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1 Einleitung

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„[W]ithin educational folklore, teacher-parent meetings […] are taken to be essentially a public relations exercise where nothing much is accomplished.“

(Baker & Keogh 1995: 264)

In schulischen Beurteilungsgesprächen treffen sich Lehrpersonen, Eltern sowie häufig auch die SchülerInnen zu einem Dialog über die erzielten oder erwünschten Leistungen und Verhaltensweisen der Lernenden in der Schule. Dabei werden jedoch nicht nur Beurteilungen verhandelt, sondern es findet ebenfalls ein Austausch über soziale Rollen und Identitäten statt. Auf diese ‚inoffiziellen’ Aufgaben der schulischen Beurteilungsgespräche ist in der vorliegenden Arbeit ein besonderes Augenmerk gerichtet.

Der Gesprächstyp des schulischen Beurteilungsgesprächs wurde basierend auf Vorstellungen einer Erziehungspartnerschaft1 zwischen den Institutionen Schule und Familie etabliert und institutionalisiert (vgl. z.B. Epstein 1995; Epstein & Sanders 2002; Keck & Kirk 2001; Sacher 2014; Textor 2009) und ist demnach als inter-institutionelle Kommunikation zu verstehen (vgl. z.B. Baker & Keogh 1995; Kotthoff 2012a). Textor (2009: 22) bezeichnet dabei das Beurteilungsgespräch bzw. Elterngespräch, wie es in der Praxis auch genannt wird, als „Kernstück der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ und nennt die folgenden Gesprächsziele und -inhalte:

Hier sollte nicht nur über Kompetenzen und Leistungen geredet werden – vielmehr soll das ‚ganze’ Kind im Mittelpunkt stehen, mit seinen Stärken und Schwächen, Interessen und Hobbys, Verhaltensweisen und Angewohnheiten, Freundschaften und Feindschaften, Freuden und Problemen. Weitere Themen können die Auswirkungen der der [sic!] Schule auf das Familienleben und die Familiensituation sein (z.B. bevorstehende Trennung/Scheidung, Erkrankung eines Elternteils, Arbeitslosigkeit).

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft bedeutet aber nicht nur den Austausch von Informationen über Verhalten, Entwicklung und Erziehung des Kindes im jeweiligen System, sondern geht einen entscheidenden Schritt weiter: Familie und Schule versuchen, ihre Erziehungs- bzw. Bildungsziele, -methoden und -bemühungen aufeinander abzustimmen, den Erziehungs- und Bildungsprozess gemeinsam zu gestalten, sich wechselseitig zu ergänzen und zu unterstützen. Durch Erziehungs- und Bildungspartnerschaft kann Kontinuität zwischen den Lebensbereichen gewährleistet werden. Das Kind wird nicht nur so gesehen, wie es sich in allen Systemen verhält, sondern es kommt auch ein ganzheitliches Erziehungs- und Bildungsprogramm zustande. Je älter das Kind ist, umso mehr kann es in diesen Austausch einbezogen werden. (Textor 2009: 22, Hervorhebung im Original)

Die Partnerschaft zwischen der Schule und der Familie soll damit nicht nur einen offenen Informationsfluss in Bezug auf die jeweiligen Lebensbereiche gewährleisten, sondern auch eine effektive Zusammenarbeit fördern und wechselseitige Unterstützungen ermöglichen. Denn gemäss Epstein (1987) sind die Familie, die Schule sowie die Gesellschaft overlapping spheres und Ziel des Austausches zwischen Lehrpersonen und Eltern ist es, gemeinsam zur Sozialisation der Kinder beizutragen, indem allgemeine Werte in Bezug auf die Schule, die Bildung, das Lernen aufeinander abgestimmt werden. Dass die Eltern bzw. das Elternhaus massgeblich am Lernerfolg des Kindes beteiligt sind, zeigen verschiedene Studien (vgl. z.B. Hattie 2009: 61ff.) und führen Helmke (2012: 80) zum Schluss: „Auch die beste schulische Förderung ist zum Scheitern verurteilt, wenn die Eltern gar kein Interesse an der Bildung und dem Schulerfolg ihrer Kinder haben“. Die Involvierung der Eltern in den Bildungsdiskurs muss daher als notwendige Aufgabe für die Schule und die Lehrpersonen aufgefasst werden.2

Die tatsächlichen Begegnungen und individuellen Kontakte zwischen Lehrpersonen und Eltern können aus unterschiedlichen Anlässen entstehen und dementsprechend finden sich in der Praxis verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Sacher (2014: 61ff.) unterscheidet dabei Elternsprechstunden, Elternsprechtage,3 spontane Gespräche, Telefongespräche und Hausbesuche. Gegenstand dieser Arbeit sind ausschliesslich die ersteren, welche als Elternsprechstundengespräche oder allgemeiner als Elterngespräche benannt werden. Diese lassen sich gemäss Sacher (2014: 61ff.) weiter unterteilen in Willkommens- und Begrüssungsgespräche, anlassungebundene Gespräche (Lern- und Entwicklungsgespräche), Beratungsgespräche sowie Kritik-, Beschwerde- und Konfliktgespräche. Diese Kategorien zeigen eine Vielfalt von Gesprächsanlässen, sollen jedoch nicht dazu verleiten, die vorliegenden Gesprächsdaten vorschnell zuzuordnen. Gerade die Kategorie Beratungsgespräch erscheint als Bezeichnung des Gesprächstyps nicht passend für das Korpus, da sich bei den Gesprächen nicht die für Beratungsgespräche als konstitutiv herausgearbeiteten Abläufe finden (vgl. dazu z.B. Nothdurft, Reitemeier & Schröder 1994). Dennoch lassen sich – neben anderen – auch beratende Sequenzen ausmachen. Ebenso ist die Kategorie Kritik-, Beschwerde- und Konfliktgespräche problematisch, wenn davon ausgegangen wird, dass der Anlass sowie das Gespräch konfliktgeladen sind (vgl. Sacher 2014: 65ff.). Auch wenn dem Gespräch ein Konflikt vorausgeht, muss das Gespräch dadurch nicht konfliktgeladen sein, sondern kann konstruktiv geführt werden und beispielsweise wiederum auch beratende Sequenzen aufweisen. Der Kontext bestimmt also nicht den Gesprächsmodus und diese Kategorien vermögen den Gesprächstyp nur unzulänglich einzuordnen. Eine Kategorie, nämlich die der Willkommensgespräche, kann ausgeklammert werden, da sie sich im Korpus nicht findet. Am zutreffendsten für einen grossen Teil der Gesprächsdaten ist die Kategorie der anlassungebundenen Gespräche. Damit wird betont, dass diese Gespräche nicht aufgrund eines Problems stattfinden, sondern, wie im Falle der untersuchten Gespräche des ersten bis fünften sowie des achten Schuljahres, regelmässig mit allen Eltern einer Klasse geführt werden. In der Praxis wird diese Gesprächsform wie bei Sacher (2014: 62) als Lern- und Entwicklungsgespräche bezeichnet, oder beispielsweise als Standortgespräche, Standortbestimmungsgespräche, Beurteilungsgespräche oder Lernberichtsgespräche. Diese Begriffe variieren von Schule zu Schule.

Im Allgemeinen findet der Oberbegriff Elterngespräch eine breite Verwendung. Jedoch wird bei dieser Bezeichnung vernachlässigt, dass es in den Gesprächen noch weitere Beteiligte gibt. So müsste präziser von Eltern-Lehrperson-Gesprächen oder dann von Eltern-Lehrperson-SchülerIn-Gesprächen gesprochen werden. Nun sind aber unter Umständen noch andere Personen an diesen Gesprächen beteiligt, so beispielsweise SchulsozialarbeiterInnen, HeilpädagogInnen, Schulleitungen oder DolmetscherInnen. Auch aufseiten der Familienangehörigen ist der Begriff Eltern problematisch, da generell Erziehungsberechtigte oder aber auch andere Bezugspersonen mitgemeint sein können.4 Da also die Beteiligungsstruktur auf unterschiedliche Art variieren kann, scheint es mir wenig sinnvoll, diesen Begriff auf nur eine Beteiligtengruppe oder auf eine prototypische Beteiligungskonstellation zu reduzieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit spreche ich daher von Beurteilungsgesprächen und verwende damit einen in der schweizerischen Bildungslandschaft vermehrt verankerten Begriff (vgl. z.B. AVS 2005: Kap. 5; Vögeli-Mantovani 2011), der den Fokus nicht auf die Beteiligten, sondern auf die Kernaktivität der Gespräche setzt.

Im Folgenden wird das Forschungsfeld genauer betrachtet (Kap. 1.1), um dann die eigenen Forschungsinteressen und Fragestellungen (Kap. 1.2) sowie den Aufbau der vorliegenden Arbeit vorzustellen (Kap. 1.3).

Beurteilungsgespräche in der Schule

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