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Kapitel 11

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Kirsch erfuhr erst am nächsten Tag von Jan Schwarz von seiner Befreiung aus seinem Verlies im Hexental. Auch darüber, dass die Wohnung des Reporters ziemlich verwüstet wurde, war Kirsch sehr bestürzt.

Allerdings hatte Kirsch jetzt keine Zeit, sich mit der Entführung sowie der Befreiung von Jan Schwarz und den Verwüstungen in seiner Wohnung zu beschäftigen, denn Helen hatte ihm noch zu Hause signalisiert, dass ihn dringend Bella Weigand sprechen wollte. Frau Weigand war inzwischen etwas Wichtiges eingefallen, wie sie Helen informierte, das wollte sie jedoch nur Herrn Kirsch persönlich sagen.

Also blieb Kirsch nichts anderes übrig, als Bella Weigand aufzusuchen. Doch in ihrer Wohnung angekommen, öffnete niemand. Kein Seppi bellte und keine Bella Weigand war anzutreffen.

Die Nachbarin erschien daraufhin an der Haustür, denn Kirsch rief immer wieder den Namen von Bella Weigand.

„Ja, was wollen Sie denn hier, Herr Kirsch? Hat Ihnen Bella Weigand nicht gesagt, dass sie zur Kur kommt.“

Kirsch glaubte, sich verhört zu haben, denn Bella Weigand erschien ihm kerngesund. Das eine oder andere Alterswehwehchen hatte sie schon, aber das merkte man ihr nicht an.

„Was fehlt ihr denn?“, fragte der Kommissar wissbegierig nach.

Kirsch war nun doch bestürzt, dass er sich nicht früher bei Bella Weigand gemeldet hatte, nachdem sie so abrupt verschwunden war, als der Polizeipräsident und mit ihm Bürgermeister Wohlgemuth bei Kirsch auf tauchten.

„Sie hatte schon lange eine Kur beantragt und nun hat es ganz überraschend geklappt, weil einer der Reha-Patienten seine Kur nicht antreten konnte. Für ihn ist nun Bella Weigand eingesprungen“, sprudelte die Nachbarin mit ihren Worten nur so heraus.

„Wissen Sie, wo Bella Weigand ihre Kur angetreten hat?“, wollte der Kommissar auch noch in Erfahrung bringen.

„Sie ist in Baden-Baden in der Reha-Klinik am Kurgarten untergebracht“, informierte ihn die Nachbarin.

„Diese Klinik kenne ich, da war ich auch schon einmal. Sie liegt ganz nah am Kurhaus und man ist gleich in der Stadt, das ist prima. Da fahre ich gleich hin“, sagte Kirsch und verabschiedete sich von der Nachbarin, die ihm nur ein bisschen entgeistert nachblickte. Denn eigentlich, dachte sie, hatte der Kommissar ja wahrscheinlich viel mehr zu tun, als Bella Weigand in ihrer Kur zu besuchen. Aber sie sagte natürlich kein Wort.

Im Kommissariat angekommen, wollte Kirsch doch noch mit Jan Schwarz Verbindung aufnehmen, denn er vermutete, dass Schwarz ihm sicherlich noch einige hilfreiche Infos geben könnte.

Bella Weigand hat noch Zeit, dachte Kirsch. Schwarz war auch gleich am Telefon.

„Sind Sie schon informiert, dass noch ein zweiter Mord in Freiburg passiert ist, und zwar in der Galerie M?“, erzählte Kirsch gleich munter los.

Das wusste Jan Schwarz noch nicht. Er war jedoch sehr überrascht, dass der junge Angestellte der Galerie M. so tragisch ums Leben gekommen war, denn er hatte ihn ja noch kurz vor seiner Entführung in das Verlies bei seinem Besuch in der Galerie kennengelernt.

„Er wurde erwürgt, genauso wie die Schauspielerin Sonia Petzoldt. Das ist doch mehr als seltsam!“, entgegnete Kirsch etwas aufgewühlt.

„Was steckt denn da für ein Motiv dahinter, den Angestellten zu ermorden?“

„Das weiß ich auch noch nicht.“

„Pierre Klein oder Orly, wie er damals hieß, war schon einmal in einen meiner Fälle verwickelt, dem Diebstahl des Keltenrings. Ich hatte zwar nicht viel mit ihm zu tun, denn Linette, das Hausmädchen der von Monroes, wurde ermordet. Aber Pierre Klein als ihr Freund war eben auch involviert und am Anfang auch verdächtig. Doch er hatte ein Alibi“, erzählte er Jan Schwarz, der interessiert zuhörte.

„Inwieweit er nun in den Mordfall Sonia Petzoldt involviert sein soll, weiß ich auch noch nicht?“, erklärte Kirsch.

„Eine wichtige Informantin, die auch schon am Theater in Freiburg tätig war, ist meine liebe Freundin Bella Weigand. Sie wollte mir nun wichtige Details mitteilen. Sie ist allerdings zur Kur in Baden-Baden. Hätten Sie heute Zeit, dann könnten wir uns bei einem Kaffee in Baden-Baden treffen?“

Jan Schwarz hätte sich schon gerne mit dem Kommissar getroffen, aber zuerst musste er sich der Redaktionsarbeit widmen und sich mit dem Chefredakteur besprechen, denn dieser war über die Alleingänge seines Kollegen nicht sehr erfreut.

Dies teilte er auch Kirsch mit und somit war das Telefongespräch auch bald beendet.

Dann nehme ich Eugen zu Bella Weigand mit, die freut sich doch bestimmt ihren Lieblingspolizisten zu sehen, überlegte Kirsch kurz.

„Wo ist überhaupt Seppi untergebracht?“, fragte sich der Kommissar, der sich plötzlich an Seppi erinnerte, aber das konnte sicherlich Eugen wissen.

„Eugen!“, rief Kirsch mit ziemlicher Schärfe in der Stimme, denn Seppi hing ja so an Eugen und da konnte er doch nur wieder bei Eugen und seiner Familie wohnen, was aber Eugen dem Kommissar noch nicht erzählt hatte.

„Weißt du übrigens, dass Bella Weigand in Kur weilt und wo ist dann Seppi?“

Eugen machte ein bestürztes Gesicht, denn er hatte ganz vergessen, Kirsch darüber in Kenntnis zu setzen, wo dieser doch immer alles gleich wissen will.

„Seppi ist natürlich wieder bei uns zu Hause“, entgegnete er etwas unsicher.

„Das hättest du mir doch sagen können, Eugen!“, maulte Kirsch etwas unbeherrscht.

„Ich wusste doch nicht, dass Sie zu Bella Weigand gehen wollten.“

Helen kam auch noch hereingestürzt, als sie das Lamentieren von Kirsch mit Eugen hörte.

„Entschuldigung, ich hätte es Ihnen sagen müssen, aber ich dachte, Sie kommen zuerst in das Kommissariat, bevor Sie zu Bella Weigand gehen.“

„Ist ja gut!“, besänftigte Kirsch wieder seine Truppe.

„Komm, Eugen, wir fahren jetzt zu Bella Weigand, ich muss wissen, was sie uns zu sagen hat!“

Und so fuhren sie auch gleich los, und es war schön über die Rebberge in der Ortenau bis nach Baden-Baden zu fahren. Die Reben leuchteten in satten gelben Farben und die Winzer waren noch mit der Traubenlese beschäftigt.

Direkt an der Kurklinik erwischte Kirsch noch einen freien Parkplatz, was ihm wiederum Spaß machte.

Helen hatte inzwischen auch Bella Weigand telefonisch informiert, dass die zwei Wiesenbacher Polizisten bei ihr auftauchen würden. Und da Frau Weigand auch gerade freie Stunden hatte, war ihr der angekündigte Besuch von Kirsch und Eugen auch ganz recht.

In der kleinen Caféstube im Reha-Zentrum nahmen sie Platz.

Kirsch konnte es gar nicht erwarten, bis sie endlich am Tisch saßen und auch die Kellnerin ihnen den Kaffee und natürlich jedem ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte brachte. Die Schwarzwälder Kirschtorte gibt es im Schwarzwald in jedem Café, denn ohne die mit Schnaps eingelegten Kirschen und der leckeren Sahne geht gar nichts.

„Was haben Sie uns nun so Wichtiges mitzuteilen?“, platzte Kirsch gleich mit seiner ersten Frage an Frau Weigand heraus.

Die alte Dame hatte noch nicht mal einen Schluck Kaffee getrunken, geschweige denn die Schwarzwälder Kirschtorte angerührt.

Gleich fing sie zu erzählen an, dass sie Sonia Petzoldt auch sehr gut gekannt hatte. Sie war noch eine junge Schauspielerin als sie miteinander in Mannheim zusammengearbeitet hatten.

„Kennen Sie übrigens auch einen Intendanten Hans Tiefenthal?“, warf Kirsch einfach so dazwischen.

„Tiefenthal, natürlich!“ Er war schon immer ein Charmeur und Sonia Petzoldt hat ihm besonders gut gefallen, damals am Theater“, bemerkte Frau Weigand und lächelte Kirsch an.

„Ah, ja!“, meinte Kirsch nur.

„Inwiefern hat sie ihm denn gefallen?“

„Na, ja, man wurde nicht ganz schlau aus ihm, waren es nur väterliche Gefühle oder andere?“, meinte Bella Weigand wieder etwas spitzbübisch.

„Welchen Eindruck hatten Sie von den beiden und ihrem Verhältnis?“, wollte Kirsch gleich wissen.

„Ich weiß es nicht genau. Aber es fiel mir wieder ein, dass damals auch eine Schauspielschülerin, eine Praktikantin, umgebracht wurde.“

„Was erzählen Sie denn da?“, rief Kirsch wieder unbeherrscht dazwischen.

„Herr Kirsch, es war genauso wie in Freiburg. Auch sie wurde mit einem Schal erdrosselt und in einem Waldstück bei Mannheim gefunden.“

„Wie viel Jahre ist das denn jetzt her?“

„Es sind schon ein paar Jahre, ich weiß jetzt nicht mehr wie viele, ich war dort als schrullige Alte engagiert und Sonia Petzoldt war noch sehr jung.“

„Diese Praktikantin war höchstens 18 Jahre alt. Sie hat schon als Kind an Aufführungen mitgewirkt und wollte Schauspielerin werden. Es war ein sehr tragischer Fall. Ihre Eltern hatten ihre einzige Tochter verloren. Sie waren untröstlich.“

„Das ist ja schrecklich!“, sagte Kirsch und schaute entsetzt zu Boden, denn mit dieser Geschichte konnte er jetzt gar nichts anfangen.

„Ich weiß nicht, in welche Welten wir hier vorstoßen?“, sagte Kirsch leise zu Eugen, der nur, wie üblich, stumm daneben saß.

Kirsch erinnerte sich, dass ihm Jan Schwarz auch eine Geschichte erzählt hatte, die ebenfalls ähnlich war wie der Fall mit der ermordeten Schauspielerin, und die sich in Hannover oder Düsseldorf abgespielt haben soll, informierte er kurz Eugen. Er wollte Bella Weigand nicht noch weiter beunruhigen.

Er bemerkte auch, dass sie durch die Erzählung und die Erinnerung an die beiden Morde sehr erregt war.

„Weshalb sind Sie überhaupt hier zur Kur?“, wollte er dann von Bella Weigand wissen, um sie vor allem auch wieder von den Mordgeschichten abzulenken.

„Mein Herz spielt als ein bisschen verrückt, ich habe öfters Herzflimmern.“

„Herzflimmern und da erzählen Sie mir solche mörderischen Geschichten und belasten sich damit?“

„Man muss doch die Wahrheit sagen, Herr Kommissar!“

„Es ist richtig, es belastet mich doch sehr, weil ich Sonia Petzoldt kannte und auch die Schauspielpraktikantin und nun muss ich nach ein paar Jahren wieder erfahren, dass in unserem Schauspielermilieu wieder so ein grässlicher Mord geschehen ist.“

Von Pierre Klein sage ich ihr nichts, dachte Kirsch und auch Eugen schaute nur sehr betrübt drein, denn Bella Weigand war doch jetzt sehr aufgebracht.

„Wissen Sie noch wie die Schauspielpraktikantin hieß?“, fragte Kirsch dann doch noch bei der alten Dame nach.

„Sie hieß Irene Sachs, das weiß ich noch genau. Es ist sicherlich fünf Jahre her, als der Mord geschehen ist. So genau weiß ich es nicht mehr.“

„Jetzt trinken wir erst mal unseren Kaffee und essen unsere Torte auf, dann kommen wir wieder auf andere Gedanken, Frau Weigand.“

„Ja, wenn Sie meinen?“, sagte Bella Weigand zögerlich.

Und jetzt reden wir mal vom schönen Baden-Baden.

„Es ist wirklich wunderbar hier in Baden-Baden. Ich bin gerne hier. Ich mache nachmittags kleine Spaziergänge. Morgens habe ich ja ständig Anwendungen, da komme ich gar nicht zur Ruhe.“

Und so verging die Zeit und Kirsch drängte dann auch Eugen, denn sie mussten ja wieder zurück nach Wiesenbach.

„Frau Weigand, wenn Ihnen noch was Wichtiges einfallen sollte, dann wissen Sie ja wie Sie mich erreichen können. Entweder sind Eugen oder Helen Ihre Ansprechpartner, wenn ich nicht da bin.“

Und dann verabschiedeten sie sich von Bella Weigand, die ihnen nur sehr traurig nachblickte, denn Seppi fehlte ihr doch sehr. Bei dem Gespräch hatte sie sich gar nicht mal bei Eugen über ihn erkundigen können, fiel ihr dann auch noch ein.

„Was hältst du von der Geschichte, noch ein Mord mit einem Halstuch?“, meinte Kirsch, als sie auf dem Heimweg waren.

„Noch so ein Halstuchmörder, das gefällt mir gar nicht!“

„Hoffentlich haben wir es nicht mit einem Psychopathen zu tun!“, entgegnete Kirsch kurz.

Morgen muss ich dringend mit Kommissar Schnebel und auch noch mit Jan Schwarz telefonieren, dachte Kirsch auf seiner Heimfahrt.

„Hoffentlich gibt es nicht noch einen dritten Halstuchmord?“, sagte er dann aber leise zu Eugen.

Als sie im Kommissariat ankamen, war Helen noch eifrig beschäftigt. Doch es hat sich in der Zwischenzeit nichts ergeben und so war es still im Kommissariat, wie Helen berichtete.

Kirsch ging dann gleich nach Hause, wo ihn Moni schon erwartete. Und sie hatte Neuigkeiten für Kirsch.

„Stell dir vor, ich war heute in unserer Bäckerei bei Andrea Hutter und wen habe ich dort getroffen, Lene Wohlgemuth, die Bürgermeisterfrau. Sie führte mal wieder das große Wort.“

„Das macht sie doch immer!“, sagte der Kommissar etwas leise zu seiner Frau.

„Du bist so leise, sonst braust du doch immer gleich auf, wenn ich von den Wohlgemuths spreche.“

„Es ist mir gar nicht danach!“, meinte Kirsch.

Oh, dachte Moni, was da nur wieder im Busch ist.

„Ja, und da erzählte die Lene, dass ihr Mann vorhat, für den Landtag zu kandidieren, wusstest du das?“

„Ja, ich wusste es von Eva Zorn.“

„Ach, hat sich deine Freundin, Eva Zorn, mal wieder gemeldet?“, fragte Moni ziemlich spitz nach.

„Erstens ist Eva Zorn nicht meine Freundin. Sie ist immer mal wieder eine gute Informantin, denn die Presse weiß doch immer mehr als wir Polizisten.“

„Und zweitens hast du mir doch selbst geraten, Eva Zorn anzurufen, da sie den Journalisten Jan Schwarz kennt.“

Dann war das Gespräch auf beiden Seiten abrupt beendet und Kirsch ging ins Wohnzimmer, um sich abzureagieren.

Doch im Sessel schlief er bald ein und Moni ließ ihn einfach schlafen.

„Soll er doch in seinem Sessel schlafen!“, sagte sie trotzig vor sich hin.

Von Wölfen und Schafen

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