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Steffens, Henrik
XVIII

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Berlin, d. 16. Octbr. 33.

Es ist grob, lieber T.! daß ich einen ganzen Monath in Deinem Hause zugebracht, dort so vieles Gute genossen, eine mir auf immer unvergeßliche Zeit, die ich tagtäglich rühmend und preisend gegen alle Welt hervorhebe und in der ich noch lebe und schwelge – und noch keinen Brief schrieb, was ich Allen sage, dem nicht mittheile, der es zuerst erfahren sollte.

Und doch scheint es mir fast natürlich – Denn in diesen vierzehn Tagen war ich noch immer in Dresden, vermochte es nicht mich hier heimisch zu fühlen – und betrachtete mich fortdauernd als Deinen Gast.

Jetzt zerren Senats- und Facultätssitzung, Rectorats-Wechsel und Mahnbriefe von Max so mächtig an mich, daß wohl inne werden muß, wie ich wirklich in Berlin lebe. Am ärgsten ist das Harren auf Zuhörer, die sich freilich noch nicht melden können, das unangenehme Gefühl – es quälte mich immer – seine innerste Lage alle Halbejahr von Neuem in Frage gestellt zu sehen.

So bin ich nun wirklich zu Hause gekommen, habe in der That aufgehört Dein Gast zu seyn und eile Dir zu sagen, wie lieb und theuer die Zeit mir war, die ich nach so langer Zeit in Deiner Nähe zubrachte. – Es ist Dir, lieber Fr.! gelungen, in einer Stadt, die am wenigsten dazu geeignet schien, einen Kreis zu bilden, der lebendiger, umfassender, wie er seyn soll, beweglicher, als irgend ein anderer ist. Hier ist nichts dergleichen. Das stille Gespräch in Deiner einsamen Stube, ist ein wirksames Privatissimum und gewiß lehrreicher, als die Kette der Vorträge. Es ist nicht die Religion allein, die jene gefährliche, ausschließende Richtung erzeugt, die wir gemeinschaftlich bekämpfen. – Hier in Berlin sehe ich es nur zu deutlich, wie eine jede Wissenschaft einen fanatischen Kern trägt, einen Wurm, der sie selbst verzehrt, indem sie die wahre Wissenschaft, die alle versteht und ehrt und fördert, ausschließt. Eine wirklich geistreiche Geselligkeit – man scheut sich selbst diese Benennung der höchsten irdischen Güter zu brauchen – so abgenuzt ist auch sie – würde mehr als Alles die engherzige, geistlose, vereinzelnde Einseitigkeit, die neben der leeren Universalität einherschreitet, verdrängen. – Ich habe Dieses recht lebhaft in Deinem Hause gefühlt, wo ich doch einmahl, wie in heiterer Luft, recht frisch aufathmen konnte.

Wird Deine Novelle bald fertig – des Dichters Sterben meine ich – Ich sehne mich unbeschreiblich nach diesem Genuß – Sie verspricht so viel, sie ist so durchaus im tiefsten Sinne wahr.

Ich bitte Dich mir Alle Deine Hausgenossen recht herzlich zu grüßen – die Comtesse Henriette, die mich so freundlich aufnahm und deren Gesellschaft und stille, verständige Theilnahme, wir recht schmerzlich in den letzten Tagen vermißen, – Deine Frau – Dorothea – Agnes (Heinrich biethet ihr den brüderlichen Kuß). —

Ich kann Dir nicht sagen, wie die Erinnerung an mein Leben in Dresden, mein Zusammenseyn mit Dir, die kleinen vom Wetter begünstigten Touren, mich in der Erinnerung erfrischen.

Baudissin ist mir vorzüglich lieb geworden. Ich bitte ihn recht herzlich zu grüßen – dann den braven, lieben Dahl. —

Dein

Briefe an Ludwig Tieck 4

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