Читать книгу A song of Catastrophe - Victoria M. Castle - Страница 7

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Lexi hatte sich selbst und ihre Vorhaben ernst genug genommen, sich keine einzige Sekunde um einen der Jungs gekümmert und lediglich nach langem Warten ihrerseits auf Nachrichten reagiert.

Jedes Aufblinken ihres Displays erinnerte sie daran, dass da draußen noch immer die Realität auf sie wartete.

Und damit ein Haufen Gefühle, ein paar Unklarheiten und jede Menge Probleme.

Nein, darauf konnte sie sich jetzt nicht einlassen. Würde sie auch nur eine Sekunde sich mit irgendetwas davon beschäftigen, würde ihre ganze Welt zusammenbrechen.

Also hielt Lexi die Fassade aufrecht, welche sie mit einem schwarzen Eyewing, bis in den Himmel reichende Wimpern, tiefes, vergiftetes Blut auf den Lippen und betont engen, schwarzen Kleidern mit mörderisch hohen Stiefeln schmückte, und gab sich verdammt charmant auf den Treffen mit den Produzenten.

Sie hatte im richtigen Moment gelächelt und vielleicht sogar ein wenig zu viel dabei ihre beinahe nicht existenten Grübchen gezeigt und sogar das besondere Glitzern in den sturmgrauen Augen beherrschte sie auf Knopfdruck, sodass sie förmlich sehen konnte, wie gut sie bei den Produzenten während der gemütlichen Abendessen in den edlen Designerrestaurants angekommen war.

Und ihr war dieses Mal auch nicht entgangen, dass ihre Managerin diese ungewohnt perfekt schimmernde Ausstrahlung bemerkt haben musste. Sie war nicht nur zufrieden mit Lexi, nein, auch bei ihr konnte Lexi sehen, dass sie ihre Managerin um den Finger gewickelt hatte.

Und zwar zum ersten Mal mit Haut und Haar.

Natürlich hatte ihre Managerin sie von Anfang an beeindruckend gefunden, sonst hätte sie Lexi nie unter Vertrag genommen. Aber heute konnte Lexi zum ersten Mal die Ruhe in ihrem Blick bemerken. Da war nichts von dem mütterlichen Ausdruck, den sie sonst von ihr gewohnt war, der ihr mit jedem Wimpernschlag sagen wollte, dass Lexi sich zu benehmen hatte. Nein, dieses Mal rechnete ihre Managerin nicht alle zwei Sekunden damit, dass Lexis Rockerimage ihr einen Strich durch die Rechnung machen würde und sie später ein paar Anekdoten darüber in einem Nachwort an die Produzenten würde richten müssen, in dem sie Lexis unangebrachtes Verhalten als künstlerische Eigenheiten darstellen musste.

Nein, heute betrachtete ihre Managerin Lexi zum ersten Mal wie eine Geschäftsfrau. Und das lag einzig und allein an dieser charmanten Fassade, die dieses Mal voll und ganz in Lexis Blut übergegangen war.

Die geschäftliche Gelassenheit, Gleichgültigkeit und dennoch das Charmante in ihrem Blick – Lexi würde heute Abend jeden Vertrag an Land ziehen.

Wäre Lexi eine Edelnutte, wäre sie heute Nacht Millionärin.

Beinahe wäre ihre Fassade gebröckelt, als sie ihr Handy in ihrer winzigen Clutch vibrieren spürte, doch blinzelte Lexi in diesem Moment betont langsam, als würde sie damit das Kribbeln in ihrem Magen beiseiteschieben können und somit jegliche Gefühle, die in ihr aufkeimten.

Sie behielt die Kontrolle.

Sehr gut!

So würden die nächsten Wochen ein voller Erfolg werden.

Nichts konnte ihr da einen Strich durch die Rechnung machen.

Nach den erfolgreichen Treffen mit den Produzenten ging für Lexi die Zeit im Tonstudio los. Sie hatte die Jungs nun beinahe eine Woche nicht gesehen und auch am Montagmorgen würde sie keine Sekunde daran verschwenden, schon auf dem Hinweg an nur einen von ihnen zu denken.

Stattdessen hatte sie ihr kleines Notizbuch herausgeholt, in welchem sie die Songs für die Aufnahmen übertragen hatte, um sich die Texte noch einmal durchzulesen.

Jeder davon saß, sie würde nur noch abliefern müssen.

Und die kleine Prellung einfach ignorieren.

Am Tonstudio angekommen war sie nicht einmal spät dran, wie sie es früher vielleicht gewesen wäre. Nein, sie war sogar noch vor Castiel und Thomas vor Ort. Wenn auch Alex und Bastian bereits dort waren und im Nebenraum ihre Gitarren gerade auspackten.

Lexi warf einen flüchtigen Blick herüber, bemühte sich dieses Mal sogar um Neutralität, während sie beiden leicht zunickte und sich dann an ihre Managerin wandte, welche mit dem Produzenten und Tontechniker bereits im Gespräch war.

„Guten Morgen“, sagte Lexi wieder mit ihrer neu gewonnenen, charmanten Professionalität.

„Guten Morgen, Catastrophe“, antwortete ihr Produzent und auch die anderen begrüßten sie ebenso. Anfänglich war ihr dieser Kosename immer merkwürdig vorgekommen, wenn sie bei solchen Treffen, wie Studioaufnahmen, so genannt wurde. Doch eigentlich hätte sie sich dabei nie wundern müssen, schließlich war das nun einmal das Pseudonym, mit dem sie mittlerweile bekannt geworden war.

„Wie sieht’s aus?“, hatte sie direkt gefragt und ließ sich sogleich in den Plan für den heutigen Tag einweihen, ehe sie einen ersten Soundcheck machte.

Während sie für diesen allein im Studioraum gewesen war, waren auch Cas und Thomas eingetroffen, um sich schließlich auch auf ihre Positionen zu begeben. Nachdem Lexi nach dem kleinen Soundcheck am Mikrofon noch einmal zurück in den Mischraum getreten war, um aus ihrer Handtasche eine Flasche mit Wasser zu holen, entdeckte sie Cas und Bastian. Für einen Moment hätte sie verwundert sein müssen, dass ausgerechnet diese beiden allein im Raum gewesen waren.

Ob sie sich wohl gerade noch unterhalten hatten?

Lexi widerstand nur schwer dem Drang, eine Augenbraue nach oben zu ziehen und bemühte sich stattdessen um Desinteresse oder besser gesagt um Neutralität.

Als würde sie diese Begebenheit einfach nichts angehen.

Doch noch ehe sie ihre Handtasche wieder zurück auf das Polster der kleinen Sitzgruppe hatten sinken lassen, war Bastian auch bereits zu ihr getreten, um im gedämpften Ton an sie das Wort zu erheben.

„Hey, geht es dir gut?“, hatte er ihr fast schon zugeflüstert und nun ließ Lexi ihrer Augenbraue kurz den Raum.

„Natürlich“, sagte sie betont entspannt, ehe sie sich zu ihm umwandte, einfach die Hand an seinen Oberarm legte und ihm betont in die Augen sah.

Betont entspannt, lässig und vor allem eins – desinteressiert.

„Das werden gleich geniale Aufnahmen“, sagte sie, ehe sie ihm doch einen Moment einen herausfordernden Blick schenkte.

„Viel Spaß, Jungs“, flötete sie fast schon, ehe sie von Bastian abließ und an Cas vorbei hinaus in den Flur trat.

Nur nicht über diese Situation nachdenken.

Ehe ihre Gedanken noch einmal ihre Wirkung hätten durchgehen, die Blicke der Jungs deuten oder die Frage von Bastian interpretieren können, ging Lexi absichtlich den Text des ersten Tracks Angel noch einmal durch. Wieder und wieder.

Nicht, weil sie mit einem Patzer rechnete, sondern um sich ja von allem anderen abzulenken.

Professionalität.

Charmante Geschäftsfrau.

Das ist das, was Lexi nun ausmachen sollte.

Keine Gedanken an etwas anderes zulassen.

Und so trat Lexi direkt ans Mikrofon und wartete nur wenige Minuten, ehe die anderen Bandmitglieder an ihre Mikrofone geleitet worden waren und sie mit den Aufnahmen starteten.

Während das Ende des Intros spielte, holte Lexi langsam Luft, wie sie es immer für gewöhnlich tat, um anschließend ihr Zwerchfell anzuspannen und eine gute Gesangsstütze zu bilden. Sofort quittierte sie beim Einatmen noch ein stechender Schmerz in der Seite und unter anderen Umständen hätte Lexi abgebrochen, hätte den Atem stocken lassen. Doch dieses Mal atmete sie durch den Schmerz hindurch.

Schmerz ist nur eine Illusion, sagte sie sich, während sie die ersten Zeilen sang.

Und du hast dich sowieso gegen den Schmerz entschieden.

Und diese Einstellung war Antrieb genug, dass Lexi Vollgas gab. Die Fassade aufrecht zu erhalten, war Antrieb genug, umso intensiver zu singen.

Und Lexi glaubte, noch nie so sehr in der Musik aufzugehen, wie an diesen Tagen im Tonstudio.

So gut hatte sie noch nie gesungen.

Es hatte sicherlich noch während der Studioaufnahmen den ein oder anderen Moment gegeben, an dem einer der Jungs versucht hatte, mit ihr zu reden.

Aber Lexi hatte nicht einmal zugehört.

Sie hatte ein paar beiläufige Smalltalk-Worte ausgespuckt, hatte in passenden Momenten gelächelt, aber wahrhaftig nichts von den Gesprächen mitbekommen.

Zumindest war bei ihr nichts davon im Gedächtnis geblieben, sodass sie sicherlich nichts weiter als „ja, definitiv“, „nein, ich werde woanders essen in der Pause“ oder „tut mir leid, lass uns später reden, ich muss mich nochmal auf den nächsten Song vorbereiten“ herausgebracht hatte.

Auch wenn sie im selben Raum wie die Jungs zwischenzeitlich war, so war sie geistig doch in weiter Ferne.

Man hätte sie die ganze Zeit anstarren können, Lexi wäre es nicht aufgefallen.

Nur nicht diese Gedanken zulassen.

Lexi hatte diese fünf Tage lang gesanglich voll und ganz brilliert, dessen war sie sich sicher, doch fühlte sie sich ansonsten wie eine leere Hülle.

Auch wenn sie sicherlich nicht geschwiegen, mit ihrer Managerin, den Produzenten, Tontechniker oder den Jungs aus der Band geredet hatte, so war doch die Musik die einzige Gelegenheit gewesen, in der sie wirklich sprach.

Die einzige Gelegenheit, in der sie ihren Mund öffnete, ihre Stimmbänder bewegte, einen Klang aus ihrem Innern herausbrachte, der Sinn ergab.

Der Dinge aus ihrem Inneren nach außen treten ließ.

Der tatsächlich das zum Ausdruck brachte, was Lexi wirklich hatte sagen wollen.

Und vielleicht war sie deswegen trotz der Schmerzen so gut gewesen, wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

Je mehr sie sich fühlte, als wäre sie eine leere Hülle, eine Geistergestalt in einer grauen Welt, je mehr bekam sie das Gefühl, sobald die ersten Akkorde spielten, würde endlich Farbe in diese Welt treten.

Würde diese Welt endlich Sinn ergeben.

Doch sobald der letzte Ton verklungen war, gab es wieder nichts anderes, als dieses leere Grau.

Dieses kaputte Grau.

Diese kaputte Welt.

Den einen Tag Pause nach den Aufnahmen hatte Lexi auch nicht wirklich mit etwas Sinnvollem verbracht. Und wenn sie ehrlich war, hätte sie nicht einmal den Tagesablauf beschreiben können.

Alles, woran sie sich noch bewusst erinnerte, war, dass sie ihre Koffer für die anstehende USA-Reise gepackt hatte.

Aber hätte sie nicht nervös sein müssen?

Hätte sie nicht ausrasten müssen wegen dieser Chance?

Wo waren die Herzklopfen der Aufregung?

Wo war die Vorfreude?

War ihr diese Reise gar gleichgültig?

Nein, eigentlich nicht, dessen war sich Lexi sicher. Sie hatte immer von einer solchen Chance geträumt.

Doch fühlte sie sich auch jetzt innerlich leer.

Um vier Uhr nachts wartete ein Taxi vor ihrer Tür, welches sie zum Flughafen fahren würde.

Dort würde sie die Jungs treffen, mit ihnen gemeinsam in einen Flieger steigen und sich auf den Weg in die USA machen.

Fast fünfzehn Stunden würde sie mit den Jungs in einem Flugzeug sitzen, ehe sie an ihrem Ziel ankommen würden.

Beinahe fünfzehn Stunden alleine mit Alex, Bastian und Castiel.

Lexi hatte sich nicht einmal erinnern können, wann genau der Wagen erschienen war, wer ihren Koffer in den Kofferraum gelegt hatte, noch welche Haarfarbe der Fahrer eigentlich besaß. Mit einem kleinen Blick in den Rückspiegel vergewisserte sich Lexi, dass es tatsächlich ein Mann war, der am Steuer saß. Von alleine hätte sie vielleicht nicht einmal das sagen können.

Es war nicht so, dass sie tief in Gedanken versunken war und deswegen die Gegenwart nur so an ihr vorbeirauschte, nein.

Es war, als wäre sie in einer tiefen Trance gefangen, wie bereits in den letzten zwei Wochen. Auf die Außenwelt wirkte sie charmant und perfekt, wie sie dank ihrer Managerin und den Produzenten wusste. Sie hatte dank ihrer Maske in den richtigen Momenten gelächelt.

Doch davon bekam sie nicht wirklich etwas mit, zu sehr war sie routiniert gewesen.

Zu unwichtig war all das gewesen.

Was war in dieser kaputten Welt noch wichtig?

A song of Catastrophe

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