Читать книгу Standort Deutschland - Volker Meyer-Guckel - Страница 60
4.4.2 Mobilitätswende
ОглавлениеAuch im Mobilitätssektor steht ein tiefgreifender Umbruch bevor. Einerseits wird die Digitalisierung zu neuen Geschäftsmodellen, neuen Mobilitätsmustern und neuen Anbieterstrukturen führen. Andererseits werden die Anforderungen in Richtung einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Mobilitätsweise tiefgreifende systemische Veränderungen bedingen. Die einzelnen Punkte sind vernetzt und können nicht singulär betrachtet werden.
Die volkswirtschaftliche Relevanz der Automobilindustrie in Deutschland ist außergewöhnlich, umso dringlicher aber auch die aktive Steuerung und Gestaltung des anstehenden Wandels. Ein energetisches Thema steht dabei in der öffentlichen Debatte noch über allen: der Wechsel vom Verbrenner hin zur batterie- oder wasserstoffbasierten Elektromobilität. Für die deutsche Industrie ist dies neben der Digitalisierung sicher die zentrale Herausforderung des kommenden Jahrzehnts angesichts der massiven Verschiebung in der Wertschöpfung und der infrastrukturellen Anforderungen (z. B. Ausbau Ladeinfrastruktur und Sektorkopplung). Blickt man auf die Mobilität als System werden schnell andere Fragen relevant.
Insbesondere in Städten verdichten sich die Herausforderungen durch den Klimawandel, Mangel an Wohnraum und Verknappung von Ressourcen. Es bedarf einer Neugestaltung des öffentlichen Raums weg von der autozentrierten hin zur menschenzentrierten Stadt. Daher führt der Weg in Richtung fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte sowie vernetzter Mobilitätsangebote, um Raum zu schaffen und die Lebensqualität (z. B. durch saubere Luft) zu erhöhen. Städte ziehen Menschen an und stoßen Autos ab. Dieser globale Trend wird verzögert gegenüber anderen Ländern auch in Deutschland sichtbar werden, indem Autos zunehmend aus den Städten hinausgedrängt werden (z. B. durch Verkehrsbeschränkungen, Parkraumbewirtschaftung, Fahrverbote, autofreie Innenstädte).
Auch multimodale Lösungen, um eine Reise komfortabel über mehrere Verkehrsträger hinweg zu ermöglichen, werden zunehmend, insbesondere bei jüngeren Generationen, nachgefragt. Im ländlichen Raum könnten in Ermangelung flächendeckender ÖPNV-Angebote zusehends Angebote autonomer und geteilter Mobilität entstehen. Pandemiebedingt erleben wir gerade, dass der öffentliche Nah- und Fernverkehr einer generellen Reform bedarf, um in der Breite der Bevölkerung als attraktive Option wahrgenommen zu werden. Um dies zu realisieren ist die Digitalisierung ein entscheidender Hebel (Echzeitinformationen, Planbarkeit, Abrechnungssysteme).
Insgesamt bewegt sich die Mobilität in einem soziokulturellen Paradigmenwechsel weg vom autozentristischen hin zu einem eher polyzentristischen Weltbild mit vielfältigeren Mobilitätsmustern als wir es heute gewohnt sind. Menschen werden zunehmend erfahren, dass ein Leben ohne eigenes Auto möglich ist. Dies funktioniert aber nur, wenn attraktive Alternativen vorhanden sind.