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Erziehung zur Arbeit

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Der Hof war Arbeitsplatz für die Familie, gleichzeitig bot er ihr ein sicheres Dach über dem Kopf. Als Inhaber war der Bauer „Herr“ im eigenen Haus. Jedes Familienmitglied war aufgefordert, nicht nur fürs Überleben sondern auch für den Fortbestand des Hofes zu arbeiten. Vor allem auf den so genannten geschlossenen Höfen, wo der gesamte Besitz einem Erben zufiel, war der Erhalt des Hofes ein großes Anliegen. Der Verlust desselben bedeutete auch Verlust der „Heimat“, und diese galt es mit allen Mitteln zu erhalten.

Die täglich und jahreszeitlich anfallenden bäuerlichen Arbeiten ließen keinen Aufschub zu. Um nicht Verluste in Kauf zu nehmen, musste jeder zur gegebenen Zeit präsent sein und mit vollen Kräften mitarbeiten. Es gab keine festen Arbeitszeiten: Wenn das Heu einzubringen war, arbeitete man auch bis spät in die Nacht. Arbeit war zentraler Bestandteil des bäuerlichen Lebens – es war unverzichtbar, auch die Kinder in die Arbeit mit einzubeziehen. Helena Blaas erinnert sich an die Unerbittlichkeit ihres Vaters: „Wir durften nie Karten spielen, nur stricken. Er wollte, dass immer gearbeitet wird.“ Elisabeth Fleisch schreibt am Beispiel des Bergdorfes Lappach über Kindheit und Jugend in einer Bauernfamilie: „Erinnerungen an Kindheit und Jugend sind Erinnerungen an Arbeit, an Druck und ‚Zwang‘, wobei es sich gar nicht um äußerlichen handeln musste. Vielmehr übte das ‚Gewissen‘ auf die Arbeitshaltung des Kindes und Jugendlichen unheimlichen Druck aus, dies ganz besonders, wenn man Kind einer der ärmeren Familien war, deren Existenzsicherung manches Mal nicht das Nötigste gewährleistete.“41 Kinder mussten bereits mit drei oder vier Jahren erste Arbeitsaufträge ausführen, etwa Brennholz für die Küche holen, die Jausen für die Arbeitenden aufs Feld bringen, Vieh hüten und andere kleinere Dienste übernehmen.

Regina Walcher erinnert sich: „Im Sommer, wenn keine Schule war, musste ich am Vormittag und am Nachmittag je drei Stunden die Kühe am Seil hüten. Das war oft sehr langweilig. Und nebenbei musste ich auch noch für die Männer Socken aus Schafwolle stricken. Wenn die Kühe am Seil rissen, sind mir die Maschen von der Nadel gefallen, und es war so schwer sie wieder aufzufassen. Wenn ich dann nicht viel gestrickt hatte, wurde ich ausgeschimpft. Während des Hütens habe ich oft gepfiffen, und da hieß es, Mädchen, die pfeifen, kommen in die Hölle. Da war mir schon das Singen vergangen, und jetzt war mir das Pfeifen auch nicht vergönnt.“

Bei der Zuweisung der Arbeit auf dem Hof gab es eine klare geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Es gab „Frauenarbeiten“ und „Männerarbeiten“. Kindern wurden die Arbeiten nach Alter zugewiesen. Es gab aber auch entsprechend der traditionellen Zuständigkeit der Frauen für Familie und Hausarbeit solche, für die nur Mädchen zuständig waren. Sie halfen beim Kochen und Putzen, hüteten kleine Kinder, sie strickten und stopften. Es waren Arbeiten, die wenig geschätzt wurden. Rebekka Rungg erinnert sich an diese Nichtachtung der Hausarbeit mit deutlich hörbarer Verärgerung: „Es hat immer geheißen, Hausarbeit bringt nichts, zum Beispiel wenn wir einmal die Küche putzen wollten, da hat der Vater gesagt, das bringt nichts, ihr sollt auf dem Feld arbeiten. Der Vater hatte dafür kein Verständnis.“ Der Vater und die Brüder erledigten nur die „wichtigen“ Arbeiten auf dem Feld.

Strafen wie Schläge und Essensentzug betrachtete man als legitimes Erziehungsmittel, um die Kinder gefügig zu machen und zum Gehorsam zu zwingen. Weil Regina vergaß, nach der Schule das Brot vom Bäcker mit auf den Hof zu nehmen, wurde ihr das Mittagessen vorenthalten. „Ich musste sofort wieder ins Dorf zurück, ohne etwas zu essen, und als ich mit dem Brot zurückgekommen bin, musste ich schon wieder in die Schule gehen, ohne etwas gegessen zu haben. So hat man früher die Kinder bestraft.“

Widersprüche oder Eigeninitiative waren nicht erwünscht. Als Regina Walcher, die von den Eltern zu einem Bruder des Vaters gegeben wurde, zu Schulbeginn weder Heft noch Schreibwerkzeug hatte, beschloss sie kurzerhand im Geschäft, wo auch der Vater einkaufte, zu holen, was sie brauchte und es anschreiben zu lassen. Mit fatalen Folgen: „Eines Abends kam dann mein Vater zu diesem Onkel. Ich wunderte mich, weil sonst der Vater nie zu seinem Bruder kam. Wir saßen in der Küche, und der Vater sagte: ‚Regina, bring mir ein Heft und einen Bleistift.‘ Ich brachte es ihm und er fing an zu schreiben. Dann sagte er, er hätte etwas falsch geschrieben, ob ich einen Radiergummi hätte. Da brachte ich auch den Radiergummi. Er hat mich dann gefragt, woher ich diese Sachen hätte, und ich musste es ihm freilich erzählen. Da zog der Vater einen Stock heraus und schlug mit einem Zorn auf mich ein.“ Drei Tage verkroch sich Regina aus Angst auf dem Heuboden. An Körper und Seele verletzt blieb sie dort, ohne zu essen, bis ein Knecht sie fand.

In ihren Erinnerungen tauchen öfter Erzählungen über Aufmüpfigkeit gegenüber dem strengen Vater auf. Als sie und ihre Schwester sich vom ersten selbst verdienten Geld – sie war zwölf, dreizehn Jahre alt – neue Schuhe kauften, hielten sie das vor ihrem Vater geheim: „Damals waren die ersten Halbschuhe in Mode, denn früher hatte man hohe Riemenschuhe. Jetzt wollten wir auch einmal etwas Besseres und Schöneres und haben uns Schuhe gekauft. Wir haben uns dann Halbschuhe ausgesucht, die vorne eine Lackkappe hatten. Wir sind ganz glücklich nach Hause gegangen, und die Mutter war mit dem Kauf auch einverstanden. Dann kam der Sonntag, und wir waren natürlich stolz, dass wir so schöne Schuhe anziehen konnten. Wir hatten aber Angst, dass wenn der Vater die schönen Schuhe sieht, wir sie womöglich wieder ausziehen müssen. Also sind wir in die Holzhütte gegangen und haben dort etwas Erde draufgestreut, damit der Vater den Glanz der neuen Schuhe nicht sieht. Vor der Kirche haben wir dann den Staub weggewischt, denn die anderen sollten ja sehen, was für schöne Schuhe wir hatten.“

Die Kinder wurden durch die Anforderungen, die man an sie stellte, früh genug erwachsen. Sie internalisierten die Pflicht zur Arbeit so sehr, dass sie sich manchmal selbst abverlangten, was sonst ein Erwachsener leistete. „Ich habe immer großgetan, ich könne arbeiten und war nur klein und schwach, aber ich wollte es denen zeigen, was ich kann“, erzählt Helena Blaas.

Für die meisten der ehemaligen Dienstmädchen war Arbeit schon in der Kindheit selbstverständlich. Sie fühlten sich verpflichtet mitzuarbeiten und nahmen es auch widerspruchslos hin, wenn man sie im Sommer auswärts in Dienst schickte.

Trotz nie endender Arbeit und ständig präsenter Armut behielten einige Frauen ihre Jugend trotzdem in guter Erinnerung. Maria Girardi: „Wir waren eine glückliche Familie, arm, aber glücklich. Die Eltern waren sehr gut, sie haben sich sehr gesorgt um uns Kinder. Wir wurden nie geschlagen.“

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