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Beurteilen und Bewerten

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Gemäss Kotthoff (2012a: 294) sind Bewertungsaktivitäten in Beurteilungsgesprächen allgegenwärtig und werden gemeinsam ausgeführt, sodass die „Ko-Konstruktion von Bewertung“ gewissermassen „als Leitmotiv“ für diese Gespräche verstanden werden kann. Allerdings zeigen ihre Daten von Sonderschulen auch, dass sich Eltern mit Migrationshintergrund weniger an den Bewertungen und Einschätzungen beteiligen können und diese fast ausschliesslich von den Lehrpersonen ausgeführt werden (vgl. Kotthoff 2012a: 315, 317f.).

Pillet-Shore (2003) untersucht am Beispiel von der Äusserung okay die unterschiedlichen Bewertungsimplikationen, die je nach sequenzieller Einbettung von okay positiver oder negativer verstanden werden können. Einerseits funktioniert okay als bessere Variante von zwei möglichen Beurteilungen (binary metric), nämlich okay versus not okay, wobei letztere Beurteilung weitere Interventionen und Unterstützungsmassnahmen ins Spiel bringen würde. Diese Funktion taucht meist im Kontext von abschliessenden Beurteilungen auf (vgl. Pillet-Shore 2003: 287ff.). Andererseits kann okay auch als eine von vielen Beurteilungen funktionieren (gradated metric) und wird im Kontext weiterer Beurteilungsaktivitäten jeweils als upgrading oder auch als downgrading verstanden. Dadurch erhält okay zusätzlich die Funktion einer negativen Beurteilung (vgl. Pillet-Shore 2003: 300ff.). Diese Studie zeigt, dass der lokale Kontext einer Äusserung und die Orientierung der Teilnehmenden auf das Gesagte eine Beurteilung in ihrer Bedeutung mitgestalten können.

In späteren Studien untersucht Pillet-Shore (2012; 2015) den Umgang mit Lob und Kritik in Gesprächen zwischen Lehrpersonen und Eltern. Aufgrund der zurückhaltenden Reaktionen von Eltern auf Äusserungen, in denen Lehrpersonen die abwesenden SchülerInnen loben, rekonstruiert Pillet-Shore (2012), dass die Eltern in ihrer Rolle als Verantwortliche über ihr Kind das Lob als Kompliment für sich selbst auffassen und dementsprechend höflich und zurückhaltend bearbeiten. Weiter zeigen ihre Daten, dass die Eltern zwar teilweise lobend über ihr Kind berichten, jedoch ähnliche Dispräferenzmarker verwenden, wie wenn es sich um Selbstlob handelte (vgl. Kap. 2.1.2 zur (Dis-)Präferiertheit). So kommt Pillet-Shore zum Schluss, dass sich Eltern in der problematischen Situation wiederfinden, auf Komplimente eingehen zu müssen:

Although the action of praising students would seem to, a priori, afford a mutually enjoyable moment of celebration transparently supportive of social solidarity, this research has revealed that conference participants treat this action as interactionally problematic precisely because utterances that praise students implicate praise of parents. (Pillet-Shore 2012: 200, Hervorhebung im Original)

Während also die Mitteilung von positiven Bewertungen und Lob aus Sicht der Lehrpersonen in der Regel als unproblematisch bearbeitet wird (vgl. Pillet-Shore 2012: 183), scheint aus Sicht der Eltern die Rezeption wie auch Produktion von Lob problematisch zu sein, da das zu stark selbstlobende Auftreten vermieden werden möchte.

In ihrer jüngsten Studie konzentriert sich Pillet-Shore (2015) schliesslich primär auf die elternseitige Bearbeitung von Kritik und die damit einhergehenden Positionierungsaktivitäten. Ähnlich wie auch Kotthoff (2014) zeigt sie, wie Eltern sich als gute und kompetente Personen vorführen, indem sie einerseits kritische Beurteilungen über das Kind äussern und sich dadurch als wissend positionieren. Und andererseits präsentieren sich Eltern als involviert in Lernaktivitäten, die eine Verbesserung der Schwächen zum Ziel haben.

Beurteilungsgespräche in der Schule

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