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Kapitel 5

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Eva Warnstede schmierte sich, wie jeden Morgen übrigens, ihr Brötchen mit Marmelade und trank ihren Kaffee. Dabei schaute sie auch gleich auf ihr Handy, um die neuesten Nachrichten zu sehen.

Mord am ‚Balzer Herrgott‘, junge Frau, zwischen 20 und 30 Jahre alt, tot aufgefunden, stand da groß in der Online-Ausgabe der Freiburger Zeitung. Der Reporter war Jan Schwarz.“

Eva fiel fast das Handy aus der Hand, als sie die Nachricht las, und als sie dann das Bild sah, erschrak sie noch mehr. Denn vor ihr lag ihre Schauspielkollegin Sonia Petzoldt auf einem Waldboden. Sie war schon zum zweiten Mal nicht zur Probe erschienen, obwohl sie doch eine Hauptrolle hatte, dachte Eva.

Eva war sehr entsetzt und sie wusste gar nicht, wo sie ihre Kaffeetasse und ihr Brötchen hinstellen sollte.

Zuerst nahm sie noch gleich einen Schluck Kaffee und dann biss sie aus lauter Verzweiflung in ihr Brötchen, stellte die Kaffeetasse ab und rannte im Zimmer auf und ab.

Was soll das denn bedeuten?, überlegte Eva. Und sie dachte darüber nach, weshalb ihre Kollegin so plötzlich ermordet wurde, denn sie konnte keinen Grund erkennen, warum man Sonia getötet hatte. In welche Geschäfte war sie verwickelt, grübelte sie weiter nach, und welche Konsequenzen hatte der Tod der Kollegin auch für das Theater? Die Gedanken gingen ihr, wie bei einem Karussell, immer wieder im Kopf herum.

Ich muss sofort in das Theater gehen, und den Kollegen die Neuigkeit verkünden, überlegte Eva, schüttelte dann aber ihren Kopf, denn sicherlich hatten ja alle auch ein Handy und konnten entweder über das Handy, oder auch über die Zeitung und die Medien informiert werden.

„Nein, ich muss diesen Reporter, diesen Jan Schwarz, treffen!“, murmelte sie kurz entschlossen vor sich hin.

Doch Eva wusste im Augenblick gar nicht, was sie zuerst machen sollte, so aufgewühlt war sie, die eigentlich sonst immer einen klaren Kopf behielt.

Ich muss Wolfi anrufen, überlegte sie weiter. Er muss es als Erster erfahren, denn er war doch schwer verliebt in Sonia und überall, wo Sonia war, war auch Wolfi.

Ob er schon von dem Mord erfahren hatte und so schrecklich es auch war, hatte er sogar mit dem Mord etwas zu tun, überlegte sie hin und her.

Sie erschrak fast vor ihren Gedanken, die sich immer wieder im Kreise drehten.

„Jetzt denke ich schon, dass Wolfi Sonia ermordet hat!“, brachte Eva mühsam hervor.

Eva Warnstede zuckte stumm zusammen, weil sie es gar nicht fassen konnte, dass ihre Kollegin so kaltblütig ermordet wurde.

Dann kam sie aber auch zu dem Entschluss, zuerst mal mit dem Reporter Jan Schwarz zu sprechen, den sie ja erst vor Kurzem kennengelernt hatte, und der eigentlich einen sehr sympathischen Eindruck bei ihr hinterlassen hatte.

Vielleicht weiß er ja mehr, als das, was er jetzt in der Zeitung verkündet hat?, dachte sie noch.

Dann grübelte sie noch weiter, weil sie einfach unschlüssig war, ob sie ihn zunächst anrufen sollte, oder ob sie gleich bei ihm in der Redaktion vorbeigehen sollte.

„Aber was wird er von mir denken, wenn ich so plötzlich auftauche?“, murmelte sie und zeigte sich immer noch unschlüssig.

Doch dann verscheuchte sie alle diese Gedanken und zog sich erst mal an.

Vielleicht ist es aber auch besser, zuerst einmal ins Theater zu gehen?, machte sie sich weitere Gedanken, denn heute soll sich doch auch der neue Intendant vorstellen.

Gemeinsam mit Wolfi Bauer wollte sie dann zu Jan Schwarz gehen. Der Gedanke gefiel ihr dann doch am besten, und so zog sie schnell ihre Haustüre, nachdem sie sich gerichtet hatte, hinter sich zu und machte sich auf den Weg ins Theater.

Im Theater angekommen, standen schon einige Theaterleute in Grüppchen zusammen und flüsterten miteinander.

Wolfi war auch schon da und rannte gleich auf Eva zu.

„Hast du schon gehört oder auch gelesen, Sonia ist ermordet worden?“

„Ja, ich weiß es schon und habe es aus den Online-Nachrichten von der Freiburger Zeitung“, erwiderte Eva und hatte plötzlich nasse Augen.

Denn nun war es auch amtlich, nun wussten es die Kollegen und manche weinten auch nur stumm vor sich hin, denn Sonia Petzold war nicht nur eine hübsche Person, sondern sie war auch eine sehr nette Kollegin zu allen, gar nicht eingebildet, obwohl sie schon bei einigen Regisseuren sehr gut angesehen war und auch schon einige Filme mit bekannten Regisseuren gedreht hatte. Selbst Hollywood soll schon angeklopft haben, wurde gemunkelt.

„Ich habe gedacht, wir könnten zusammen zu diesem Reporter gehen, Wolfi, geht das bei dir, oder hast du jetzt Probe?“, fragte Eva gleich mal bei ihrem Kollegen nach.

„Kennst du diesen Reporter?“, entgegnete Wolfi, der schon ganz aufgeregt hin und her hüpfte und eigentlich gar nicht sonderlich betrübt war, obwohl doch seine Angebetete ermordet wurde.

„Wir müssen aber jetzt noch ein bisschen warten, denn um 10 Uhr stellt sich der Intendant vor und da dürfen wir nicht fehlen“, wies er noch Eva darauf hin, bevor er dann aber doch Eva mit seinen langen Armen umschlang, und plötzlich einen hysterischen Weinkrampf bekam.

Oh Gott, hoffentlich kippt er mir nicht noch um!, dachte Eva.

Aber dann hatte sich Wolfi wieder gefangen und zusammen setzten sie sich im Foyer des Theaters an einen Tisch und warteten auf die Vorstellung des Intendanten. Eva war noch ganz in Gedanken vertieft, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und der Direktor mit dem neuen Intendanten erschien.

Der Direktor stand ziemlich breitbeinig in der Tür und verdeckte ein bisschen den Intendanten, sodass Eva zuerst den Direktor erblickte und sich schon umdrehen wollte, als sie plötzlich den Mann hinter dem Direktor sah.

Ihr Atem stockte und ihr Herz schlug wie wild. Sie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen, denn sie sah plötzlich den Mann, den sie eigentlich nie mehr wiedersehen wollte.

Also doch, dachte sie, ich habe es ja schon vermutet, als ich ihn in diesem Hofladen mit dieser eleganten, rotblonden Dame sah.

„Da dachte ich schon, was sucht er hier, was will er hier in Freiburg?“, murmelte Eva leise vor sich hin.

Eva bekam rote Backen und am liebsten wäre sie jetzt in ein hysterisches Lachen ausgebrochen, aber das hätte sich hier, und in dieser Situation, nicht geschickt.

„Wo bin ich denn hier gelandet?“, sagte sie leise, dass es Wolfi nicht hören konnte.

Gerade habe ich mich so in Freiburg eingewöhnt, ich kann doch nicht schon wieder von hier verschwinden, wie schon in Köln und in Düsseldorf, nur weil dieser Mann mir anscheinend zu meinen Theaterengagements nachfolgt, machte sich Eva weitere Gedanken.

Noch wurde kein Wort gesprochen, aber für Eva war dieser Tag schon gelaufen.

Zuerst musste sie die Entdeckung verkraften, dass ihre Kollegin am ‚Balzer Herrgott‘, oder sonst wo im tiefen Schwarzwald, ermordet wurde, ihre wunderschöne, stilsichere und überaus beliebte Kollegin, Sonia Petzoldt, die nun tot in irgendeiner Leichenhalle lag.

Und nun folgte die zweite noch schrecklichere Entdeckung, dass der neue Intendant nun wohl Hans Tiefenthal war, und damit das Theater in Freiburg für sie todsicher verleidet war.

Hinter Hans Tiefenthal stand dann auch die elegante Dame, die auch schon im Hofladen war und sich an ihn gelehnt hatte, nein geradezu an ihn geschmiegt hatte, erinnerte sich Eva.

Sie schüttelte sich, als sie an die Szene dachte, die sich gewollt oder ungewollt, doch bei ihr eingeprägt hatte.

Am liebsten wäre sie aufgesprungen und gegangen, aber dann hätte sie ja direkt die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und das wollte sie nicht. Sie wollte vorerst unerkannt beim Intendanten bleiben.

Eva harrte also aus und duckte sich hinter Wolfi, damit sie von keinem so direkt gesehen wurde, weder vom Direktor, noch vom Intendanten und keineswegs auch von dieser Dame mit ihren rotblonden Haaren.

Dann vernahm sie plötzlich die Stimme des Direktors, der nun allen den neuen Intendanten des Theaters, Hans Tiefenthal, vorstellte.

Auch der neue Intendant richtete einige Worte an die Theaterleute, die sich alle im Foyer versammelt hatten und die ihn alle auch freudig begrüßten, bis auf eine und die hieß Eva Warnstede.

Wie zu vernehmen war, freute er sich auf die Zeit in Freiburg und er hatte große Pläne vor, wie er schon gleich mitteilte. Darauf brandete dann ziemlich viel Applaus auf, denn innovative Pläne waren immer willkommen. Auch das Theater kämpfte mit den Besucherzahlen.

Eva saß wie ein Mäuschen zusammengeduckt hinter Wolfi, der Eva gar nicht verstehen konnte, weshalb sie da so duckmäuserisch saß und auch keinen Laut von sich gab, geradeso, als wollte sie sich verstecken.

Eva würdigte ihn aber keines Blickes, sondern sie wollte eigentlich nur so schnell wie möglich aus dem Saal kommen.

Schnell hinaus an die frische Luft, dachte sie.

Aber es war nicht möglich, denn dann wurde auch noch ein Begrüßungssekt angeboten und Wolfi rannte gleich los, um sich zwei Gläser zu schnappen.

In diesem Augenblick saß Eva völlig frei da, denn Wolfi war ja unterwegs, und plötzlich sah sie auch, wie sich die Augen von Hans Tiefenthal auf sie richteten.

Dunkle, blaue Augen und ein Lächeln, das Eva nicht einordnen konnte, zog sich um seinen markanten Mund.

Vielleicht war sein Lächeln spöttisch, vielleicht auch nur belustigt, dachte Eva, denn sie kam sich plötzlich auch merkwürdig vor, weil sie da saß, wie ein Mäuschen in der Falle.

Irgendwie war ihr das nun auch wiederum nicht so recht, und sie stand auf und ging auf Wolfi zu, der gerade mit den Sektgläsern ankam.

„Ah, endlich bist du wieder die alte Eva!“, sagte Wolfi nur kurz und schaute mit einem aufmüpfigen Blick zum neuen Intendanten.

Wolfi war der Mann für alle Fälle im Theater, er konnte die Leute zum Lachen, aber auch zum Weinen bringen. Solche Leute waren gefragt, weil sie sowohl den komischen Part abdecken konnten, als auch den jungen etwas täppischen Liebhaber oder den Bruder und den unbedarften Gatten. Insofern bekam er immer wieder leicht ein Engagement und der neue Intendant konnte ihn sicherlich auch wieder gut einsetzen.

Eva hingegen, die die junge Geliebte mimte und mehr die tragischen Rollen verkörperte, hatte da schon eher Schwierigkeiten, zumal sie als Künstlerin ja auch nicht jünger wurde.

Aber sie war immer noch eine gefragte Schauspielerin und hatte auch schon Fernseh- und Filmrollen übernommen.

Jedoch nach dem Eklat, den Eva jedoch streng geheim hielt, fiel es ihr immer schwerer, neue Rollen anzunehmen und auch die Theaterwechsel wurden nicht einfacher.

„Zum Wohl!“, hörte sie plötzlich eine Stimme neben sich und sie erschrak sehr, denn sie kam ihr bekannt vor.

Natürlich hatte Hans Tiefenthal Eva entdeckt und kam auf sie zu.

Dies bemerkten auch die anderen Kollegen und tuschelten schon miteinander.

„Was will denn Hans Tiefenthal von Eva?“, hörte sie einige Kollegen sagen, die in der Nähe von ihr standen.

„Ja, was will er von mir?“, sagte sie ganz leise, mehr zu sich selbst, und reichte ihm ihre Hand, die jedoch steif und kalt in seiner Hand lag.

„Eva, wie geht es dir, wir haben ja lange nichts mehr voneinander gehört?“, fragte er gleich nach und Eva zuckte nur mit ihren Schultern.

„Gut, und dir?“, sagte sie forsch, wobei auch er ein bisschen zusammenzuckte, denn so barsch und kurz angebunden, war ihm Eva nie vorgekommen.

Es ging jedoch nicht lange, da stand die elegante, rothaarige Dame plötzlich neben ihr und mischte sich in die Unterhaltung ein.

„Willst du mich nicht vorstellen, Hans?“, meinte sie nur.

„Das ist Eva Warnstede, ich kenne sie schon einige Jahre, wir haben schon viel miteinander gearbeitet, auch schon als ich noch ein Regisseur war“, sagte Hans Tiefenthal und Eva schaute von Hans zur rothaarigen Dame, die etwas kicherte und plötzlich ganz weiß wurde im Gesicht.

Eva zuckte ebenfalls zusammen und dachte, was hat sie denn?

Ihre dunkelgrünen Augen richteten den Blick ziemlich starr auf Eva, als sei sie ein Gespenst.

„Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein?“, sagte sich Eva und sie schaut mich ganz normal an.

„Weshalb stilisiere ich sie zu einer Hexe, bin ich schon verrückt geworden?“

Eva wischte sich über ihre Augen und dann sah sie, dass die Dame sich schon von ihr abgewandt hatte und zu einer anderen Gruppe hinüber ging. Hans Tiefenthal folgte ihr.

„Super, jetzt habe ich nicht mal ihren Namen verstanden!“, meinte Eva zu Wolfi, der seinen Arm um sie legte, als wollte er sie beschützen.

Hat Wolfi die Situation auch so eingeschätzt wie ich, dachte Eva und wollte eigentlich nur noch hinaus aus dem Foyer, hinaus an die frische Luft, denn das Treffen mit Hans Tiefenthal ging ihr doch auf die Nerven und an die Nieren.

Sie lief dann ein paar Schritte weiter und forderte Wolfi auf, mit ihr zu diesem Reporter Jan Schwarz bei der Freiburger Zeitung zu gehen.

„Wir müssen ihm erzählen, was wir wissen und wer die junge Frau ist, die ermordet wurde“, sagte Eva mit merkwürdig hektischer Stimme, sodass Wolfi sich ihr einfach nicht entziehen konnte.

Von Wölfen und Schafen

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