Читать книгу FAITH - Ursula Tintelnot - Страница 7
Ben rettet Lisa vor einem Treppensturz
ОглавлениеAuf der Treppe hinunter in den tief verschneiten Schulhof rempelte Patricia mit ihrem „Hofstaat“ Lisa so rücksichtslos an, dass diese drohte, über die hohen Stufen nach unten zu stürzen.
Ben landete mit einem olympiareifen Sprung vor Lisa, packte sie im letzten Moment und hielt sie sicher in seinen Armen.
Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem freundlichen Grinsen.
„Alles klar, Lisa?“
Er setzte sie sanft ab und wandte sich wieder Patricia zu, die ihn böse ansah.
„Was sollte das denn“, zischte sie wütend.
„Hast du nicht gemerkt, dass Lisa fast gefallen wäre?“
„Na und, was hast du damit zu tun?“ Patricia warf ihre langen Haare zurück und ließ Ben stehen.
Ben seufzte, dann lief er gutmütig hinter ihr her.
„Das hat sie absichtlich gemacht, diese Ratte!“ Lisa war stocksauer.
Allerdings legte sich ihre Wut, als sie an die starken Arme dachte, die sie gehalten hatten.
Faith sah sie prüfend an: „Geht’s dir gut?“
Lisa errötete, schaute hinter Ben her und schwieg.
„Vorsicht“, flüsterte Faith der Freundin zu, und konzentrierte sich auf Patricia, die in diesem Augenblick die letzte Stufe erreichte.
Lisa traute ihren Augen nicht.
Eine große, graue Ratte raste auf Patricia zu, stoppte kurz und verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war.
Patricia schrie mit ihren Freundinnen um die Wette, während Faith ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken konnte.
Lisa sah sie fragend an.
„Hast du das gesehen?“
„Ja, eklig, nicht?“
Misstrauisch sah sich Lisa um, aber von dem Tier war nichts mehr zu sehen.
Faith war froh, dass die Schule schon mittags beendet war.
Als sie nach Hause kam, hatte ihr Vater bereits den Tisch gedeckt. Im Ofen brutzelte ein goldbrauner Auflauf. Als sie die Küche betrat, merkte Faith, wie hungrig sie war.
Von ihrem Vater war nichts zu sehen.
Als sie, auf der Suche nach ihm, die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete, schlug ihr eisige Kälte entgegen.
Die Terrassentür stand sperrangelweit offen, über den Schirm des Laptops auf dem Arbeitstisch flatterten kleine blaue Falter.
Faith war daran gewöhnt, dass ihr Vater gelegentlich verschwand, ohne Bescheid zu sagen oder eine Nachricht zu hinterlassen. Er war oft zerstreut und vergaß so etwas manchmal.
Sie suchte mit den Augen das Gelände ab. Ihr Blick blieb an einem riesigen uralten Baum hängen, den vier Männer kaum mit den Armen umspannen konnten. Oft dachte sie, ihr Vater habe das Haus nur wegen dieses Baumveteranen gekauft. Er stand so häufig davor, dass sie ihn manchmal damit aufzog.
Die Blüten der Zaubernuss daneben glühten wie winzige gelbe Lämpchen im Schnee.
Um den Baum herum flogen azurblaue Schmetterlinge, so viele, dass es aussah, als ob eine blaue Wolke vor dem Baum schwebte. Faith hatte das schon öfter gesehen, fast immer dann, wenn ihr Vater verschwunden war.
Es war ein eiskalter Wintertag, woher kamen diese zarten Falter?
In dieser Sekunde erschien Robert.
Einen Moment lang stand er in der blauen Wolke, die sich plötzlich auflöste und nicht mehr zu sehen war.
„Hast du das auch gesehen?“
Faith winkte ihrem Vater zu.
„Was gesehen“, rief er und winkte zurück.
Schnell kam er über den knirschenden Schnee auf sie zu.
Faith sah ihn prüfend an. Sie war sicher, dass er log, er musste die blaue Wolke gesehen haben. Aber warum log er?
Nach dem Essen, das ziemlich wortkarg verlief, weil Vater und Tochter ihren eigenen Gedanken nachhingen, schnallte Faith sich die Skier an und lief zurück ins Dorf.