Читать книгу Beurteilungsgespräche in der Schule - Vera Mundwiler - Страница 7
1.1.1 Ergebnisse aus Interview- und Fragebogenstudien
ОглавлениеWalker (1998) berichtet in einer Interviewstudie aus England über grundsätzlich widersprüchliche Erwartungen an die Gespräche: Eltern möchten sich selbst einbringen können und sind frustriert über die fehlenden Fragen nach ihrer (Experten-)Sicht sowie über das monologische Abarbeiten von Themen vonseiten der Lehrpersonen. Diese hingegen betrachten die Gespräche als „public relations exercise to fulfil schools’ obligations of accountability“ (Walker 1998: 175) und sind demnach an einer möglichst raschen Informationsvermittlung zum aktuellen Stand in der Schule interessiert. Insbesondere bei den kürzer angelegten Gesprächen an Elternsprechtagen werden dann auch die knappen Zeitressourcen bemängelt und gleichzeitig die Sinnhaftigkeit solcher Interaktionen infrage gestellt (vgl. Lemmer 2012: 90f.; Walker 1998: 171).
In einer weiteren Studie von Walker (2002), die auch kleinere Ausschnitte aus Gesprächsaufnahmen diskutiert, wird die Rolle der SchülerInnen diskutiert. Die Befragungen zeigen sehr unterschiedliche Sichtweisen der Beteiligten zu Sinn und Notwendigkeit der Anwesenheit von SchülerInnen bei diesen Gesprächen, wobei Letztere durchaus teilnehmen wollen. Insgesamt kommt Walker (2002: 477) zum Schluss, dass die SchülerInnen zu wenig einbezogen werden und wenn sie anwesend sind, dann doch nur minimal beteiligt sind.
In einer grösser angelegten Fragebogenstudie in Deutschland wurden Schulleitungen, Lehrpersonen und Eltern zu Beratungsangeboten befragt und die Autorinnen kommen zum Schluss, dass die Beratungsangebote zwar als gut eingestuft werden, jedoch Eltern mit Migrationshintergrund sowie Eltern aus bildungsfernen Schichten weniger erreicht werden (vgl. Hertel et al. 2013). Die Schwierigkeit eines erfolgreichen Kontaktes zwischen Schulen und Familien mit Migrationshintergrund wird in zwei kanadischen Studien bestätigt (vgl. Bernhard et al. 1998; Peterson & Ladky 2007).
Interview- und Fragebogenstudien geben wichtige Einblicke in die Kontexte der Gesprächssituation und die Einstellungen der AkteurInnen. Aus gesprächsanalytischer Sicht ist jedoch die spezifische Interaktion als eigene sinnschaffende Aktivität im Zentrum des Interesses und eine Charakterisierung von Beurteilungsgesprächen als „a public relations exercise where nothing much is accomplished“ (Baker & Keogh 1995: 264; vgl. auch Walker 1998: 175) lädt geradezu ein, die tatsächlichen Ereignisse zu betrachten und zu analysieren (vgl. auch Baker & Keogh 1995: 265). Hierfür bietet die Gesprächsanalyse eine optimale Möglichkeit, mit dem Blick auf die kleinsten Details auch verborgene Aktivitäten zum Vorschein zu bringen. So zeigen dann auch bereits durchgeführte Studien, dass in diesen Interaktionen keineswegs ‚nichts erreicht wird’.