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Verliebt und verlobt

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Meine Frau Adeltraut lernte ich auf dem Schiff kennen. Sie musterte 1969 als Stewardess in Rostock auf dem Motortanker „ZEITZ“ an. Gerade in der Zeit, als mein bester und treuester Freund Kanne einen Einsatz auf dem Motortanker „SCHWEDT“ fahren musste. Als er wieder zu uns an Bord kam, bemerkte er trocken: „Dich kann man aber auch nicht einmal allein lassen“, und grinste.


Auf dem MT „ZEITZ“ lernten wir uns kennen

Eine Frau an Bord kann das Leben freundlicher gestalten und es bereichern. In dieser Zeit kamen mehr und mehr Frauen an Bord. Ob als Köchin, Kochsmaat, Stewardess, Oberstewardess – egal, sie waren Teil der Besatzung und hochwillkommen. Oft bildeten sich Pärchen, die in der Regel auch zusammenblieben. Sie fuhren dann als Paar einige Jahre zusammen und sparten sich einen guten Grundstock an für das spätere Landleben. Kost und Logis gab es gratis, so sanken die Ausgaben, obwohl ja die meisten noch bei den Eltern wohnten.

Meist beendete die Frau die Seefahrt, wenn sich das erste Kind anmeldete. Dies war der Idealfall. Aber es passierte schon mal, dass sich ein Mädel noch einmal anders entschied und den Partner wechselte. Dies brachte dann erhebliche Unruhe in die Besatzung, bis sich die Sache geklärt hatte. Ärger gab es manchmal, wenn eine Stewardess mit einem Jungen aus der Decksgang liiert war und die andere mit einem aus dem Maschinenbereich. Unglaublich, auch hier gab es den Dünkel.

Hatte sich ein Pärchen gefunden, wurde das von allen respektiert. So war es auch bei uns, erst fanden wir uns sympathisch und dann verliebten wir uns ineinander. Wie wir jetzt feststellten, hatte jeder von uns eine vorherige Beziehung gerade beendet. – So passte alles, wie wir glücklich feststellten.

* * *

Zu unserer Anfangszeit an Bord lebten wir zusammen und nutzen wechselseitig die Kabinen auf dem Schiff. Das spornte wohl die Decksbesatzung an, uns einen Streich zu spielen, als Adeltraut einmal in meiner Kabine übernachtete. Sie war an Steuerbordseite die erste, davor ein kleiner Elektrostore. Meine Kammer hatte zwei Bullaugen. Das erste befand sich ziemlich nah an der Decksreling des Hauptdecks, und wenn ich mich weit aus dem Bullauge lehnte, konnte ich die Reling gerade so mit den Händen erreichen.

Die Jungs wollten uns überführen und hatten meine Kammertür mit Tampen blockiert, sodass wir sie von innen nicht öffnen konnten. Sie hätten uns vermutlich erst am nächsten Morgen gnädig und mit einem hämischen Grinsen befreit. Guter Plan, doch er ging daneben, denn ich roch den Braten, als ich die Tür abends entgegen meiner Gewohnheiten noch einmal öffnen wollte.

Da ich ihnen den Triumpf nicht gönnen wollte – und das Schiff auf spiegelglatter See ruhig lag –, schraubte ich das Bullauge auf und schob mich Stück für Stück hinaus, bis meine Hände die Reling umfassten. Da hing ich nun, Oberkörper draußen, Beine im Bullauge. Es nützte nichts, jetzt musste ich ganz raus – und hing während voller Fahrt außenbords an der Reling. Ich nahm alle Kraft zusammen und schwang mich mit einem Klimmzug an Deck. Gott sei Dank war ich damals drahtig und sportlich.

Adeltraut verfolgte die Aktion voller Sorge, ihr war bewusst, dass sie die Kammer nicht einmal hätte verlassen können, um Hilfe zu holen, wenn ich über Bord gegangen wäre. Gar nicht davon zu reden, was mein Kapitän gesagt hätte zu meinem Leichtsinn. – Aber ich schaffte es und ging dann gemütlich zu meiner Kammer, beseitigte die Tampen und befreite meine Liebste.

Am Morgen war helle Aufregung bei der Gang. Sie beschuldigten sich gegenseitig, das „Arschloch“ gewesen zu sein, dass die Tampen weggenommen hat. Adeltraut und ich indes schwiegen und lachten uns ins Fäustchen, und wie jeder weiß: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. – Jedenfalls habe ich jetzt und hier, Jahrzehnte später, dieses Geheimnis gelüftet.

* * *

Mit Adeltraut, meiner zukünftigen Frau, fuhr ich zwei Reisen, dann musste sie absteigen, denn sie war schwanger geworden. Dies war eigentlich nicht geplant, aber wir hatten uns um die Verhütung auch nicht sehr gekümmert. Was nun? Da ich lange Zeit ohne Vater aufgewachsen bin, war mir eines sofort klar: Ich wollte meinen Kindern dieses Schicksal ersparen. Adeltrauts Eltern, vor allem ihr Vater, erwarteten, dass wir nun heiraten würden. Ich hatte die beiden inzwischen kennengelernt und bemerkt, welch schweren Stand Adeltraut bei ihnen hatte. Sie war ja vor allem deshalb zur See gefahren, weil sie sich mit ihrem Vater überhaupt nicht verstand und unbedingt von zu Hause weggewollt hatte.

Während der Hafenliegezeit besuchte ich Adeltraut mal zu Hause und wir fuhren nach Rostock und machten einen Stadtbummel. Wir schlenderten durch die Kröpeliner Straße und blieben hier und da an einem Schaufenster der Schmuckläden stehen. In einer Auslage entdeckten wir ein Paar Ringe, welche unsere Aufmerksamkeit erregten. Da ich beim Kaufen oft Spontanentscheidungen treffe, war der weitere Ablauf einfach: rein ins Geschäft, Ringe probieren; Ringe passten, gefielen, waren bezahlbar und – wurden gekauft. Ruck-zuck standen wir wieder auf der Kröpeliner, ein kleines Kästchen mit den Ringen in der Hand. Und nun?

Wir liefen in Richtung Marktplatz, auf dem sich damals das Gebäude des Hauptpostamtes von Rostock befand. Das war in einem riesigen gefliesten Raum untergebracht, mit Nischen, deren Fenster hinaus auf den Marktplatz gingen. Wir verbargen uns in einer dieser Nischen, steckten uns gegenseitig die Ringe an und besiegelten unsere Verlobung mit einem Kuss. Dann besuchten wir den „Ratskeller“ gleich gegenüber, um unser Heiratsversprechen mit einem exquisiten Mittagsessen zu krönen. Wir fühlten uns sehr glücklich, dass wir bald eine kleine Familie sein würden, und sahen hoffnungsvoll einer gemeinsamen Zukunft entgegen.

Die Eltern meiner Freundin waren völlig überrascht, als wir „frisch verlobt“ aus der Stadt wiederkamen, aber sie freuten sich sehr. So verbesserte sich auch die Situation von Adeltraut in ihrer Familie. Sie wohnten in einem älteren Einfamilienhaus zur Miete in Gelbensande, einer kleinen Gemeinde etwas weiter östlich der Stadt Rostock.

* * *

Zurückblickend und alles in allem freue ich mich über die fast 50 Jahre, die wir miteinander verheiratet waren. Wir haben trotz aller Höhen und Tiefen eine schöne Ehe geführt, uns gegenseitig geachtet und geschätzt.

Im Dezember 2020 hätten wir Goldene Hochzeit gefeiert, wenn Adeltraut nicht im Sommer davor verstorben wäre. Das war ein schwerer Schlag für mich, den ich noch immer nicht verwunden habe. Vor allem den Verlust zu verarbeiten, das ist das Schwierigste – meine Trauer dauert immer noch an.

Familie, Seefahrt und ich

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