Читать книгу Sechs Romane Die Raumflotte von Axarabor - Der unendliche Ozean - W. A. Hary - Страница 19

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Posh blieb nichts anderes übrig, als deutlich auf Abstand zu dem Boot zu gehen, ehe allein schon sein Anblick die Menschen darin am Ende tatsächlich noch umbrachte.

»Habt keine Furcht!«, rief er ihnen zu. »Ich bin völlig harmlos!«

Er spürte selbst, wie wenig sie ihm das glaubten, und spielte bereits mit dem Gedanken, sie entsprechend zu beeinflussen. Wie er es gewöhnt war bei Begegnungen mit anderen Wesen.

Ja, er wusste aus Erfahrung, dass er mit seinem Aussehen zwangsläufig bei jedem nicht-insektoiden Betrachter Erschrecken, Abscheu und Ekel erzeugte. Man fühlte sich von ihm tödlich bedroht.

Ohne seine besonderen Fähigkeiten hätte er das niemals überleben können. Er wusste ja von Rassengenossen, die diplomatisch unterwegs waren, dass sie sich entsprechend tarnen mussten, um akzeptiert werden zu können. Dann wussten ihre Gesprächspartner zwar um ihre Besonderheit, aber solange sie eine Art Schutzanzug an hatten, war das nicht weiter schlimm.

In der Regel wurde das ganz einfach damit begründet, dass die Atmosphäre auf ihrem Heimatplaneten eine andere Zusammensetzung besaß, obwohl das natürlich eine Lüge war.

Posh selber hatte eben jeden beeinflusst, der ihm begegnete, um sich zu schützen. Dabei hatte er das sehr vorsichtig dosieren müssen, um kein Aufsehen zu erregen. Nicht auszudenken, wenn man ihm auf die Schliche gekommen wäre. Sicherlich würde er schon lange nicht mehr leben.

Bis er eines Tages in einer Kneipe in eine wüste Schlägerei geraten war: Sergeant Proll hatte einige der Kneipenbesucher übel aufgemischt, wobei Posh ernsthaft um sein Leben fürchten musste.

Obwohl er menschengroß war, wog er nämlich nur knapp über zwanzig Kilo. Eine Eigenheit seiner Rasse. Dabei musste er ständig bemüht sein, nicht angerempelt zu werden, damit niemand merkte, dass er ein solches Leichtgewicht und somit jedem normalen Menschen körperlich deutlich unterlegen war. Er beeinflusste also nicht nur, um allen die Furcht, die Abscheu und den Ekel vor ihm zu nehmen, sondern um sie auf Abstand zu halten.

Was er natürlich auch bei Sergeant Proll versucht hatte.

Ohne Erfolg!

Es war das erste Mal in seinem Leben gewesen, zumindest seit er seine besonderen Kräfte entdeckt hatte, die ihm mit der Zeit mehr und mehr erwachsen waren.

Er konnte zwar die Gedanken von Sergeant Proll lesen, wenn er sich besonders anstrengte, aber eben die Beeinflussung klappte bei ihm nicht.

Und noch etwas war seltsam bei der Begegnung mit Sergeant Proll: Er hatte nicht wie üblich Angst und Ekel vor ihm! Er war sogar ausgesprochen... freundlich zu Posh. Und das, obwohl er kurz zuvor einige seiner eigenen Rassengenossen ordentlich versohlt hatte. Dass sogar der Wirt vor ihm Angst hatte und lieber mal nicht die Polizei rief. Zumal Sergeant Proll ihm versprach, die Verprügelten würden für jeglichen Schaden aufkommen. Immerhin wären sie ja selber schuld gewesen, weil sie es gewagt hatten, ihn zu provozieren.

Und dann hatte er sich näher mit Posh beschäftigt, weil er sich darüber wunderte, wieso ein Insektenmensch frei herumlaufen konnte, ohne sich zu verhüllen, und sogar eine öffentliche Kneipe besuchte, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.

Posh hatte nun seinerseits Angst vor Proll. Dieser aber lachte nur und erklärte ihm, dass er persönlich bereits auf dem Heimatplaneten von Posh gewesen war, seine Rasse also kannte und deshalb wusste, dass sie allesamt nur furchtbar aussahen, aber – so wörtlich – trotzdem ausnahmslos liebe und nette Kerle wären.

Zum ersten Mal in seinem Leben gewann Posh so etwas wie Zutrauen zu einem anderen Wesen. Soviel Zutrauen hatte er noch nicht einmal seinen eigenen Rassegenossen gegenüber verspürt.

Er hatte sogar gegenüber Sergeant Proll zugegeben, dass er sich nur deshalb hier so frei bewegen konnte, weil er alle entsprechend beeinflusste.

Das hatte Proll doch ziemlich irritiert, und er hatte natürlich gefragt, ob Posh ihn ebenfalls beeinflussen würde.

Posh hatte zugegeben, dass dies bei Sergeant Proll gar nicht möglich war. Zumindest nicht in der üblichen leichten Art und Weise. Wenn er vielleicht seine Bemühungen entsprechend verstärken würde...

Sergeant Proll hatte mit beiden Händen dankend abgewunken. Und seitdem waren sie Freunde.

Damals hatte Proll nur noch eines interessiert, ehe sie gemeinsam weitergezogen waren:

»Bist du nun männlich oder weiblich?«

Das hatte Posh gewundert, war doch Sergeant Proll nach eigenem Bekunden bereits persönlich auf seiner Heimatwelt gewesen.

»Männlich natürlich! Wie jeder meiner Art!«

»Ah, das wollte ich nur noch wissen«, bekannte Sergeant Proll. »Man hat es mir zwar schon auf deiner Heimatwelt erklärt, aber ich wollte es irgendwie nicht glauben. Zumal man sich weigerte, mir zu erzählen, wie ihr euch überhaupt fortpflanzt.«

Posh hatte damit keine Probleme. Wieso auch? Obwohl er wusste, dass alle seiner Artgenossen normalerweise tatsächlich ein Problem damit hatten. Aber er hatte ja allem entsagt und war von dort geflohen, weil er es nicht mehr länger ausgehalten hatte.

»Wir leben als einzelne Völker mit je einer Brutkönigin!«, sagte er, wobei Sergeant Proll große Augen machte und seine Kinnlade herunterklappen ließ.

»Echt jetzt?«

»Ja, echt!«, betonte Posh. »Die Brutkönigin ist riesig. Sie kann viele tausend Eier legen und verbraucht dabei natürlich auch viele tausend Besamer.«

»Und du? Hast du auch mal...?«

Posh hatte sich längst angewöhnt, dann das Lachen eines Menschen nachzuahmen, wenn es angebracht erschien, obwohl er eine ganz andere Art von Heiterkeit pflegte, nicht vergleichbar mit der Heiterkeit eines Menschen. Jetzt bewies er das Sergeant Proll gegenüber.

»Natürlich nicht. Ich war noch viel zu jung, als ich abgehauen bin. Dazu muss man erst mal die Rituale zur Männlichkeit überstehen, und das ist nicht ganz so einfach wie es sich anhört. Das sind äußerst harte Prüfungen. Nur die wirklich Besten dürfen die Königin begatten, damit die Brut nicht an Qualität verliert.«

»Krass!«, hatte Sergeant Proll fassungslos kommentiert. »Kein Wunder, dass mir das keiner sagen wollte. Das waren anscheinend welche, die diese Rituale beziehungsweise Prüfungen nicht bestanden haben oder wie?«

»Durchaus möglich. Keine Ahnung. Mir persönlich ist das völlig egal. Was glaubst du wohl, wieso ich nicht mehr dort lebe, sondern hier bin?«

Es hatte danach weitere Jahre gedauert, bis sie den Raumbären gefunden hatten, der sich Per-nat nannte, und der genauso immun gegen die Beeinflussung war wie Sergeant Proll.

Das Trio war entstanden, das über Jahrzehnte hinweg schließlich das Imperium als Piraten unsicher gemacht hatte. Mit einem Raumschiff der Flotte, das sie nur hatten stehlen können, weil Posh seine besondere Begabung eingesetzt hatte.

All die Zeit, die Posh mit den beiden verbracht hatte, war er niemals auf die Idee gekommen, eine Beeinflussung bei ihnen vielleicht mit Gewalt zu versuchen. Nein, sie waren seine Freunde, und er vermied es sogar, ihre Gedanken zu lesen. Zumal sie ziemlich schnell gelernt hatten, sie vor ihm abzuschirmen.

Irgendwie waren beide so wie Posh, obwohl keine echten Esper mit echten PSI-Fähigkeiten, aber doch mit Kräften, die sie gegen PSI praktisch immun machten.

»Jetzt verstehe ich, wieso sie sich nicht so verhalten wie sie eigentlich sollen!«, hörte er die Stimme direkt in seinem Kopf.

Poshs Antennen zitterten. Er wusste schon länger, dass er diesen Antennen seine PSI-Fähigkeiten verdankte. Obwohl er damit der einzige seiner Art innerhalb der eigenen Rasse war. Über die Antennen hatte er direkten Kontakt mit dem selbsternannten Herrn aller Dinge.

»Du glaubst also immer noch, du hättest uns drei erschaffen?«

»Ja, natürlich, weil es halt so ist. Obwohl ich mich andererseits selbst wundere, warum ihr so anders seid als alle anderen, die ich vorher einfing.«

»Moment mal, soll das heißen, all die Raumschiffe, die hier verschollen, wurden von dir eingefangen? Du hast also die Besatzung entführt und nicht getötet?«

»Aber warum hätte ich sie denn töten sollen? Zugegeben, anfangs sind sie durchgedreht und haben sich gegenseitig umgebracht. Ich war wohl nicht vorsichtig genug gewesen, als ich mich ihnen als ihr Schöpfer zu erkennen gegeben hatte. Aber danach ging ich vorsichtiger zu Werk.

Ich habe sie zwar irgendwie doch getötet, aber nicht damit sie tot bleiben, sondern um sie hier, in meinem inneren Universum, dort, wo ich den unendlichen Ozean erschaffen habe, zu neuem Leben entstehen zu lassen.

Da waren nicht nur Menschen mit dabei, sondern seltsame Wesen, also Nichtmenschen. Wohl beim Erschaffen irgendwie misslungen, wie ich annehme. So wie du und dieser befellte Geselle, der sich selbst Per-nat nennt. Aber ich habe aus ihnen natürlich hier wieder Menschen werden lassen. Um den Fehler zu korrigieren.«

»Und wieso sehe ich, Posh, nach wie vor aus wie eben... Posh?«

»Du hast wie ein Mensch ausgesehen, weil ich einen Menschen aus dir gemacht habe, genauso wie dieser Per-nat. Aber irgendwie ist mir das entglitten. Bei all meiner unbestrittenen Allmacht, mir unterlaufen dennoch Fehler. Zwar selten, aber immerhin...«

»Weil du verdammter Narr uns überhaupt nicht erschaffen hast! Weder außerhalb dieser anscheinend künstlichen Sphäre noch innerhalb.«

»Aber ich sagte dir doch gerade, dass du ein Mensch warst, weil ich dich als solcher hier habe neu entstehen lassen!«, beharrte Ad-Aberitsch.

»Und wieso bin ich jetzt wieder der Alte?«, blieb auch Posh stur.

»Das – das weiß ich nicht. Obwohl, eigentlich spielt es gar keine Rolle. Ihr seid hier. Das zählt. Zwar stört ihr die ewige Harmonie, aber genauer betrachtet kann ich eigentlich gar nicht sagen, dass mir das sonderlich missfällt.«

»Wahnsinnig, ja, genau das bist du. Ein Wahnsinniger mit ungeheurer Macht, angesichts dessen, was ich hier sehe und was sich verdammt real anfühlt. Wahrscheinlich könntest du mich einfach so töten, wenn du wolltest.«

»Aber warum sollte ich denn das tun wollen?«, wunderte sich der Herr aller Dinge.

»Oh, jetzt nur nicht auf dumme Gedanken kommen. Ich habe ja nur gemeint...«

»Dumme Gedanken? Was meinst du damit?«

»Ach was, gar nichts. Du hast ja völlig Recht. Du hast uns erschaffen, dann aufgelöst und hierher gebracht... äh, uns hier wieder neu entstehen lassen. Das ist zwar absoluter Quatsch, aber sagen wir mal, ich glaube dir das ab sofort vorbehaltlos. Zufrieden?«

»Ja, natürlich, weil es wirklich so ist.«

»Und wie geht es meinen beiden Freunden?«

»Soweit ich das beurteilen kann, müsste es ihnen eigentlich gut gehen, auch wenn sie sich selber nicht danach fühlen.«

Posh widmete sich wieder den Menschen in dem Boot, die immer noch unter der Schockstarre litten. Sie taten ihm ehrlich leid. Deshalb wagte er den Versuch, sie zu beeinflussen, um ihnen die Angst und den Ekel zu nehmen.

»He, was wagst du es, meine Freunde zu beeinflussen?«, regte sich Ad-Aberitsch prompt auf.

»Was beschwerst du dich denn, Addi? Kannst es ja einfach unterbinden.«

»Nein, ich verbiete es dir ein für alle Mal!«

»Tun dir denn diese Menschen nicht leid? Siehst du denn nicht, wie sehr sie leiden?«

Für einen Moment war es ruhig in seinem Kopf. Dann:

»Du – du hast recht. Sie leiden. Aber wieso leiden sie? Kein Mensch muss hier leiden. Das ist doch das Paradies, das ich extra für sie erschaffen habe.

Äh, nein, ich muss mich korrigieren. Meine Erinnerung funktioniert manchmal nicht so wie sie soll. Ich habe den unendlichen Ozean schon vorher erschaffen. Für mich allein. Für sehr lange Zeit. Bis ich auf die Idee kam, im äußeren Universum Wesen zu erschaffen, einzufangen und hierher zu transferieren.«

»Transferieren? Das klingt schon besser wie auflösen und hier neu erschaffen.«

»Ist das denn nicht dasselbe?«

Posh gab gar keine Antwort. Er hatte gesehen, dass sich die Menschen in dem Boot tatsächlich beruhigt hatten. Nicht durch ihn, sondern durch Addi, wie er diesen Herrn aller Dinge künftighin nennen wollte. Ob es dem nun passte oder nicht. Sollte er ihn halt mit dem Tode bestrafen dafür. Immer noch besser, als sich ihm unterzuordnen. Einem Wahnsinnigen.

Nie im Leben würde Posh das tun. Selbst wenn Addi die Raumverschlinger persönlich auf ihn hetzen würde.

Das nahm er sich in diesem Moment jedenfalls fest vor.

Und er dachte besorgt an seine beiden Freunde. Wie es denen denn so erging? Befanden sie sich ebenfalls auf solchen Inseln? Immerhin zu weit weg, als dass er sie sehen konnte.

Sechs Romane Die Raumflotte von Axarabor - Der unendliche Ozean

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