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Steffens, Henrik
VIII

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Breslau, d. 3. Sept. 1819.

Lieber Tieck

Indem ein tüchtiger und braver junger Mann, Doctor Müller, der als Professor der griechisch-römischen Archäologie nach Göttingen geht, vorher sich aber einige Wochen in Dresden aufhalten will, verreist, dachte ich Dir recht Vieles zu schreiben. Was soll ich aber machen? Die Zeit läuft so schnell, daß sie den Athem verliert, sie stolpert über ihre eigne unnüze Thaten, die sie immer wegwerfen muß, wenn sie kaum fertig sind, daher kann sie kaum zu Worte, viel weniger zu Gedanken kommen. – Und ich werde nur mit gehezt, weil ich mir mit der albernen Dirne gemein gemacht habe. Mir macht es freilich Spaß, wenn das Volk schreiet wie besessen, besonders ergözt mir ihr Anathema. – Aber etwas schreiben und darstellen für einen Freund in einen Brief, das ist unmöglich. – Du bist jezt in Dresden und gebe Gott, Du bliebst noch ein Jahr da, dann hoffe ich gewiß hinzukommen. – Der Ueberbringer aber ist ein junger Mensch, der mich recht beschämt hat, denn vor 5 Jahren war er noch ein hoffnungsvoller Primaner. In der Zeit wohne ich in derselben Stube, sitze auf dieselben Stühle, ja schnaube die Nase in dieselben Schnupftücher und weiß recht gut, wie ich alle Jahre dümmer geworden bin und mehr und mehr verlernt habe, und in der Zeit ist der junge Mann – immer unter meinen Augen – nur ein Jahr in Berlin, immer gelehrter, immer kenntnißreicher geworden, und die Kenntnisse und die Gelehrsamkeit sind am Ende bis ins Unermeßliche angeschwollen, daß ein Professor in Göttingen hat aus ihm werden können, was mir ganz ungeheuer vorkömmt. So ein Göttinger Professor kömmt mir wie ein alter Rector vor, ich fühle mich gegen ihn wie ein Junge, der seine Lection nicht weiß. – Du wirst Deine Freude haben an dem jungen Mann, der so Vieles in so kurzer Zeit gethan und gelernt hat.

Ich bitte Dich, Gräfin Henriette, Deine Frau und Kinder zu grüßen, ich lebe in der That in der Hoffnung, Dich und den guten Waagen in Dresden zu sehen.

Dein Freund

Steffens.

Und die Berliner haben noch nichts für Dich gethan? Es sieht dem Volke ähnlich.

Briefe an Ludwig Tieck 4

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