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Die Ferien hatten angefangen, und gewisse Unerfreulichkeiten wegen der Zeugnisse waren überstanden. Ich kniete vor der Kommode in meinem Zimmer und schichtete Unterwäsche in den Koffer.

„Nimm warme Sachen mit“, sagte meine Mutter von der Tür her. „In Schweden soll es schon früher als bei uns Herbst werden, die Leute machen dort ja auch eher Urlaub als wir. Ach Gott, wenn ich daran denke… Du vergißt doch nicht, mir jede Woche zu schreiben, Frankhild?“

Ich nickte automatisch. „Wenn nur Kristins Mutter mitfahren würde, dann wäre ich beruhigt!“ sagte meine Mutter zum wiederholten Mal.

„Aber das geht eben nicht“, erwiderte ich erschöpft. „Du weißt doch, daß Kristins Eltern schon seit ewigen Zeiten geschieden sind. Ihre Mutter lebt hier mit einem anderen Mann zusammen. Da kann sie doch nicht einfach Urlaub bei ihrem geschiedenen Mann machen! Außerdem fährt Kristin schon seit acht Jahren jedesmal allein in den Ferien zu ihrem Vater, und sie ist immer heil und gesund zurückgekommen.“

„Ja, aber bisher hat Professor Zetterlund in Stockholm gelebt! So eine Großstadt ist schließlich etwas anderes als ein einsames Dorf auf dem Land!“

Ich schob die Kommodenschublade zu und richtete mich auf. „Allerdings, das ist wirklich etwas anderes. In Großstädten gibt’s Mord und Totschlag, und auf dem Land passiert höchst selten etwas, das ist der Unterschied.“

Das wirkte. Meine Mutter sagte nichts mehr. Sie ging in die Küche, um Reiseproviant für mich vorzubereiten. Ich packte meinen Koffer und die Reisetasche in Ruhe fertig.

Dann rief Kristin an. „Du, wir sollten am besten morgen schon eine Stunde vor der Abfahrt am Bus sein“, sagte sie. „Dann können wir uns die Plätze noch aussuchen. Und geh früh ins Bett, damit du ausgeschlafen bist. Wir sind immerhin ungefähr zweiunddreißig Stunden unterwegs; schlafen kann man im Bus sowieso kaum.“

Wider Erwarten schliefen wir nach zehnstündiger Fahrt im Europa-Bus doch, wenn auch unruhig und unbequem. Es gab viel zuwenig Platz für unsere Knie und unsere Füße; ab und zu wachte ich davon auf, daß Kristin meine Schulter als Kopfkissen benutzte. Ich träumte von einem düsteren Haus inmitten eines riesigen Waldes, in dem Kristins Vater wie die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel hauste.

Gerade als der Traum richtig ungemütlich wurde, wachte ich auf und stellte erleichtert fest, daß wir in Hamburg waren. Hinter den Busfenstern war es schon dunkel. Kristin packte ihren Proviant aus.

Nachts auf der Fähre nach Malmö wurde ich seekrank, obwohl eigentlich kein besonders hoher Seegang war. Ich kauerte auf einem Stuhl im Gang und fühlte mich sterbenselend.

Kristin versuchte mich zu trösten. „In ein paar Stunden hast du’s überstanden“, sagte sie.

Ich murmelte, daß ein paar Stunden eine verdammt lange Zeit sein können, und schloß die Augen wieder. Gerade jetzt wünschte ich mir, ich wäre zu Hause geblieben, doch das sagte ich ihr natürlich nicht.

Als wir früh am nächsten Morgen endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten und in den Bus zurückkehren konnten, war ich heilfroh und dankbar.

„Du siehst aus wie Entengrütze“, sagte Kristin aufmunternd.

Da mir nun schon einmal so elend war, vertrug ich auch das Busfahren nicht mehr. Den ganzen Tag kauerte ich wie ein Häufchen Elend auf dem Sitz, aß keinen Bissen und warf nur ab und zu einen gequälten Blick aus dem Busfenster. Kristins Begeisterung über die Wälder und Seen, das Meer und die schwedischen Dörfer konnte ich nicht teilen. Ich wäre am liebsten ausgestiegen und hätte mich in den Straßengraben gelegt.

Keiner konnte erleichterter sein als ich, als wir gegen Abend endlich Stockholm erreichten.

„Jetzt lege ich mich auf eine Bank im Bahnhof und rühre mich bis morgen früh nicht mehr von der Stelle!“ sagte ich zu Kristin.

„Du weißt genau, daß der nächste Zug nach Uppsala in zehn Minuten fährt“, sagte sie streng. „Den müssen wir erwischen, damit wir den letzten Bus nach Lilletorp noch kriegen. Vater hat mir alles genau geschrieben. Er erwartet uns doch und macht sich Sorgen, wenn wir nicht im Bus sind. Reiß dich zusammen, Frankie!“

Bus – ich hörte immer nur Bus! Ich stöhnte. Da ich mich jedoch zu schwach fühlte, um zu widersprechen, folgte ich Kristin gottergeben durch die Bahnhofshalle zum Schalter und dann zum Zug nach Uppsala.

Er stand schon bereit und war zum Glück ziemlich leer. Ich legte mich auf eine Sitzbank und war überglücklich, daß sich für eine Weile nichts mehr unter mir bewegte.

Doch dann fuhren wir wieder. Eine Stunde später waren wir in Uppsala und erreichten den Bus nach Lilletorp noch rechtzeitig. Mir kam es vor, als sollte mein armer Magen nie mehr zur Ruhe komme. Ich schwor mir, während der nächsten Wochen nie wieder einen Bus oder ein Schiff zu besteigen; an die Rückreise mochte ich gar nicht erst denken.

Als wir Lilletorp endlich erreichten, brach die Abenddämmerung schon herein, und Professor Zetterlund war nicht gekommen.

Unheimlich

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