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Rheindampfer Düsseldorf 1989

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Wie hieß das Schiff, dort unten am Kai vor der Altstadt – war es Diana? Ich weiß nur, es war geräumig wie die anderen, ein Fahrgastschiff mit großen Fenstern, durch die ich Männer an Tischen sitzen sah. Es war spätnachmittags am Sonntag, und sie saßen da, tranken Bier aus Büchsen, rauchten und der Rauch lag im Raum wie eine Wolke. Irgendwo lief bunt ein Fernseher und eine Gruppe von Männern starrte stumm auf die Bilder. Sollte ich mich als Reporter ausgeben? Mir schien es einfacher zu behaupten, daß ich unter den hier Beherbergten einen Verwandten suchte, einen Karl Rademacher aus Plauen. Die Frau vom Roten Kreuz, die am Eingang Dienst tat, nahm das auch hin und schickte mich ins Büro zu dem Mann, der die Kartei führte. Karl Rademacher, wann soll der eingetroffen sein – seit dem 9. November oder davor über Prag oder Budapest? Ich entschied mich für einen Tag im November und mein lockeres Rheinländisch, Sprache meiner Kindheit, machte ihn zugänglich. Bereitwillig blätterte er die Kartei durch. Nein, einen Karl Rademacher gäbe es nicht. Doch Moment mal, in einem Abstellraum unter Deck sei noch ein zweiter Karteikasten, der mit den Abgängen. Ob ich kurz warten wolle?

Während er dorthin verschwand, ging ich durchs Schiff. Die Frau hinterm Eingang blickte fragend auf. Gleich würde ich es erfahren, sagte ich ihr, und da ließ sie mich in den Gemeinschaftsraum. Es war warm drinnen und die Luft stickig. Kurzerhand setzte ich mich an den Tisch neben der Flügeltür. Der Mann dort mit der Bierbüchse war älter als die meisten ringsum, vierzig etwa, mit kleinen Augen im runden Gesicht. Meine Frage nach Karl Rademacher überforderte ihn.

»Kenne hier keinen und will auch nicht«, sagte er in breitem Sächsisch, und bald hatte ich heraus, daß er aus Radeberg stammte, Fleischer war und er sich, seit die Mutter tödlich verunglückt war, niemandem und nichts zugehörig fühlte – auch Radeberg nicht. Von dort war er verschwunden, sobald das möglich wurde, und nun sei er schon drei Wochen auf dem Schiff und bei den letzten paar Mark vom Begrüßungsgeld.

»Und dann?« fragte ich.

Mit klobiger Hand beschrieb er einen Kreis. »Immer so weiter«, sagte er.

Dabei meinte er seine tägliche Arbeitssuche in der Umgebung, von Fleischerei zu Fleischerei und zurück auf das Schiff, wo er in der Viermannkajüte seine Koje hatte und es Essen gab.

»McDonald's«, sagte er. »Pappteller und Plaste.«

»Lebt sich doch einigermaßen«, entgegnete ich.

»Schon richtig«, sagte er. »Bloß Krach ist auch viel, und Schlägereien. Kommt immer auch mal die Polizei, wegen Ladendiebstahl und so. Kann ja nicht ausbleiben. Aber ich halt mich da raus.«

Ich sagte ihm das von dem zweiten Karteikasten und woher ich das wüßte. »Müssen ja auch Abgänge gewesen sein.«

»Abgänge sind«, sagte er. »Bloß ich bin noch hier.«

Er sagte es stumpf, mit wenig Hoffnung, und flüchtig tauchte auch Radeberg auf – wie von sehr fern aus einer anderen Welt.

»Hat ja keinen Sinn«, sagte er. »Die Mutter tot, die Wohnung weg. Was soll ich da?«

Ich schwieg, und hätte auch geschwiegen, wären wir nicht durch den Karteiverwalter vom Roten Kreuz unterbrochen worden.

»Einen Karl Rademacher aus Plauen hat es hier nie gegeben.«

»Na dann«, sagte ich zu dem Fleischer aus Radeberg.

»Na dann«, sagte auch er.

Wir gaben uns die Hand und ich ging.

Die Zeit berühren

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