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Blick von außen – Begegnungen mit einem traumatisierten Menschen

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scheinbare Widersprüchlichkeit

Die Begegnung mit einem traumatisierten Menschen ist oft in einer starken Weise herausfordernd. Es gibt kein einheitliches Bild, die möglichen Erscheinungsformen können höchst unterschiedlich sein; und sie können sich im Verlauf in Form und Intensität erheblich verändern. Manches an diesem Erscheinungsbild kann auf den Begleiter auch bizarr oder verwirrend wirken. Die scheinbare Widersprüchlichkeit in den oft stark wechselnden Stimmungen und Verhaltensweisen verleitet Begleiter immer wieder zur Verkennung der bestehenden Not.

Blick für dissoziative Zustände

Wichtig ist es, einen Blick für sogenannte dissoziative Zustände zu entwickeln. In diesen Zuständen reagiert der andere oft nicht oder nur eingeschränkt. Er entgleitet dem Betreuer, kann dann wie unnahbar und unerreichbar wirken, eigentümlich »abgezogen«; im Erscheinungsbild kann das fatalerweise als »überheblich« oder »desinteressiert« verkannt werden. Vielleicht wird der andere in diesem Moment eingeholt von Erlittenem, ist wieder in diesem Geschehen festgehalten, also in einem sogenannten Flashback (siehe Seite 91) befangen. Ein Mensch in diesem Zustand wird dann extrem dissoziiert wirken, zusätzlich wie erstarrt, oft mit ausgeprägt kalten Extremitäten, in den Augen tiefe Angst.

Oder er ist Intrusionen ausgesetzt, intensiven Sinneseindrücken, die ihn jäh überwältigen, ebenfalls von der jeweiligen Umgebung abziehen und »entrückt« erscheinen lassen (siehe auch Seite 92).

plötzliche Verhaltensänderungen

Auch können wir plötzliche und unmittelbare Veränderungen im Gebaren und Verhalten des anderen erleben, wie aus dem Nichts aufschießende aggressive Zustände oder ein nicht einfühlbarer Rückzug, eine abrupt entstehende Abwehr – ein befremdliches Verhalten. Wir können Vermeidungsverhalten beobachten, eine große Übervorsichtigkeit.

Vielleicht können wir mit der Zeit Bedingungen erkennen, die solchen Veränderungen vorausgehen, zum Beispiel die Anwesenheit einer bestimmten Person, der Übergang zur Nacht oder Ähnliches. Doch oft bleibt es uns – zunächst – ein Rätsel, was die jeweilige Situation auslöst.

Die Stimmung mag sich verändern und umschlagen von Aggression in eine tiefe Verstimmtheit, Dysphorie, oder auch in eine (scheinbare) Gefühlsabflachung. Eine Schreckhaftigkeit, oft eine Hoffnungslosigkeit mag uns begegnen und immer und unentwegt die Neigung zu einer großen Angst.

Abgrenzung von anderen Erkrankungen

Die unterschiedlichen Bilder können eine erhebliche Dimension annehmen und sehr an eine Psychose erinnern, sie können dem Bild einer Depression ähneln oder auch schwer abgrenzbar sein von der Symptomatik einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline-Persönlichkeits-Störung).

Weiterhin können Formen der Verweigerung auftreten, auch ungewöhnliche Kontaktgestaltungen wie ein Anklammern oder umgekehrt ein heftiges abweisendes Verhalten. Regressive Phänomene, die an ein ausgeprägt kindliches Verhalten erinnern, treten auf.

Es können sich anhaltende Ess- und Schlafstörungen zeigen, aber auch körperliche, somatische Phänomene wie nicht einfühlbare und nicht abklärbare Kopfschmerzen, Erbrechen oder Durchfall. Zittern, Schwitzen und Herzrasen treten auf; wir können eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit wahrnehmen, eine taktile Über- und Unterempfindlichkeit, ein oft intensives oder auch abgeschwächtes Schmerzempfinden. Oder der andere zeigt uns Nacken- und Körperschmerzen unklarer Genese.

Im Sozialen ergeben sich Bindungsstörungen wie der Abbruch von scheinbar sicher gewähnten Beziehungen, Probleme mit der Affektregulation oder Angst vor fremden Personen, oft auch ein Bedürfnis nach intensiver Rückversicherung, verbunden mit Trennungsängsten oder wiederum auch Kontaktvermeidung.

vielschichtiges Bild

Immer ist es ein sehr vielschichtiges Bild, wobei nur einzelne der geschilderten Symptome auftreten können oder auch mehrere Symptome sich gelegentlich abwechseln und auch in Stärke und Intensität in unterschiedlicher Weise auftreten.

Wir erleben den anderen in seinem Verhalten und Gebaren, in seinen Handlungen und Äußerungen. Gleichzeitig aber erleben wir ihn auch innerlich, wir fühlen mit ihm, oder anders ausgedrückt: Der andere spiegelt sich in unserer Seele. Hier liegt der wesentliche Schlüssel zum Erkennen des Zustandes des anderen – als Grundlage und unabdingbare Voraussetzung unseres adäquaten Verhaltens. Unser wichtigstes diagnostisches wie therapeutisches »Werkzeug« in der Begleitung von Menschen, insbesondere in der Begleitung von Menschen mit herausforderndem Verhalten, ist also unsere eigene Seele. Die aufmerksame Selbstbeobachtung kann eine ganz wesentliche Erweiterung unserer Wahrnehmung und damit ein wichtiges Korrektiv darstellen. Hier können wir die tiefe Not nachempfinden, in der ein traumatisierter Mensch steht.

Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung

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