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VORBEMERKUNG DES HERAUSGEBERS

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Wichtige Einführung

Die Autorin dieses Buches ist amerikanische Osteopathin. In den Vereinigten Staaten ist dieser Berufsstand (DO) den Ärzten (MD) rechtlich gleichgestellt und seine Vertreter sind berechtigt, alle ärztlichen Tätigkeiten inkl. der Chirurgie auszuführen. Berufspolitische Einflüsse haben im Lauf der letzten 100 Jahre allerdings dazu geführt, dass der ganzheitliche Behandlungsansatz und die Nutzung der Hände als wichtigstes medizinisches Instrument bei Diagnosestellung und Behandlung fast vollständig aus dem osteopathischen Praxisalltag in den Vereinigten Staaten verschwunden sind. Nur noch wenige Praktiker, zumeist Mitglieder der American Academy of Osteopathy (AAO), arbeiten im Praxisalltag überwiegend manuell mit ihren Patienten. Frau Dr. Frymann, eine unmittelbare Schülerin von William Garner Sutherland, DO (1873 - 1954), dem Entdecker der Kranialen bzw. Kraniosakralen Osteopathie, gehört zu ihnen. Diese kleine, aber sehr lebendige Gruppe trägt nicht nur maßgeblich zu der Erweiterung des osteopathischen Konzeptes in ihren ganzheitlichen Aspekten bei, sondern ist nicht zuletzt auch aufgrund des enormen Engagements von Frau Dr. Frymann seit Mitte der 1960er die wohl bedeutendste Kraft bei der weltweiten Verbreitung der Osteopathie, darunter auch in Europa. Hier gibt es allerdings weder einheitliche Ausbildungsrichtlinien oder gesetzliche Regelungen noch eine ärztliche Anerkennung der Osteopathie. Dafür nehmen der ganzheitliche Aspekt und insbesondere die therapeutische Bedeutung der Hände in der Praxis einen wesentlich größeren Raum ein.

Konsequenzen für die Übersetzung

Warum ist das wichtig für dieses Buch? Nun, bis vor 200 Jahren wurden nahezu alle medizinischen Fachbegriffe in lateinischer bzw. griechischer Terminologie verfasst. Der Einfluss der angelsächsischen Medizin hat dieses sprachlich solide System inzwischen nachhaltig erschüttert. Diese Tatsache und eine sich aus der oben angesprochenen Heterogenität innerhalb der Osteopathie ergebende Gemengelage, die sich auch im Fehlen einer verbindlichen Terminologie ausdrückt, machen es einem Übersetzer unmöglich, eine für alle akzeptable Übersetzung zu erstellen. Jede Übersetzung folgt individuellen Richtlinien, die stets einen Balanceakt zwischen inhaltlichen, stilistischen und umgangssprachlichen Ansprüchen darstellt. Als Herausgeber für osteopathische Literatur muss ich meine Leser folglich mit einem für beide Seiten gelegentlich unbefriedigenden Kompromiss konfrontieren. Nicht nur um diesen Missstand zu beseitigen und damit eine Kommunikation innerhalb der Osteopathie zu stärken, sondern auch um der wissenschaftlichen Anerkennung in Deutschland willen, ist es daher erforderlich, eine verbindliche deutschsprachige Terminologie im Bereich der Osteopathie festzulegen. Hier die wichtigsten „Richtlinien“ in diesem Buch:

Osteopath, Arzt, Mediziner

Da Frau Dr. Frymann eine menschliche Eignung als zwingende Voraussetzung zum Erlernen und späteren Praktizieren der Osteopathie ansieht, wurde auf eine Trennung der Begriffe Osteopath und Osteopathischer Arzt/​Mediziner bzw. Osteopathie und Osteopathische Medizin in der vorliegenden Übersetzung verzichtet. Diese Trennung stellt eine rein berufspolitische Problematik dar und spielt bei Fragen zu Inhalt und Anwendung der Osteopathie keine Rolle.

Der Begriff Osteopath bezeichnet in der vorliegenden Übersetzung einen Behandler, der entweder diese Berufsbezeichnung besitzt (was aber nicht unbedingt heißen muss, dass er oder sie auch im osteopathischen Sinn behandelt) – oder zu einer anderen Berufsgruppe gehört, die Osteopathie aber im ganzheitlichen Sinn ausübt. Arzt bezeichnet den Schulmediziner im klassischen Sinn. Die Autorin verweist zudem immer wieder auf eine vorliegende oder wünschenswerte Gemeinsamkeit zwischen Osteopathen und Ärzten. Als gemeinsamer übergeordneter Begriff wurde hierzu Mediziner gewählt. In diesem Sinn sind auch die Begriffe Osteopathie, ärztliche Tätigkeit und Medizin zu interpretieren.

„DO“ und „Dr.“: Da amerikanische Osteopathen über die volle ärztliche Zulassung verfügen, ihre europäischen Kollegen jedoch nicht, wäre die alleinige Bezeichnung DO eines amerikanischen Osteopathen für einen deutschen Leser verwirrend, da es sich tatsächlich doch um einen voll approbierten Arzt handelt. Der Titel Dr. drückt den inhaltlichen Tätigkeitsbereich besser aus, auch wenn dies juristisch nicht korrekt ist. Diese Entscheidung und die ebenso streitbare Abwechslung zwischen DO und Dr. in Bezug auf amerikanische Osteopathen wurden bewusst gewählt, um keine berufspolitische Parteinahme zu vermitteln.

Eine Hommage an W. G. Sutherland: Die Bedeutung der Kranialen bzw. Kraniosakralen Osteopathie ist für die Osteopathie so fundamental, dass die wichtigsten Begriffe in diesem Zusammenhang immer groß geschrieben werden, also z. B. Reziproke Spannungsmembran, Kraniale Osteopathie, Kraniosakraler Mechanismus, Kranialer Rhythmischer Impuls, Primärer Respiratorischer Impuls etc.

OMT: Alle an osteopathischen Colleges in den Vereinigten Staaten vermittelten Techniken werden unter dem Sammelbegriff Osteopathisch manipulative Techniken (OMTs) gelehrt. Dies umfasst auch funktionelle und z. T. sogar kraniosakrale Techniken. Unglücklicherweise wird das Akronym OTM auch in der Bedeutung Osteopathische Manipulative Therapie verwendet, aber der Unterschied dürfte aus dem Textzusammenhang leicht zu erkennen sein.

Bewusstheit – Bewusstsein: Hier wurde die Entscheidung danach getroffen, ob es sich im Textzusammenhang um einen aktiv-mentalen Zustand im Sinn eines Bewusst-Machens (→ Bewusstheit), um einen passiv-mentalen Zustand im reflexiven Sinn (→ Bewusstsein) oder um einen passiv-physiologischen Zustand im Sinne der Nicht-Bewusstlosigkeit ( Bewusstsein) handelt.

Primäre & sekundäre Atmung: In Textstellen, in denen es um den Primären Atemmechanismus geht, werden die Begriffe Respiration, Fluktuation, Inspiration und Expiration verwendet, bei der Lungenatmung wurden Atmung, Inhalation / ​Einatmen und Exhalation / Ausatmen als Vorgaben gewählt.

Diaphragma: Im vorliegenden Buch werden drei verschiedene interagierende Diaphragmen behandelt. Der Deutlichkeit halber wurden diese konsequent in kraniales Diaphragma, Zwerchfell und Diaphragma urogenitalis unterschieden.

Mechanismus: Dieser häufig vorkommende Ausdruck bezieht sich immer auf bestimmte, abgeschlossene Systeme. Somit entspricht der Kraniale Mechanismus nicht dem Kraniosakralen Mechanismus oder gar dem Körpermechanismus. Vielmehr ist ersterer nur eine Unterfraktion des Kraniosakralen Mechanismus, der wiederum lediglich einen Teil des Körpermechanismus darstellt.

Fachterminologie: Es gibt zwar bestimmte Standardwerke für medizinische Termini, aber auch darin finden sich nicht alle Begriffe eindeutig wieder. Als klassisches Beispiel sei der Plural von Os ilium angeführt. Da Ilium ein Wort griechischen Ursprungs ist und es keine Vorgabe gibt, bleibt es jedem selbst überlassen die passende Endung zu wählen. Eine noch größere Freizügigkeit findet sich in der osteopathischen Fachterminologie, wie etwa bei dem Begriff „Strain-Pattern“ und es würde zu weit führen, hier alle Überlegungen zu den „Richtlinien“ des Projekts darzulegen. Kritische Diskussionen in diesem Zusammenhang sind zwar erwünscht, aber nur dann sinnvoll, wenn sie im Rahmen einer offiziellen Initiative mit dem Ziel eines verbindlichen Nachschlagewerks im Bereich der Osteopathie geführt werden.

Eine Anekdote für den Leser

Anstatt umständlicher Einführungen zur osteopathischen Philosophie von Frau Dr. Frymann, möchte ich Ihnen stellvertretend meine erste Begegnung mit ihr berichten. Sie behandelte gerade ein 9 Monate altes Baby vor einem Auditorium während eines Kurses an der DAAO in Isny. Ich kam kurz vor Ende des Behandlungstages, da sie mir wenige Wochen zuvor ohne eine einzige Gegenfrage die Übersetzungsrechte für das vorliegende Buch zugesichert hatte und ich mich dafür zumindest persönlich bedanken wollte. Sie hatte die kraniale Behandlung beendet, blickte entspannt in die Runde und fragte „Irgendwelche Fragen?“ Keine zwei Sekunden später hörte ich „Was haben Sie da gemacht?“ Frau Dr. Frymann blickte dem Fragenden freundlich in die Augen und sagte ganz unspektakulär: „Ich? Ich habe gar nichts gemacht, ich lasse es zu, dass die Dinge durch mich hindurch gemacht werden.“ Es folgte ratloses Schweigen und ich fühlte mich seltsam berührt. Gehört hatte ich das ja schon oft in anderer Form, aber hier saß diese alte Dame und lebte es klar und einfach vor. Mein eh’ schon schwankendes medizinisches Weltbild kippte aufgrund der tieferen Bedeutung dessen, was da eben gesagt und v. a. gezeigt wurde. Warum?

„Ärzte und Osteopathen müssen sich ins

Bewusstsein rufen, dass sie keine Heiler sind.“

(Viola Frymann)

Nachdem der Kurs beendet war und die meisten Teilnehmer gegangen waren, erzählte ihr der Behandler und die Mutter des Babys, was für Probleme das Kind gehabt hatte und wie viel besser es jetzt schon durch die Osteopathie geht. Frau Dr. Frymann hörte geduldig zu, während Sie liebevoll das Kind im Tragekorb betrachtete. Nach etwa fünf Minuten blickte sie dem Behandler und der Mutter abwechselnd in die Augen und sagte sanft: „Sprechen Sie niemals in Gegenwart eines Kindes über seine Probleme!“ Es war ihre sanfte, aber dennoch bestimmte Art und die Botschaft ihrer Aussage, die mich erneut zutiefst bewegte.

Meine Empfehlung: Lesen Sie das Buch mit offenem Geist und lassen Sie sich insbesondere von den Stellungnahmen berühren, die Sie normalerweise ablehnen oder sogar lächerlich finden mögen. Insbesondere die Abhandlungen über Spiritualität und ihre Bedeutung für die Behandlung sind beachtlich und erschließen Ihnen jene Potency der Osteopathie, die Sie möglicherweise schon lange in sich spüren, aber bisher noch nicht erreichen konnten.

Danksagung

Kurz nachdem Monika Reiter die Supervision des Projektes übernommen hatte, erlitt Sie einen sehr schweren Reitunfall. Für mich völlig unerwartet, bestand Sie aber noch im Krankenhaus darauf, weiterhin die Aufgabe wie versprochen zu erfüllen. Die Leistung, deren Zeuge ich in den Folgemonaten sein durfte, kann wohl nur ermessen, wer die Umstände miterlebt hat, unter denen sie übersetzt bzw. die angelieferten Rohübersetzungen von Christina Hesser, Katja Hinz, Yvonne Kertsch und Ariane Merzt nachgebessert hat. Danke, Monika. Das ist Dein Buch!

Ein besonderer Dank geht auch wieder einmal an Dr. Martin Pöttner, der einen Teil der Übersetzung und das unter den gegebenen Umständen keineswegs einfache Lektorat wie immer engagiert und zuverlässig erledigt hat. Als Produktionsleiterin hat Frau Sarah Spitzer sich inzwischen an meine oftmals lediglich improvisierten und keineswegs verlagsüblichen Eingebungen gewöhnt und hier gilt mein Dank ihrer stoischen Ruhe und Geduld. Zum Schluss möchte ich noch Frau Sandra Bator und Frau Anette Page danken, die mit dem Buchsatz bzw. Coverdesign für das schöne Erscheinungsbild dieses Buchs verantwortlich sind.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Christian Hartmann

Pähl, 23. Februar 2007

Die gesammelten Schriften von Viola M. Frymann, DO

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