tasse Kaffee fast aus der Hand gefallen, als sie den Ausruf von Eva Zorn hörte, denn sie wollte gerade den beiden ihren Kaffee bringen.

Schnell riss Eva Zorn die Zeitung vom Tisch und schaute sich das Bild und den Text genau an.

Dann kam der nächste Schrei.

„Ach, da steht ja als Autor mein lieber Kollege, Jan Schwarz. Er war auch einige Jahre bei unserer Zeitung, bevor er jetzt in den Breisgau wechselte.“

„Den rufe ich jetzt gleich an, ob er mehr weiß als das, was er hier veröffentlicht hat?“

Kirsch war mal wieder von ihrem Temperament völlig überwältigt und erwiderte nur kurz:

„Ich habe übrigens Ihren Kollegen auch schon kennengelernt, gestern als ich nochmals den Schauplatz inspiziert habe“, sagte Kirsch ziemlich laut, damit er sich bei der Reporterin Gehör verschaffen konnte.

Helen stand wie angewurzelt da, und auch Eugen stürzte ins Zimmer, als es so lautstark zuging.

„Gut, ich rufe ihn nachher an!“, sagte Eva Zorn und trank schon mal einen Schluck Kaffee.

„Erzählen Sie doch, wie Sie die Leiche gefunden haben, oder ist noch alles streng geheim?“

„Es gibt nicht mehr, als das, was auch in der Zeitung steht, ich weiß auch noch nicht mehr“, brachte Kirsch hervor, denn gleich legte Eva Zorn schon wieder los.

„Übrigens, ich habe Neuigkeiten, die Sie interessieren dürften!“, säuselte sie verschwörerisch hervor.

„Neuigkeiten, welche?“, denn an Neuigkeiten war der Kommissar immer interessiert und so ging er ihr doch glatt noch auf den Leim.

„Ich sage nur, Keltenring, mehr nicht!“, entgegnete Eva Zorn und sie sah, dass sie voll ins Schwarze getroffen hatte, denn Kirschs Gesicht verfärbte sich zusehends.

„Was ist mit dem Keltenring?“, wollte der Kommissar wissen, denn dieser Fall war ja noch nicht restlos aufgeklärt, der sagenhafte, echte Keltenring war noch immer nicht aufgefunden worden, wie Kirsch weiter erzählte.

„Es kursieren Gerüchte in unserer Redaktion, Sie wissen ja, wir haben unsere Informanten, dass der Keltenring irgendwo auf einem Flohmarkt gesichtet worden sein sollte.“

„Auf einem Flohmarkt!“, rief Kirsch entsetzt aus, und seine Kaffeetasse fiel ihm fast aus der Hand.

„Also das kann ich gar nicht glauben, Sie binden mir da wieder einen Bären auf.“

Doch Eva Zorn teilte Kirsch nur mit, dass es tatsächlich ein Flohmarkt war, auf dem der sagenhafte Ring gesehen worden war.

„Schon lange habe ich nichts mehr von Albert Käsle, dem Interpolagenten, gehört, der doch den Ring wiederbeschaffen sollte.

„Den Namen kenne ich gar nicht“, entgegnete Eva Zorn.

„Doch jetzt Spaß beiseite, ich bleibe am Ball und sage Ihnen mehr, wenn ich mehr weiß. Im Übrigen bin ich noch hinter einer anderen Geschichte her, und da kommt mir jetzt mein ehemaliger Kollege gerade recht.“

Eva Zorn trank ihre Tasse Kaffee schnell aus, denn sie wollte jetzt weiter nach Rottweil und Villingen, wo sie auch noch eine Verabredung hatte.

Kirsch war es angenehm, denn so konnte er noch mit Jan Schwarz telefonieren, denn vielleicht waren ja schon bei der Zeitung, aufgrund der Veröffentlichung des Fotos der ermordeten Schauspielerin, Hinweise eingegangen.

Kirsch machte sich aber zuerst noch auf den Weg nach Hause, denn Moni hatte ihm ja angedeutet, dass es zu Mittag Sauerbraten geben soll und den wollte er sich auf keinen Fall entgehen lassen.

Moni kam ihm schon an der Haustüre entgegen, als sie so ein Gepolter hörte.

Wahrscheinlich ist es Kirsch, dachte sie, denn die kleine schwarze Katze, Susi, hatte gleich ihre Ohren gespitzt und sich im hintersten Winkel des Hauses verkrochen. Meistens machte Kirsch, wenn er nach Hause kam, immer gleich die Terrassentür auf, damit die Katze auch mal an die frische Luft kam. Doch das gefiel Susi nicht.

So auch diesmal, denn sie wollte nicht nach draußen gehen, sie schnurrte gewaltig, und mit ihren kleinen Pfötchen fing sie schon nach Kirsch zu greifen an, aber der lachte nur.

„Warte nur, nachher entgehst du mir nicht, jede Katze muss mal raus. Von meinem Sauerbraten gibt es nichts, gar nichts“, knurrte er zur Katze, die ihn jedoch mit ihren grünen Augen musterte.

Seine Laune besserte sich zusehends, als er den duftenden Sauerbraten vor sich stehen sah.

Moni lächelte nur so vor sich hin, als sie bemerkte, wie sich das Gesicht von Kirsch zu einem breiten Grinsen verzog.

Schnell langte er zu und holte sich ein großes Bratenstück, als hätte er schon wieder Tage nichts zu essen bekommen.

„Stell dir vor, Moni, heute war Eva Zorn bei mir! Sie hat schon wieder so gruselige Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt. Schrecklich mit dieser Person. Aber so abwegig ist es vielleicht gar nicht, dass der Ring der Keltengöttin Brighid auf dem Flohmarkt gelandet ist?“

„Was meinst du denn dazu, Moni, dass der Keltenring auf einem Flohmarkt gesehen wurde?“ Moni zuckte nur zusammen, denn vom Keltenring wollte sie rein gar nichts wissen.

Wenn sie nur daran erinnert wurde, schüttelte sie sich wie ihre Katze Susi. Denn bei diesem Fall wurde ihr Mann entführt, mitten in Paris, und an das wollte sie nicht mehr erinnert werden.

Deshalb antwortete sie Kirsch nicht und zog sich kurz in die Küche zurück, um die Nudeln und den Salat zu holen.

Doch Kirsch hatte sich schon das zweite Stück Fleisch aus der Soße geangelt und wartete gar nicht auf die Nudeln, die nur so in der Schüssel dampften.

„Heute Mittag muss ich nach Freiburg fahren zu diesem jungen Reporter, Jan Schwarz. Ich muss wissen, was die Freiburger Kollegen ihm schon mitgeteilt haben und außerdem fahre ich noch bei Kommissar Schnebel vorbei“, sagte er zu Moni.

Dieser Jan Schwarz ist nicht so arrogant wie manch andere Reporter, man kann gut mit ihm auskommen, überlegte Kirsch, und schließlich muss ich auch wissen, ob schon Informationen eingegangen sind und wer die junge Dame ist.

Moni sagte nichts weiter zu Kirschs Überlegungen und fing auch langsam zu essen an.

„Moni, weshalb bist du denn so schweigsam, so kenne ich dich doch gar nicht, sonst willst du doch immer gleich alles wissen, was auf dem Kommissariat passiert.“

„Ach, Kirsch, ich bin es langsam leid, immer wieder von deinen Fällen zu hören. Sie werden sich wieder zu unlösbaren Aufgaben entwickeln, und du stehst mittendrin und bist immer wieder nicht belehrbar.“

Hoho, dachte Kirsch, Moni wird langsam ungemütlich.

„Wir werden die Fälle schon schaukeln“, sagte er und lachte, obwohl ihm gar nicht zum Lachen zumute war.

Die Ermittlungen um die Leiche haben es in sich, das wusste Kirsch ganz genau.

Wer bringt schon so eine junge Frau um? Wahrscheinlich, dachte er, ist es wieder eine Beziehungstat?

Doch da klingelte mal wieder das Telefon und Helen war am Apparat.

„Herr Kirsch, Chef, Sie sollen dringend zum Bürgermeister kommen, der Polizeipräsident ist auch da und sie wollen wissen, was Sie bisher herausgefunden haben und vielleicht auch schon wissen, wer sich hinter der Leiche verbirgt?“

Kirsch knurrte nur so vor sich hin und schob den letzten Bissen seines Sauerbratens in seinen Mund, bevor er dann zu sprechen begann.

„Toll, dass ich jetzt gerade bei meinem Lieblingsessen angerufen werde und mir so der ganze Sauerbraten vermiest wird!“, schimpfte er.

„Das wusste ich doch nicht, dass Sie heute einen Sauerbraten zum Mittagessen bekommen, aber bitte kommen Sie bald!“

Und was blieb Kirsch anderes übrig, als sich schnellstens auf den Weg ins Kommissariat zu machen, um dann auch gleich dem Bürgermeister seine Aufwartung zu machen.

Eva Warnstede und Wolfi Bauer hatten sich auch auf den Weg zu Jan Schwarz in die Redaktion gemacht.

Als sie im Großraumbüro eintrafen, saß der Reporter vor seinem Computer und recherchierte mal wieder im Internet.

Plötzlich hörte Schwarz fremde Stimmen, drehte sich daraufhin kurz um und erblickte dann die beiden, die noch etwas unsicher vor ihm standen.

„Kommen Sie doch näher!“

„Schön Sie wieder zu sehen!“, sagte er zu Eva Warnstede, „aber was führt Sie denn zu mir?“

„Das Titelbild heute auf Ihrer Zeitung führt uns zu Ihnen. Die Person auf dem Foto ist unsere Kollegin, Sonia Petzoldt, und deshalb sind wir gleich zu Ihnen gekommen“, entgegnete Eva Warnstede.

„Wissen Sie Näheres?“, meinte er etwas kurz angebunden, denn er arbeitete gerade an einer Recherche in Sachen Keltenring. Die gefundene Leiche am ‚Balzer Herrgott‘ hatte er schon fast wieder vergessen.

Doch dann wandte er sich schnell zu den beiden, denn diese Recherche um den Ring ging ihm nicht verloren. Die Geschichte mit der Leiche war auch nicht uninteressant und an guten Geschichten war Jan Schwarz, wie auch der Redaktionsleiter, immer interessiert.

Vor allem erinnerte ihn der Fall der unbekannten Leiche am ‚Balzer Herrgott‘ an einen anderen Fall, über den er vor einigen Jahren damals in Hannover recherchiert hatte, als er noch bei der Zeitung ‚Augenblick mal‘ beschäftigt war.

Seine frühere Kollegin, Eva Zorn, hatte ihn eigentlich wieder darauf gebracht.

Dieser Fall ähnelt der Geschichte am ‚Balzer Herrgott‘ sehr stark, überlegte Schwarz. Damals wurde auch eine junge Dame, eine Theaterschülerin, mit einem Schal ermordet. Die Leiche wurde auch seinerzeit in einem Waldstück bei Hannover aufgefunden.

Diese Geschichte ging ihm durch den Kopf, als ihm die beiden mitteilten, dass es sich bei der Leiche am ‚Balzer Herrgott‘ um eine Theaterschauspielerin handelte. Deshalb blickte er die beiden auch etwas abwesend an, was natürlich Eva Warnstede irritierte, denn sie hatte ihn als einen neugierigen und interessierten Mann kennengelernt.

So verstand sie gar nicht, dass Jan Schwarz, der ihr eigentlich in guter Erinnerung geblieben war, so ganz uninteressiert ihren Aussagen lauschte.

„Wir könnten Ihnen ja behilflich sein bei Ihren Recherchen“, meinte sie auch zu Wolfi Bauer gewandt, der ebenfalls nickte und zu Jan Schwarz blickte.

„Ja, wie wollen Sie das denn bewerkstelligen, wollen Sie im Theater recherchieren?“, entgegnete er und lächelte etwas süffisant, denn die beiden verstärkten nicht gerade seinen Eindruck, zwei professionelle Detektive zu sein.

„Wir könnten Ihnen schon was zu Sonia Petzoldt sagen“, antwortete Eva Warnstede schnell und war nun auch etwas kurz angebunden zum Reporter.

„Sie war mir eine liebe Kollegin und auch Wolfi Bauer war ganz vernarrt ihn sie, gell, Wolfi?“, versuchte sie mit ihrer Aussage das Interesse bei Schwarz zu wecken, als auch Wolfis Unterstützung zu erhalten.

„Alles okay, was können Sie mir denn mitteilen?“, stammelte nun Jan Schwarz etwas entschuldigend zu den beiden.

„Wie lange war sie schon am Theater in Freiburg?“, wollte er dann gleich wissen.

„Am besten wird es sein, wir erzählen Ihnen alles von Anfang an.“

„Sonia Petzoldt spielt derzeit die Hauptrolle bei ‚Kabale und Liebe‘, die Louise Miller, am Stadttheater in Freiburg, und sie war immer eine loyale und liebenswerte Kollegin. Ihr Tod erschüttert uns alle beim Theater, das dürfen Sie uns glauben.“

„Können Sie sich vorstellen, wo sie noch vor ihrem sicherlich unerwarteten Tod war, denn mit diesem Aufzug und den High Heels kann sie doch nicht vorgehabt haben, einen Waldspaziergang zu machen, und auch noch beim ‚Balzer Herrgott‘ in dieser Wildnis?“

„Es gab noch eine Vernissage bei einer Galeristin in der Wiehre. Sie hat erst vor einigen Jahren ihre Galerie eröffnet, und dort muss sie gewesen sein. Ob sie allein war oder in Begleitung, das entzieht sich unserer Kenntnis, nicht wahr, Wolfi?“, meinte Eva Warnstede und Wolfi Bauer nickte nur dazu.

Eva bemerkte schnell, dass Wolfi einen roten Kopf bekam, als sie davon sprach, dass sie beide nicht wissen, ob sie alleine oder mit einer anderen Person die Vernissage besucht hatte.

Soll sich doch Wolfi selbst melden, wenn er was zu sagen hat, ich bin doch nicht sein Sprachrohr, dachte sie nur kurz.

Im Stillen machte sie sich allerdings Gedanken, weshalb Wolfi plötzlich einen roten Kopf bekommen hatte.

Hat er sie womöglich verfolgt? Einen kurzen Augenblick dachte sie auch, ob er womöglich doch der Mörder war, weil sie ihn nicht erhört hatte.

Wolfi ist nicht gerade ein Temperamentsbolzen, überlegte sie, aber wohin ihn seine Leidenschaft für Sonia bringen könnte, das wollte sich Eva im Augenblick nicht ausmalen.

Sie schaute daher Wolfi mit ihren grüngesprengelten Augen ziemlich scharf an, so, als wollte sie sagen, sag nur nichts, was dich belasten könnte. Aber sie waren ja nicht bei der Polizei, sondern nur bei Jan Schwarz in der Redaktion, überlegte Eva Warnstede.

„Sonia war immer eine sehr stille Person und hat sich nicht vielen anvertraut, aber in der letzten Zeit war sie viel lebenslustiger. Sie ist oft ausgegangen und man sah ihr direkt an, dass sie glücklich war“, begann Eva Warnstede wieder mit der Personenbeschreibung ihrer Kollegin.

„Auch unser Regisseur bemerkte dies und machte ihr dann auch ziemlich viele Komplimente. Das haben wir alle gesehen und gehört“, entgegnete sie dann mit etwas belegter Stimme.

Eigentlich hatte sie ja auch ein Auge auf den Regisseur geworfen, aber als sie bemerkte, dass er Sonia nur so anhimmelte, hatte sie sich zurückgezogen.

Das war auch gut so, dachte sie noch.

Aber war sie da nicht auch verdächtig?, überlegte sie, schluckte ein bisschen, und wusste dann gar nicht, wo sie hinblicken sollte.

Auch Jan Schwarz bemerkte ihr plötzliches Schweigen und Wolfi Bauer schaute nur so von einem zum anderen, denn er hatte auch bemerkt, dass er sich eigentlich mit seinem Schwärmen für Sonia Petzoldt verdächtig gemacht hatte.

Im Übrigen war er ja auch an diesem Nachmittag Sonia gefolgt, erinnerte er sich. Aber als er sah, dass sie nur in die Galerie ging, hatte er sich verzogen und war in seine Kneipe gegangen. Später war ja auch noch eine Probe angesagt, und somit hatte er auch ein Alibi, wie er den beiden, Jan Schwarz und Eva Warnstede, erzählte.

Eva schaute ihn doch etwas konsterniert an. Also war er ihr doch gefolgt, wie sie vermutet hatte.

Als alle so ihren eigenen Gedanken nachhingen, ging plötzlich ziemlich polternd die Tür auf, und herein stürzte Kommissar Kirsch.

„Ah, da kommt ja auch schon Kommissar Kirsch aus Wiesenbach. Er ermittelt in diesem Fall mit den Freiburger Kollegen. Wahrscheinlich will er wissen, wie die Ermittlungen in Freiburg laufen, wobei ich ja nicht bei der Polizei bin. Aber danke schön, dass Sie alle an meinen Recherchen Interesse haben.“

„Vielleicht gehen Sie, Eva und Sie, Herr Bauer, mit dem Kommissar in unser kleines Café in der Wiehre, dann können Sie ihm ja auch alles über Sonia Petzoldt erzählen?“

„Ich muss nämlich nachher noch weg, und zwar auch in diese Galerie in der Wiehre, eine Bekannte hat mich gebeten, zu kommen. Aber alles ist natürlich noch top secret, Sie verstehen?“

Schnell wurde der Computer abgestellt und Jan Schwarz, kaum hatte er noch Kirsch begrüßt, machte sich von dannen.

Schließlich wartete die Galeristin auf ihn und diese durfte man nicht warten lassen.

Kirsch stellte sich dann den beiden, Eva Warnstede und Wolfi Bauer vor, und dann gingen alle drei miteinander zu diesem kleinen Café, das sich auch ganz in der Nähe der Galerie, in der Wiehre, befand.

Die beiden erzählten dem Kommissar im Café von ihrer Bekanntschaft mit Sonia Petzoldt, ihrer Schauspielkollegin, die die Hauptrolle im neuen Stück ‚Kabale und Liebe‘ des Stadttheaters spielte und der Kommissar hörte ihnen aufmerksam zu.

Die beiden schloss er eigentlich gleich als Verdächtige aus, aber so ganz ausschließen kann man Personen nie, die in den Fall verwickelt sind, überlegte Kirsch noch.

Doch dann klingelte sein Handy, als er sich gerade ein Stück der besten Schwarzwälder Kirschtorte in den Mund schob. Als er die Stimme von Helen vernahm, dachte er schon, dass das nichts Gutes verheißen wird.

Schnell entschuldigte er sich bei den beiden, die ihm nachschauten, denn am Tisch wollte er die Neuigkeiten von Helen nicht entgegennehmen.

„Was gibt es Helen, was ist los?“, sprach er nur kurz ins Handy.

Helen wollte sich jedoch nicht abwimmeln lassen.

„Doktor Dorer hat gerade noch angerufen, die junge Dame war schwanger“, erzählte ihm Helen seelenruhig.

„Schwanger!“, rief er kurz aus, und einige Umstehenden schauten schon ganz perplex und Kirsch bemerkte gleich, dass er einen Fehler gemacht hatte.

„Schwanger?“, wiederholte er nochmals ganz leise.

„Von wem denn?“, rutschte ihm die Frage eigentlich ganz gedankenverloren nur so heraus, aber Helen konnte ihm darauf keine Antwort geben.

„Das weiß doch Doktor Dorer nicht, aber wir können die DNA ermitteln, wenn wir wissen, mit wem die Schauspielerin Bekanntschaft hatte.“

„Ja, gut, da gibt es sicherlich ein paar Verdächtige!“, knurrte Kirsch, denn die beiden, Eva und Wolfi, hatten ihm ja gerade erst davon erzählt, dass sie sehr verliebt war in der letzten Zeit.

Auch der Regisseur sowie andere Kollegen sollen ihr schöne Augen gemacht haben, aber davon wird man ja nicht schwanger, überlegte Kirsch.

Doch das verschwieg er noch Helen und wollte nur von ihr wissen, wo eigentlich Eugen abgeblieben war.

„Der ist doch bei Doktor Dorer, denn als dieser angerufen hat und diese Neuigkeit mitgeteilt hat, ist er gleich zu Doktor Dorer gegangen, um Näheres zu erfahren.“

„Gut, dann soll Eugen schauen, dass diese Sonia Petzoldt nochmals ganz genau untersucht wird. Vielleicht gibt es doch noch Hinweise, was ihren Liebhaber oder Freund betrifft, denn ich bin überzeugt, dass sie mit einem Begleiter bei der Vernissage war.“

„Die beiden Schauspielkollegen sind noch im Café, dann werden wir nachher noch zu dritt zu dieser Galerie spazieren“, informierte er Helen über seine nächsten Schritte.

Jan Schwarz wusste, dass er nicht viel Zeit hatte, um in die Galerie zu kommen. Die Galeristin war sehr impulsiv, und er sollte sich sicherlich auf dem schnellsten Weg bei ihr blicken lassen.

Und so ging Jan Schwarz zu Fuß zur Galerie, denn sie war nicht weit weg von der Redaktion, und somit musste er auch nicht wieder einen Parkplatz suchen, denn in Freiburg ist das etwas schwierig.

Schnell marschierte er mit zügigen Schritten in das alte Viertel der Wiehre, wo es noch viele alte Jugendstilhäuser gab, aber auch kleine schnuckelige Gässchen mit kleinen Läden und in einer solchen vermutete er auch die Galerie. Er hatte bisher noch nichts von der Galerie gehört, und er wusste auch nicht, ob sie nun der Flohmarktlady oder der Galeristin gehörte, oder einem anderen Besitzer oder einer anderen Besitzerin. Aber das interessierte ihn vorläufig auch noch nicht.

Ob die Galeristin und die Flohmarktlady nun gar ein und dieselbe Person waren, auch das wusste Jan Schwarz nicht, denn zu Gesicht bekommen hatte er weder die Galeristin, noch die Flohmarktlady. Aber vielleicht war dies ja jetzt möglich, dachte er und hoffte, nun auch mal die Flohmarktlady kennenzulernen. Sie war für ihn eine sehr mysteriöse Person, die ihn ständig anrief und ihm Tipps in Sachen Gemäldediebstahl vermitteln wollte.

Auf jeden Fall war Eile geboten, denn die Flohmarktlady hatte bei ihrem Telefonat nur mitgeteilt, dass sie von einem Fälscherring erfahren hatte, und dieser sollte etwas mit der Galerie zu tun haben. Dieser Fälscherring brachte alte Meister ziemlich gut auf die Leinwand, und die Maler des Fälscherrings verdienten sogar ganz gut mit ihren gefälschten Bildern. Sie wirbelten somit den Kunstmarkt ganz schön auf, wie der Reporter inzwischen in Erfahrung bringen konnte.

Der Kunstmarkt explodierte zurzeit, wie Jan Schwarz durch seine Recherchen feststellte, denn die Reichen, die Geld hatten, wollten es auch gewinnbringend anlegen. Entweder suchten sie sich exponierte Immobilien und kauften „Betongold“ oder sie erwarben alte Gemälde, Schmuck und Gold. Und hier mischte auch der Schwarzmarkt kräftig mit.

„Die Flohmarktlady hat doch ihre Hände überall!“, murmelte Jan Schwarz, als er schon von Weitem die Galerie sah.

Davor stand ein schwarzer Tesla, elegant im Style und mit gelben Ledersitzen ausgestattet. Das sah selbst in dieser Gegend, wo alte Häuser und Villen auch auf moderne Immobilien trafen, imposant aus. Doch der Tesla und die alten Jugendstilvillen harmonierten aber auch auf eine seltsame Weise miteinander, die Jan Schwarz sehr gefiel.

Er näherte sich nun der Galerie und dabei kam ihm eigentlich der ganze Plan, sich mit der Galeristin oder der unbekannten Flohmarktlady einzulassen, sehr fragwürdig vor.

Mit wem lasse ich mich denn da ein?, überlegte er noch. Doch dann war er schon an der Tür zur Galerie und diese öffnete sich automatisch wie von Geisterhand.

Drinnen sah er einen Mann stehen, der gerade ein Gemälde begutachtete und gar nicht auf ihn achtete.

„Ist das nicht der Unternehmer, der auch immer wieder im Fernsehen zu sehen ist, der im großen Stil ein Hotelimperium leitet?“, murmelte Jan nur kurz, bevor er sich in der Galerie etwas neugierig umsah.

„Wissen Sie, wo die Galeristin ist?“, fragte er dann den Mann, der direkt neben ihm stand, sich aber gar nicht zu ihm umdrehte, geschweige denn ihn eines Blickes würdigte.

Den kann ich vergessen, dachte er noch, der ist ja ganz besessen von den Bildern.

„Ja, weshalb bin ich denn überhaupt hierhergekommen, wenn gar niemand da ist?“, fragte sich der Redakteur ärgerlich.

Doch dann öffnete sich eine Tür, die anscheinend in ein anderes Zimmer führte, und heraus kam ein junger Mann, der sich als Pierre Klein vorstellte.

Irgendwie kam ihm der Mann bekannt vor, doch erinnern konnte er sich nicht an einen Mann mit Namen Klein.

Pierre Klein näherte sich zunächst dem Unternehmer, den er zwar unterwürfig, aber doch sehr herzlich begrüßte.

„Ach, guten Tag Herr Arnold, schön Sie hier zu sehen! Gefällt Ihnen das Bild. Es ist ein Gemälde von Franz Marc. Sie wissen doch, er gehörte zur Gruppe der Blauen Reiter. Wir konnten kürzlich einen Nachlass erwerben, und vor allem die modernen, expressionistischen Maler sind wieder sehr im Kommen“, erzählte Pierre Klein weiter.

Doch der Unternehmer, den er mit Herrn Arnold angesprochen hatte, reagierte auch gar nicht auf ihn.

Dann wandte sich dieser Pierre Klein auch an Jan Schwarz.

Schwarz wollte wissen, wo denn die Galeristin war?

„Meinen Sie Frau von M.?“, fragte Pierre Klein mit seltsam belegter Stimme.

„Ich kenne die Dame nur als Flohmarktlady“, erzählte Schwarz.

„Flohmarktlady“, Pierre Klein stieß einen kurzen Schrei aus, als er den Namen vernahm, dass der Unternehmer sich nur brüsk umwandte.

„Wo bin ich denn hier gelandet, ich dachte, das ist eine renommierte Galerie, aber wie ich sehe, kommt sie mir doch etwas suspekt vor?“, machte sich dann der bisher schweigsame Unternehmer bemerkbar und räusperte sich gewaltig.

Und dann verabschiedete er sich ziemlich schnell von den beiden, aber nicht, bevor er nochmals kurz nach dem Bild Ausschau hielt, denn es hatte ihm anscheinend doch sehr gefallen.

So ganz konnte sich dieser Herr aber nicht mit der Galerie anfreunden und er machte sich sehr schnell auf den Weg zu seinem schwarzen Tesla, der vor der Galerie parkte und direkt zu diesem arroganten Herrn passte.

„Den habe ich jetzt vergrault!“, entgegnete Pierre Klein und wirkte dabei sehr unglücklich.

„Aber der Name Flohmarktlady ist doch etwas ungewöhnlich. Wo haben Sie denn diesen Namen her?“, wollte er dann gleich von Jan Schwarz wissen.

„Frau von M. ist eine Kennerin auf dem Gebiet der Malerei. Sie hatte früher selbst ein großes Haus geführt, und diese kleine Galerie hier in Freiburg ist ihr ganzer Stolz“, erklärte Pierre Klein, sehr redselig, Jan Schwarz.

„Wir sind gerade dabei, die Galerie aufzubauen und sie zu erweitern und zu modernisieren. Aber das braucht halt auch alles seine Zeit.“

Jan Schwarz nickte nur, denn eigentlich interessierte ihn das nicht. Er wollte nur mit der Flohmarktlady Kontakt aufnehmen, denn schließlich brauchte er wieder eine Geschichte. Die Redaktion und die Zeitung brauchte sie vielmehr und so wartete er ungeduldig, dass er endlich erfuhr, wo sich die Flohmarktlady aufhalten könnte.

„Fahren Sie doch ins Hexental, da hat Frau von M. noch eine zweite Unterkunft in einem schönen alten Bauernhof?“

„Sicherlich werden Sie dort Frau von M. antreffen!“, sagte Pierre Klein mit ruhiger Stimme, doch in Klein vibrierte es nur so.

Was will dieser Reporter von ihr?, dachte er.

Hat sie womöglich mit ihm angebändelt? Denn das passte ihm gar nicht. Er kannte die Galeristin ja schon so lange, und er wollte sich nicht von seinem vertrauten Platz verdrängen lassen.

Davon wusste jedoch wiederum Jan Schwarz nichts und er verabschiedete sich ziemlich hastig.

„Dann muss ich wohl oder übel wieder in die Redaktion zurück und meinen Wagen holen, denn ins Hexental kann ich nicht laufen“, murmelte er vor sich hin.

Als er den Wagen aus der Tiefgarage fuhr, machte er sich gleich auf ins Hexental. Er wollte keine Zeit verstreichen lassen. Bald entdeckte er auch den Bauernhof von der Galeristin, denn um den musste es sich wohl handeln, den er schon auf einer kleinen Anhöhe entdeckt hatte. Rings herum war nur Wald. Und der Bauernhof thronte ein bisschen wie ein geheimnisvolles Schlösschen inmitten dieser Natur mit ihren grün bewachsenen Granitblöcken.

An diesem geheimnisvollen Ort können doch Bilder wunderbar gemalt, ausgetauscht und auch gelagert werden, das bemerkt keiner, überlegte er noch, als er aus seinem Auto stieg.

Plötzlich näherte sich ihm von hinten ein Schatten, er drehte sich nur kurz um, und dann streckte ihn diese Schattengestalt mit einem riesigen Holzscheit nieder.

„Gute Nacht, Jan Schwarz!“, sagte eine dunkle Stimme.

„Komm, wir müssen ihn ins Verlies bringen, mach schnell, nicht, dass ihm jemand gefolgt ist?“, sagte eine zweite Stimme.

„Womöglich dieser Kommissar Kirsch, den kenne ich auch und er war bei ihm im Büro, wie mir jemand geflüstert hat“, sagte die dunkle Stimme weiter.

Dann bugsierten sie Jan Schwarz in das Haus und in den Keller, wo sie ihn wenigstens nicht auf den Fußboden, sondern auf ein Bett, legten.

„Ich muss ihm noch die gute Medizin geben!“, sagte die Stimme und kicherte, „die Medizin, die so bitter schmeckt, dass er für einige Zeit ausfällt.“

„Dann wird er hoffentlich mit seinen Recherchen aufhören, wenn er je wieder erwacht!“, sagte die andere Stimme mit einem bösen Unterton.

Als sie ihre Arbeit erledigt hatten, machten sich die beiden geheimnisvollen Gestalten auf den Weg und nach ein paar Minuten war alles in ein Dunkel gehüllt und man sah nichts mehr, nur rundum dunkle Tannen, in die der Wind rauschte.

Von Wölfen und Schafen

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