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Jugendzeit, schöne Zeit

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Die Umstellung auf die Oberschule in Doberlug-Kirchhain fiel mir recht schwer. Eine neue Umgebung, fremde Mitschüler, neue Lehrer – mit meinem Selbstvertrauen war es damals nicht weit her. Viele aus meiner neuen Klasse kamen aus gutem Hause, dem Mittelstand der Stadt. Ihre Eltern waren meist Selbstständige, also für damalige Verhältnisse durchaus vermögend. Dazwischen war ich ein Nichts. Ich konnte zum Beispiel nicht jeden Tag andere Sachen zur Schule anziehen, dieser Unterschied fiel mir als Erstes auf. Meine einzige Chance war es, mit schulischen Leistungen auf mich aufmerksam zu machen. So wurde aus mir ein strebsamer Schüler, der oft als positives Beispiel herhalten musste.


Knut Anfang der 60-Jahre

In der achten Klasse wurde ich wie die meisten meiner Schulkameraden Mitglied der FDJ1, ein für mich selbstverständlicher und logischer Schritt. Damit ging meine Kindheit zu Ende. Alles in allem trotz aller Einfachheit eine wunderschöne Kindheit auf dem Lande, an die ich mit Dankbarkeit zurückdenke.

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Solange ich denken kann, hatte ich auf die Frage: „Was willst du mal werden?“, stets geantwortet: „Matrose und Kapitän.“ Ich weiß nicht, warum, dieser Wunsch kam einfach aus meinem Inneren heraus. Vielleicht habe ich das von meinem Vater geerbt, der während des II. Weltkrieges bei der Kriegsmarine diente. Oder die Urlaube mit Tante und Onkel in Bansin auf der Insel Usedom verlockten mich dazu. Dort lernte ich nämlich zum ersten Mal das Meer kennen, sah die Schiffe vorbeiziehen, die Richtung Stettin unterwegs waren. Das Bild beeindruckte mich zutiefst und war ein unvergessliches Erlebnis.

Doch niemand aus meiner Familie oder Bekanntschaft wusste einen Weg, wie und wo ich mich bewerben sollte. Also erkundigte ich mich zunächst, welche Möglichkeiten es überhaupt gab, zur See zu fahren. Meine Tante unterstützte intensiv meine Bemühungen. Sie war es auch, die den ersten Kontakt herstellte. So erfuhr ich, dass es in der DDR drei Möglichkeiten gab, zur See zu fahren: zur Volksmarine und später an die Offiziershochschule „Karl Liebknecht“ in Stralsund, zur Fischereiflotte oder bei der Deutschen Seereederei Rostock als Vollmatrose mit späterem Studium an der Seefahrtschule Wustrow. Binnenschiffer wollte ich nicht werden. Ich wollte unbedingt in die große weite Welt hinaus, so musste ich mich bei der Seereederei bewerben. Schon 1964 habe ich das auch getan. Natürlich war es da noch viel zu früh. Ich erhielt zur Antwort, dass ich mich erst mit dem Abschlusszeugnis der 9. Klasse bewerben konnte. Das war zumindest ein Teilerfolg, denn ich wurde vorgemerkt. Außerdem wurde ich darauf hingewiesen, meine schulischen Leistungen kontinuierlich zu steigern und an der gesellschaftlichen Arbeit aktiv teilzunehmen.

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Als ich 14 Jahren alt war, wurde ich mit der Jugendweihe2 feierlich in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Da ich in der Kirche von Schlieben getauft worden war, bestand meine Mutter darauf, dass ich zusätzlich konfirmiert wurde. So musste ich alle Konfirmandenstunden besuchen, wozu ich jedoch keine große Lust verspürte. Doch Mutter riet mir eindringlich:

„Junge, du weißt nie, welche Frau du später findest.“ Zu dieser Zeit war eine kirchliche Trauung noch weit verbreitet. Im Jahre 1965 wurde ich also konfirmiert und bin heute dankbar dafür, denn inzwischen habe ich eine ganz andere Einstellung zu Glauben und Kirche. Heute denke ich, dass der Glaube vielen Menschen Halt und Kraft gibt. Und betrachtet man den Lauf der Geschichte der Menschheit, haben über die Jahrtausende nur die Religionen überlebt, während Dynastien und Reiche kamen und gingen. Der Glaube an Christus zum Beispiel oder an den Propheten Mohamed hat überlebt.

Ich hatte ein festes Ziel für die noch verbleibende Schulzeit vor Augen, ich musste die 10. Klasse gut abschließen, um meinem Berufswunsch näher zu kommen. Die aktive gesellschaftliche Arbeit kam von ganz allein, denn aufgrund meiner schulischen Leistungen wurde ich zum FDJ-Sekretär meiner Klasse gewählt. Diesen Posten behielt ich bis zu meinem Schulabschluss.

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In dieser Zeit verliebte ich mich das erste Mal unsterblich. Ausgerechnet in ein Mädchen aus meiner Klasse. Für mich war Karla damals das schönste Mädchen der Welt, mit den herrlichsten blauen Augen und ihrem tiefschwarzen Haar. Sie hatte indirekt und unwissentlich einen sehr großen Einfluss auf meine Entwicklung. Sie weiß davon bis heute nichts – woher auch?

Sie kam aus einer anderen gesellschaftlichen Schicht in unserer doch eigentlich klassenlosen Gesellschaft. Ihre Eltern gehörten der begüterten Mittelschicht an und hatten ein eigenes Geschäft. Dies belastete und hemmte mich sehr, denn wir waren dagegen arm wie die Kirchenmäuse. Aber ich liebte sie heiß und heftig. Als unter dem Sternzeichen Fisch Geborener war ich ein Träumer und kein Draufgänger. Karla war eine sehr gute Schülerin und stand leistungsmäßig immer vor mir. Dies spornte mich unheimlich an, mich in der Schule zu verbessern. So wurde sie unbewusst zu meinem Motor und Antreiber.

Inzwischen hatte ich mich bei der DSR erneut beworben und war angenommen worden. Was für ein riesiges Glück für mich, ich war unheimlich stolz und erleichtert, diese Hürde genommen zu haben. Zumal dies alles ohne Beziehungen geschehen war. Meine Mutter war weder in der Partei noch hatte sie Gönner im Hintergrund. Meine Klassenlehrerin versuchte noch, meine Mutter zu überzeugen, dass ich unbedingt auf die EOS3 wechseln müsse, um das Abitur zu machen. Aber Mutter lehnte ab, sie konnte und wollte nicht noch weitere zwei Jahre diese Belastungen tragen und mich als Schüler zu Hause haben, wo viele andere doch schon ihr Lehrlingsgeld verdienten.

Mir war es recht, ich hatte meinen Vertrag als Vollmatrosenlehrling in der Tasche. Zudem wusste ich, dass für die Seefahrtschule Wustrow der Abschluss der 10. Klasse ausreichte. Das war ein großer Tag für mich, ich konnte endlich Seemann werden.

1 FDJ (Freie Deutsche Jugend): Kommunistischer Jugendverband der DDR.

2 Jugendweihe: festliche Initiation ähnlich der kirchlichen Konfirmation.

3 EOS (Erweiterte polytechnische Oberschule): führte in der DDR zum Abitur ähnlich Gymnasium.

Familie, Seefahrt und ich

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