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Ursachen einer Traumatisierung
ОглавлениеTyp-1- und Typ-2-Trauma
Es gibt sehr vielfältige Ursachen einer Traumatisierung. Traumatisierungen können auf ein einmaliges Erlebnis zurückgehen. Wir sprechen dann von einem »Typ-1-Trauma«. Die Entwicklung eines Menschen kann aber auch durch wiederholte Traumatisierungen über lange Jahre geprägt sein. Dies umfasst innerfamiliäre Traumatisierungen (zum Beispiel wiederholten sexuellen Missbrauch oder anhaltende Gewalterfahrungen), aber auch Formen der schweren Verwahrlosung oder Ähnliches. Wir sprechen dann von einem »Typ-2-Trauma«.
Gerade die lang anhaltenden Traumatisierungen in einem Umfeld, das eigentlich Schutz und Sicherheit gewähren sollte (vor allem die Familie, aber auch Institutionen wie Schule oder Heim), wirken sich besonders schwer aus, da hier zusätzlich zur seelischen und gegebenenfalls körperlichen Verletzung der Verlust an Vertrauen entscheidend hinzutritt.
Mitbedingt wird das Ausmaß einer Traumafolgestörung durch die Vorerfahrungen eines Menschen. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob ein Mensch schon früh in seiner Entwicklung beeinträchtigt wurde oder ob er eine sogenannte Resilienz entwickeln durfte.
Resilienz
»Resilienz« bedeutet eine seelische Widerstandsfähigkeit, die es einem Menschen ermöglicht, Krisen und Herausforderungen zu bewältigen und – mehr noch – sie durch Rückgriff auf persönliche wie sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Resilienz ist eine Fähigkeit, die ein Mensch durch achtsame, fördernde und ermutigende Erziehungsbedingungen in der Kindheit erwirbt oder die er in der weiteren Entwicklung mit Unterstützung in sich entwickelt.
Die Förderung von Resilisienz können wir als eine herausragende Aufgabe in Heilpädagogik und Sozialtherapie verstehen.
Ohnmacht und Hilflosigkeit
Vereinfachend können wir sagen, dass Ohnmacht und Hilflosigkeit wesentlich dazu beitragen, dass ein Geschehen zu einem traumatischen oder traumatisierenden Geschehen wird. Gemeint sind also Erfahrungen, die die Verarbeitungsfähigkeit des Einzelnen überfordern.
Die jeweilige Grenze der Überforderung des Einzelnen, der jeweilige Beginn der Hilflosigkeit kann nicht generell beschrieben oder definiert werden, ebenso wie wir nicht wissen, über welche resilienten Möglichkeiten der andere verfügt. Was uns bleibt, ist die aufmerksame, wache und anteilnehmende Zuwendung zum anderen.