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10. Kapitel BÜRO JOSEPHA INNEN/TAG

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In ihrem Leben ist Josepha schon alles Mögliche widerfahren, aber einmal in einer Show um eine Million Euro zu kämpfen, war definitiv etwas Neues. Doch anstatt sich mit der Frage auseinandersetzen zu können, was das nun bedeuten könnte oder wie sie mit dieser Situation am besten umgehen sollte, wird sie von einem Anruf ihres Exmanns aus ihren Gedanken gerissen. Wie immer gibt es Streit. Er wirft ihr vor, Noemis Schulsachen seien immer so durcheinander, nachdem sie bei Josepha war. Jede zweite Woche ist ihre Tochter Noemi nämlich bei ihr, jede erste bei ihrem Vater. Das Sorgerecht ist geteilt, jedoch fallen Josephas Wochen immer wesentlich kürzer aus, und auch das sorgt regelmäßig für Streitereien. Denn Josepha will so viel Zeit wie möglich mit Noemi verbringen, zumal sich die gemeinsame Zeit mit ihrer Tochter an Werktagen ohnehin nur auf die Früh und den Abend beschränkt. Doch ihr Exmann steht im Weg, denn er lässt nichts unversucht, um sie wieder zu einer Wochenendmutter werden zu lassen. Wegen Josephas krimineller Vergangenheit hätte er das nach der Scheidung sogar beinahe geschafft. Josephas außerordentlich engagierte Anwältin konnte das gemeinsame Sorgerecht gerade noch erkämpfen. Die Auflage dafür war allerdings ein sicherer Vollzeitjob. Josepha hätte jede Arbeit angenommen. Sie wollte nur ein normales Leben. Das wollte sie eigentlich immer schon, ganz besonders aber nach der ersten dreimonatigen Jugendhaft mit sechzehn und noch mehr nach der zweiten mit siebzehn und am allermeisten nach dem Trip, bei dem sie fast gestorben wäre.

Als sie dann ihrem Exmann begegnet ist, einem fast zwanzig Jahre älteren Lateinlehrer, hat sie sich von ihm Normalität versprochen. Die kam dann auch – wenngleich nur auf Zeit. Als sie mit Anfang zwanzig schwanger wurde, war sie nicht unglücklich darüber. Alles war gut, solange die Normalität anhielt. Aber mit Noemis Geburt kamen die ersten Eheprobleme. Ihre neue Mutterrolle nahm Josepha die Luft zum Atmen. Sie wollte raus, wieder ins Freie. Beinahe vergessene Bekanntschaften erneuerten sich und fast schlitterte sie wieder in die alten Bahnen: Sie lebte wieder ausgelassen, fühlte sich wieder jung. Nach einer besonders krassen Nacht kam ihr, während hinter schmutzigen Vorhängen der Morgen graute, die Erkenntnis: Sie lag in einem Bett neben einem Mann, der bestimmt nicht ihrer war, mit Substanzen im Blut, die bestimmt nicht legal im Handel erhältlich waren, und sie begriff plötzlich, dass man ihr Noemi wegnehmen würde, wenn sie so weitermachen würde. Für ihre Tochter schwor sie sich, sich wieder zusammenzureißen, und in den kommenden Monaten gelang ihr das auch. Ihre Ehe hatte diese Nächte zwar nicht überlebt, aber Josephas Wunsch nach Normalität war zurückgekehrt, nach einer Normalität auch nach der Scheidung, nach einer Normalität die nun für immer halten sollte. Aber statt in der Normalität landete Josepha bei »MasterTV-Österreich« und in letzter Konsequenz nun offenbar im »Ameisenhaufen«.

Der Ameisenhaufen

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