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Die Prophezeiung

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Robert stand, ein Glas Cognac in der Hand, vor der großen Terrassentür. Faith lag mit hochgezogenen Beinen auf der Couch und zog sich die weiche, kuschelige alte Wolldecke bis unters Kinn. Sie fror. Die Decke, aus farbigen Quadraten zusammengesetzt, hatte Faith immer begleitet. Sie war federleicht und wärmte wunderbar.

Robert hatte Faith den Rücken zugekehrt.

„Was ich dir jetzt sage, wird deine Welt für immer verändern“. Er zögerte. „Es gibt eine Welt, die wir Sterblichen nur sehr selten wahrnehmen.

Hast du dich je gefragt, ob das, was du täglich erlebst, wirklich ist oder unwirklich?

Ob vielleicht deine Träume die Wirklichkeit sind und das, was du bisher für real gehalten hast, irreal?“

Faith sah ihren Vater verständnislos an. Ihre Stimme klang kläglich. „Was meinst du?“

Was war nur mit ihrem Vater los, was wollte er ihr mitteilen? „Du bist die Tochter einer Fee.“

Faith fuhr hoch. „Fee?“

„Deine Mutter stammt aus der Anderswelt, Faith. Das ist die Welt, die wir Sterblichen normalerweise als unwirklich bezeichnen. Und“, fügte er hinzu, „die wir Sterblichen fast nie wahrnehmen können. Ja, an die wir nicht einmal glauben.“

Faith starrte ihren Vater an. „Geht es dir nicht gut?“

„Hör mir einfach zu.“ Robert fuhr fort.

„Wir Menschen leben an der Oberfläche unseres Bewusstseins.“ Roberts Stimme wurde brüchig.

„Das ist ein Schutz, verhindert aber auch eine andere Wahrnehmung. Wenn diese Oberfläche dünn wird, kannst du eine andere Welt sehen, sogar hinübergehen, wenn du dich traust.“

Und Robert berichtete Faith endlich alles, was sich vor ihrer Geburt an der irischen Küste zugetragen hatte. Schilderte ihr das zauberhaft schöne Lichte Reich Magalies und die Gefahr, in der sich diese Welt befand.

Er erzählte ihr von seiner tiefen Liebe zu ihrer Mutter.

„Um dich zu schützen, musste deine Mutter in die Anderswelt zurückkehren und dort bleiben. Denn dort, und nur dort, ist sie nahezu unsterblich und kann dafür sorgen, dass Leathan die Anderswelt nicht für immer in Dunkelheit und Chaos reißt. Alles auf unserer Erde ist voneinander abhängig, der dunkle Elf würde auch unsere Welt mit in den Abgrund reißen. Seine Schattenwelt ist ein Teil des Lichten Reiches, der Anderswelt. Aber er will die Macht über alles. Es gibt eine Prophezeiung, die besagt, dass nur die Tochter einer Fürstin, sollte sie sie mit einem Sterblichen haben, Leathan diese Macht entreißen kann. Und du, mein Kind, bist die Tochter einer Fürstin. Die Lebensspanne aller Bewohner der Anderswelt ist nahezu endlos, auch du würdest dort Jahrhunderte leben. Aber die Gefahr für dich war Magalie und mir zu groß. Leathan ist gefährlich und durch und durch böse. Seine magischen Kräfte aber sind in unserer Welt nicht annähernd so stark wie in seinem Schattenreich. Deshalb habe ich dich mit mir genommen, bin mit dir gereist, immer auf der Flucht vor ihm.“

Robert wandte den Kopf und blickte hinaus in den Schnee. „Leathan ist ein dunkler Elf, der von der Zerstörung lebt.“

„Und jetzt hat dieser Leathan uns gefunden?“

„Ich fürchte, er wusste immer wo wir waren, nur …“

„Was nur?“, drängte Faith.

„Die Prophezeiung sagt noch etwas.“

„Und was ist das?“

Robert zögerte.

„Sag es mir, ich kann alles ertragen, nur nicht mehr diese Ungewissheit“, forderte Faith ihren Vater auf.

„Die Voraussage beinhaltet eine Bedingung.“ „Und die wäre?“ „Diese Prophezeiung kann sich erst mit deinem siebzehnten Geburtstag erfüllen.“ „Das heißt?“

„Das heißt“, erklärte Robert, „von deinem siebzehnten Geburtstag an bist du in größerer Gefahr als jemals zuvor.“

Faith ließ sich zurück auf das Sofa fallen und schloss die Augen.

„Ich kann nicht glauben, was Robert mir erzählt hat“, dachte sie. Aber die Vorgänge der letzten Tage waren so merkwürdig und beängstigend gewesen, dass sie allen Grund hatte, über diese Dinge nachzudenken.

Ihr Vater hatte ihr niemals Anlass gegeben, an dem, was er sagte, zu zweifeln. Warum sollte er das jetzt tun?

Endlich drehte ihr Vater sich zu ihr um und sah sie forschend an.

„Glaub mir, Faith, ich sage dir die Wahrheit, und ich ahne, wie schwer es dir fällt, mir zu glauben.“

Es war wie eine Antwort auf ihre Gedanken.

„Was können wir tun?“

Faiths Stimme klang klein und mutlos, wie die eines verängstigten Kindes.

Robert setzte sich zu ihr und nahm sie zärtlich in die Arme.

„Mir wird etwas einfallen, ganz bestimmt.“

Faith bemerkte die leichte Unsicherheit in seiner Stimme, aber sie tat, als ob sie ihm glaubte.

Es würde ihm nicht helfen, wenn er wüsste, wie groß ihre Angst wirklich war.

Dieser Nachmittag, von der wütenden Gewalt da draußen im Auto eingeschlossen, hatte ihr mehr zugesetzt, als sie zugeben wollte.

Faith war nie ein besonders ängstliches Mädchen gewesen. Ihr Vater hatte sie durch seine Liebe und sein Vertrauen zu einem mutigen Menschen gemacht.

Durch die vielen Reisen mit ihm hatte sie eine für ihr Alter ungewöhnliche Sicherheit erworben.

Sie war so selbstständig, dass Robert sich manchmal wünschte, sie wäre noch sein kleines Mädchen.

Oft hatte er das Gefühl, dass sie ihn gar nicht mehr brauchte und kam sich ein wenig überflüssig vor.

Andererseits wusste er, dass gerade Faiths natürliche Selbstsicherheit sie so anziehend für ihre Umgebung machte.

Sie war unkompliziert, fröhlich und frei von Vorurteilen. Jedem Menschen, dem sie begegnete, brachte sie Respekt entgegen. So etwas wie Misstrauen lag ihr völlig fern.

„Aber gerade diese Eigenschaften“, dachte Robert, „könnten seine Tochter auch gefährden.“

Andererseits kannte er ihre gute Menschenkenntnis und hoffte, dass diese ihr helfen würde, der Gefahr auszuweichen oder zu trotzen, der sie sich vielleicht irgendwann einmal würde stellen müssen.

Faith versuchte, nicht mehr an die beängstigenden Ereignisse des Tages zu denken.

Sie war früh zu Bett gegangen, in der Hoffnung, dass der Schlaf ihr die notwendige Ruhe bringen würde.

Aber dem war nicht so.

Sie hörte ihren Vater unruhig im Kaminzimmer hin- und hergehen. Die Zuversicht, die er versucht hatte ihr zu vermitteln, war wohl doch nicht so groß.

FAITH

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