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Tortola Karibik 1987

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Für die paar Whiskys und gute Worte über meine Jahre zur See hatte mich am Hafen von St. John der Kapitän gegen alle Regeln auf dem Küstenfrachter versteckt, und nur eine Stunde nach dem regulären Fährschiff legten wir bei der Insel von Tortola an. Bis dahin hatte ich wenig gesehen, die Bullaugen des Laderaums, den ich nicht verlassen durfte, lagen nur knapp über der Wasserlinie, jetzt aber, an Land, sah ich viel – Strand und Palmen und grüne Berge im goldenen Licht der Mittagssonne. Es war heiß und außer der Mannschaft regte sich niemand am Pier, der kleine Hafen lag verlassen, und vor mir der einsame Schwarze an der Sperre, ein schmächtiges Kerlchen ganz in Weiß, mußte mit dem Fährschiff gekommen und seitdem hier aufgehalten worden sein. Es sah aus, als würde auch ich aufgehalten werden, denn noch immer beschäftigte sich der Grenzbeamte mit ihm. Der Schwarze plädierte und plädierte, allmählich aber wurde er leiser, seine Gestik verhaltener. Er schien sich zu fügen und bereit, ein Schiff abzupassen, das ihn zurückbefördern würde, wo er hergekommen war. Doch dann besann sich der Beamte. Er machte einen Eintragung in den Paß des Mannes und belehrte ihn. Der nahm das mit gebeugtem Kopf hin. »Und lassen Sie sich sagen«, schloß der Beamte, »Tortola ist nicht für Leute wie Sie, und sollten wir Sie noch mal erwischen, werden Sie grau sein, ehe Sie die Sonne wiedersehen.«

»Yes Sir!« sagte der Schwarze.

Der Beamte setzte seinen Stempel unter den Vermerk im Paß. Der Mann ging und ich rückte vor. Bald fand auch ich mich auf dem sandgelben, öden Platz vor den Güterschuppen am Hafen. Der Weg in die Berge führte am Polizeirevier vorbei zu einer Reihe von Läden und dem Postamt. Die Sonne stand steil im wolkenlosen Himmel und es war, als tauchte ich in eine Glut. Der Schwarze irrte auf dem Platz umher wie ein Insekt unter einer Glocke. Im Schatten einer Palme parkte ein Taxi und ich verhandelte mit dem Fahrer über den Preis zu Raymonds Gasthaus, und als der Schwarze erklärte, er wolle auch dorthin, halbierte der Fahrer die Summe. Ich war schon eingestiegen, da pfiff es plötzlich schrill über den Platz. Jäh wandte sich der Schwarze um, und dann sahen wir zwei Uniformierte vom Polizeirevier auf uns zukommen. Der Schwarze erstarrte, blickte flehentlich zum Fahrer, der schüttelte den Kopf und ließ den Motor nicht an. Schon waren die Uniformierten am Taxi. Einer packte den Schwarzen, und noch ehe er seinen Paß zeigen konnte, war er festgenommen. Die Handschellen blinkten in der Sonne, als sie ihn abführten. Der Fahrer schwieg, ich schwieg, und beide sahen wir den Mann zwischen den Polizisten im Revier verschwinden. Von hinten sah er noch schmächtiger aus, irgendwie geschrumpft, und es war, als schleiften sie eine Stoffpuppe durch die Tür.

»Pech«, sagte der Fahrer und setzte den Preis neu fest.

»Eine freundliche Insel«, ließ ich ihn wissen.

»Mag sein, oder auch nicht«, sagte er. »Kommt immer drauf an, was einer hier einschleppt.«

»Zum Beispiel?«

»Mann«, sagte der Fahrer, »fragen Sie das nicht. Ist nie gut, wenn einer zuviel fragt.«

Und in zehn Tagen auf Tortola in der Sonne erfuhr ich nicht, warum sie den Schwarzen eingesperrt hatten – ging es um Rauschgift oder was sonst?

Die Zeit berühren

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