Читать книгу Sechs Romane Die Raumflotte von Axarabor - Der unendliche Ozean - W. A. Hary - Страница 15

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Alles dies war vergangen. Und jetzt war Gegenwart.

Das erste Mal, dass der Begriff Gegenwart überhaupt eine Rolle spielte für den Herrn aller Dinge. Und nur deshalb, weil es etwas gab, das völlig neu war, unvergleichbar mit allem, was bisher gewesen war.

Diese Komponente, die alles veränderte, was er jemals gedacht, jemals getan und jemals gewollt hatte, hieß in erster Linie... POSH!

Verfolgt von den Raumverschlingern suchte dieser Zuflucht ausgerechnet bei Ad-Aberitsch, und der Herr aller Dinge ahnte auf einmal, dass er zwar Herr aller Dinge war und normalerweise auch Herr aller Gedanken, aber dass es zumindest eine einzige Ausnahme gab:

POSH!

Es war Ad-Aberitsch nicht möglich, seine Gedanken mit den eigenen in vollkommenen Einklang zu bringen, damit Posh genauso wie alle, der er erschaffen und anschließend zu sich gerufen hatte, mit ihm eins wurde.

Eben wie alle Freunde, die erschaffen wurden von ihm als Gott.

Wie war das möglich, dass dieser Posh auf seine eigenen Gedanken, sogar auf sein eigenes Ich, beharren konnte?

Ad-Aberitsch zwang die drei Wesen, einschließlich Posh, auf je eine neu erschaffene Insel im inneren Universum, während im äußeren Universum das Raumschiff auf der Oberfläche von Epiphanee zerschellte, wie in den vergangenen Jahrzehntausenden schon so viele zuvor.

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Der Königspalast von Ingosch aus der kalten Leere stand auf dem einzigen Hügel. Die Zentralinsel seines Reiches war nicht besonders groß und kaum belebt, weil hier nur seine engsten Vertrauten lebten, die gleichzeitig auch seine unmittelbaren Bediensteten waren. Und natürlich seine Familie.

Wie jeden Tag mindestens dreimal, nämlich am frühen Morgen, am Mittag und am Abend – so die eigentlich rein willkürliche Zeiteinteilung in einer Welt, die eigentlich ja gar keinen Tag- und Nachtwechsel kannte -, machte er seinen Rundgang rund um den Palast. Dafür gab es einen eigens für ihn angelegten Trampelpfad.

Direkt auf der anderen Seite des Palastes, also dem Eingangsportal genau gegenüber, wenn man so wollte, war die Gedenktafel aufgestellt. Und wie jedes Mal, wenn er hier vorbei kam, betrachtete er sie.

Den Text kannte er längst auswendig:

»Alle Dinge sind...

unbeugsam – erst lebend ist der Mensch

nachgiebig und empfänglich!

Doch sterbend wird er starr und ist nicht mehr zu verbiegen.

Alle Dinge sind...

der Himmel, das Gras, die Bäume. Nur lebend sind sie

nachgiebig und zart.

Doch sterbend werden sie trocken und verdorren – für alle Zeit!«

Gezeichnet: »Tao-te-king«!

Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer oder auch nur wann dieser Tao-te-king gewesen war. Ja, war er denn überhaupt irgendwann gewesen? Nun, vielleicht war es ja nur so eine Art Denkspiel des Herrn aller Dinge, damit sich der jeweils amtierende Ingosch aus der kalten Leere darüber das Hirn zermarterte? Bloß hatte wahrscheinlich noch niemals sich ein Ingosch aus der kalten Leere darüber das Gehirn zermartert, weil keiner jemals dazu auch nur die geringste Lust verspürt hatte.

Die Gedenktafel war da, die Inschrift ebenso. Das war ewig wie alles. So ewig wie das Werden und Vergehen, das wiederum in das Werden und Vergehen mündete. Der eine Ingosch aus der kalten Leere übergab irgendwann sein Amt an seinen Sohn, damit dieser ihn irgendwann an seinen Sohn weitergeben konnte. Um genauso hernach abzutreten.

Es gab keinen normalen Tod, obwohl hier niemand wusste, wie denn eigentlich ein normaler Tod sich unterscheiden sollte von einem hiesigen Tod. Sie wussten nur: Wenn es Zeit war, abzudanken, löste man sich einfach auf, ohne Rückstände. Um Platz zu schaffen für neues Leben.

Dazu waren zwar Verbindungen nötig zwischen Mann und Frau, doch das neue Leben entstand nicht im Bauch einer Frau – was für ein unnötiger Umweg! -, sondern wenn es an der Zeit war, entstand es einfach so, dabei Kindheit und Jugend komplett überspringend.

Ad-Aberitsch regelte das so. Weil er alles regelte. Schließlich nannte man ihn nicht umsonst den Herrn aller Dinge.

Ingosch aus der kalten Leere bedauerte nichts dabei. Er war glücklich wie alle seines Reiches. Und wie die des Reiches von Hundeaugen-Hans und Finis Terre, Herrscher der Home Terre.

Nachdem er das Wahrzeichen in Form des Schildes mit der möglicherweise sehr weisen Inschrift – obwohl niemand wusste, was das überhaupt sollte – ausgiebig genug betrachtet hatte, war auch dieses Ritual beendet, und er schlenderte gemütlich weiter.

Bis er die Längsseite des Palastes erreichte und damit auf halbem Wege war zwischen Inschrift und Hauptportal.

Da geschah etwas, wie es noch niemals zuvor geschehen war. Zumindest nicht während seiner Lebensspanne. Sonst hätte er sich jetzt daran mit Sicherheit erinnert.

Es begann mit einem Donnergetöse, dass er unwillkürlich über den unendlichen Ozean schaute.

Von hier aus konnte er beinahe sein gesamtes Reich überblicken. All die verschiedenen Inseln, die dazu gehörten. Von diesem erhöhten Aussichtspunkt aus, wo der Palast thronte, gab es kaum etwas, was den Blick verbauen konnte. Und er wusste ganz genau, dass er genauso viele Inseln hatte wie es sie in jedem Königreich gab.

Doch zwischen seiner Hauptinsel und zwei Nachbarinseln begann plötzlich das Meer aufzuschäumen. Gleichzeitig erscholl dieses Donnergetöse vom Himmel herab.

Seltsame Lichter geisterten zwischen Firmament und Wasseroberfläche umher. Das Donnergetöse verstärkte sich.

Ein Geräusch mischte sich hinein, als würde ein gigantischer metallischer Gegenstand über ein steinernes Feld geschoben werden, knarrend, schabend, wie protestierend kreischend...

Das Schäumen des Meeres nahm bedenkliche Formen an, bis deutlich wurde, was es dort dermaßen zum Schäumen brachte:

Eine neue Insel stieg aus der Tiefe empor. Einfach so.

Nein, nein, nicht einfach so: Der Herr aller Dinge musste seine göttlichen Hände im Spiel haben. Aber wieso hatte er nicht vorher seine Freunde informiert, damit sie nicht so sehr darüber erschraken wie jetzt Ingosch aus der kalten Leere, der sich fühlte, als würde seine heile Welt von einem Augenblick zum anderen untergehen?

Irgendwo ahnte er schon, dass er das nicht nur so empfand, sondern... dass dem wirklich so war: Seine Welt würde vielleicht nicht völlig untergehen, aber zumindest schickte sie sich an, aus den Fugen zu geraten.

Eine zusätzliche Insel, ausgerechnet in seinem überschaubaren Reich? Dann hatte er ja am Ende eine Insel mehr als Hundeaugen-Hans und Finis Terre?

»Nein!«, sagte eine beruhigende Stimme direkt in seinem Kopf, worüber er trotzdem noch mehr erschrak als über die aus dem Meer emporsteigende Insel. »Nicht nur du bekommst eine zusätzliche Insel, sondern jeder von euch dreien. Du kannst es nur von hier aus nicht sehen. Denn das Gleichgewicht muss doch gewahrt bleiben.«

»Ad-Aberitsch, Herr aller Dinge?«

»Ja?«

»Was geht hier vor?«

»Du wirst es selber erkennen, Ingosch aus der kalten Leere. Sammele deine treuesten fünf Diener und besteige ein Boot, um überzusetzen!«

Und Ingosch aus der kalten Leere beschloss zu folgen. Weil er immer folgte. Schließlich hatte soeben der Herr aller Dinge persönlich zu ihm gesprochen. Eine solche Ehre aber auch!

Und er verließ schnurstracks seinen Hügel mit dem Palast und rief die Namen seiner fünf engsten Vertrauten, damit sie den Weg zu ihm fanden, während er indessen seine Schritte zum kleinen Hafen lenkte, wo immer zwei bis drei Boote anlagen, bereit, benutzt zu werden zum Übersetzen zu einer der Inseln.

Drei neue Inseln? In je einem Königreich eine davon? Und er würde bald selber erkennen können, welchem Zweck dies diente?

Es war das erste Mal in seinem ganzen Leben und vielleicht sogar das erste Mal in tausend Leben zuvor, dass ein Ingosch aus der kalten Leere so etwas wie Neugierde empfand.

Sechs Romane Die Raumflotte von Axarabor - Der unendliche Ozean

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